"Wie viele Kinder willst Du mal haben?" dürfte auf der Liste der bescheuertsten Fragen beim ersten Date ziemlich weit oben stehen. Warum eigentlich? Ist es nicht eigentlich total bescheuert eine derart grundlegende Frage nicht gleich an der Stelle zu klären, die möglicherweise der Auftakt für eine Partnerschaft ist? Macht man trotzdem nicht, klar. Weil’s irgendwie nach Verzweiflung klingt oder nach Illusion oder man beim Gegenüber das Gefühl erzeugen könnte, man sei mehr an der Reproduktion der eigenen Spezies interessiert als an dem ganzen romantischen, verklärten Drumherum, das nun einmal zuerst kommt.
Zunächst aber einmal ein paar Fakten: Schaut man sich eine Statistik aus dem Jahre 2016 zum Kinderwunsch der 18- bis 30-Jährigen in Deutschland an, könnte man meinen, dass Frauen und Männer bei dem Thema ziemlich ähnlich ticken. Je 5 Prozent der Befragten wünschen sich ein Kind, zwei Kinder können sich ganze 37 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen vorstellen. Drei Kinder sind der Wunsch von jeweils 11 Prozent und mehr als drei können sich ganze 33 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen vorstellen. Die Gruppe derjenigen, die ihr Leben lieber ohne Kinder verbringen möchten, ist mit 2 (Männer) und 4 (Frauen) Prozent verschwindend gering.
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So die Theorie. Und in der Praxis? Da verlieben sich naturgemäß eben auch solche ineinander, die beim Thema Kinderplanung so gar nicht eine Sprache sprechen. Und dann?
"Generell ist es immer ratsam, sich selbst darüber möglichst im Klaren zu sein, wo man im Leben hin möchte – nicht nur auf das Thema Kinder bezogen. Und wichtig ist es auch, dies innerhalb der Beziehung zu thematisieren, sobald diese ernster wird – also meist schon nach ein paar Wochen oder Monaten", sagt Nele Sehrt, Dipl.-Psychologin, Sexual- und Paartherapeutin mit eigener Praxis in Hamburg (www.nelesehrt.de). Mögliches Problem: Meinungen ändern sich im Laufe der Zeit durchaus und es können mit dem neuen Partner auch plötzlich ganz neue Wünsche entstehen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass der überzeugte Freiheitsliebhaber mit einer neuen Frau an seiner Seite plötzlich den Wunsch hegt, Papa zu werden. Gab’s alles schon. Was aber, wenn sich gar nichts ändert und die Frau irgendwann Druck macht?
Wichtig in dieser Hinsicht ist sicher, wie der Wunsch nach Nachwuchs überhaupt erst von der Frau vorgebracht wird. "Wenn eine Frau sagt 'Ich will Kinder' ist es interessant zu wissen, ob sie mit ihm Kinder haben will oder sich generell Kinder wünscht", sagt die Dipl.-Psychologin und gibt zu bedenken: "Kann man es einem Mann verübeln, wenn er von ihrer Kinderidee nicht besonders begeistert ist, weil ihm dabei lediglich eine beliebige Rolle zugewiesen wird?"
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Folge: Es macht tatsächlich einen Unterschied, ob eine Frau sagt "Ich will mit Dir Kinder" oder vielleicht sogar "Du bist der erste Mann, mit dem ich mir überhaupt vorstellen kann, Kinder zu bekommen", oder ob der Mann das Gefühl hat, es gehe der Partnerin lediglich um den Nachwuchs, egal wer der Vater letztlich ist.
Was aber, wenn beide auf ihren Standpunkt beharren, sie weiterhin von Kindern träumt und er sich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden kann – wie geht man als Paar dann vor? "In dem Fall ist es spannend, mehr Details zu erfahren", sagt die Expertin. Beispielsweise, ob die Abneigung gegen Kinder vielleicht darin begründet liegt, dass die Beziehung nicht gefestigt genug ist.
Was braucht der eine, um sich dem Thema zu nähern und unter welchen Umständen würde der andere vielleicht sogar von seinem Wusch zurücktreten? Auch interessant: Warum taucht ein Kinderwunsch bei einem Partner plötzlich auf – vielleicht geht es ihm um etwas ganz anderes? "Diese und viele andere Fragen lohnt es sich zu klären, bevor man an eine Trennung denkt", so die Dipl.-Psychologin.
Wie aber empfinden Männer die Vaterschaft, nachdem sie sich von der Partnerin haben "breitschlagen lassen"? "Das kann ganz unterschiedlich sein. Von einer generellen Abwehr bis hin zu übersprudelnden Vatergefühlen", kann Sehrt aus der eigenen Praxis berichten. Für sie ist in diesem Fall die Frage spannend, um was für einen Typ Frau es sich handelt, der es vielleicht gar nicht so wichtig oder unter Umständen sogar egal ist, wie ihr Mann oder Partner mit der Entscheidung klar kommt.
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"Passt ihr das vielleicht sogar ganz gut in den Kram, weil sie aufgrund ihrer Lebensgeschichte dem Kindsvater sowieso keine große Rolle zukommen lassen kann oder möchte?", so die Expertin. Allerdings sei "Sich breitschlagen Lassen" durchaus auch eine aktive Handlung, die im Nachhinein vom Vater überhaupt nicht als Übergriff gewertet wird. "So etwas kann durchaus zu dem Paar passen und muss nicht zwingend einen Konflikt auslösen", erklärt Sehrt.
Besonders unschön wird es, wenn die Partnerin gegen den Willen des Mannes und ohne sein Wissen eine Schwangerschaft forciert. Was dann? Wie reagieren Männer in der Regel, wenn dieser Fall eintritt? "Das ist ein sehr schweres Thema. Meist entscheidet zwar der eine nicht einfach so über den anderen hinweg, sondern nach langen und intensiven Gesprächen", weiß die Psychologin. "Nichtsdestotrotz sind Kinder auch für die Elternebene eine lebenslange Entscheidung und dadurch kann beim Mann das Gefühl der Fremdbestimmtheit auch ein Leben lang anhalten."
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Laut Expertin bedeutet eine solche Handlung über den Kopf des Partners hinweg häufig das Ende der Beziehung. Die Grenzüberschreibung sei in diesem Fall einfach zu massiv. "Wer will schon mit einem Menschen zusammen sein, der die Wünsche und Ängste des anderen nicht respektiert? Dies alles schadet vor allem einem Menschen: dem Kind", so Sehrt.
Wie so oft in einer Beziehung, sind gerade beim Thema Kinderwunsch offene, ehrliche Worte elementar – und das am besten gleich zu Beginn der Partnerschaft. Bedenken Sie aber, dass sich Wünsche, Ziele und Lebensträume eines Menschen ändern können – gerade wenn es um den Nachwuchs geht. Daher sollten Sie und Ihre Partnerin immer im Austausch bleiben. Denn, wie heißt es so schön: Kinder sind tatsächlich eine Entscheidung fürs Leben.
Nele Sehrt, geboren 1977 in Göttingen, ist Diplom-Psychologin, Sexualtherapeutin und Yogalehrerin. Sie betreibt in Hamburg ihr eigene Praxis für Psycho-, Paar- und Sexualtherapie. Die eloquente Beziehungs-Expertin mit Herz und Verstand ist einer breiten Öffentlichkeit aus TV-Sendungen wie The Biggest Loser oder Liebe leicht gemacht bekannt. Als Vermittlerin zwischen den Geschlechtern definiert sie das Ziel ihrer Arbeit ganz einfach: Mehr Spaß miteinander.