Update Elterngeld
Warum das bisherige Elterngeldmodell viele engagierte Väter ausbremst

Im Jahr 2007 hat das Elterngeld das Erziehungsgeld abgelöst und einen Boom bei den Vätern ausgelöst: So viele wie nie bleiben jetzt für eine längere Zeit zu Hause beim Kind. Inzwischen droht aber eine Kehrtwende, sagt eine Expertin – und erklärt, was sich jetzt ändern muss
Schwein gehabt: Mit Glück werden die Elterngeldsätze bald angehoben
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Seit der Einführung von Elterngeld und Elternzeit vor rund 17 Jahren hat sich viel in Deutschland getan, vor allem für Väter. Nur eines hat sich seitdem nicht verändert: der Höchstbetrag des Elterngeldes klebt wie Kindspech bei 1.800 Euro.

Die Berliner Rechtsanwältin Sandra Runge möchte das jetzt ändern. Aus diesem Grund hat die zweifache Mutter und Buchautorin ("Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert!") eine Petition mit zwei weiteren Mitstreiterinnen (Daniela Weckmann und Nancy Koch) ins Leben gerufen. Im Interview erklärt sie die Hintergründe.

Im Jahr 2007 wurde das Erziehungsgeld vom Elterngeld abgelöst. Wie ist diese Neuerung im Rückblick zu beurteilen?

"Das Erziehungsgeld war einkommensunabhängig und wurde bis zu 24 Monaten in Höhe von zirka 300 Euro gezahlt. Durch die Einführung des einkommensabhängigen Elterngeldes sollte vor allem sichergestellt werden, dass Frauen wieder früher in den Beruf einsteigen können und mehr Väter Elterngeld beantragen. Dieses Ziel ist natürlich genau richtig. Fraglich ist jedoch, ob es durch die aktuellen Regelungen wirklich erreicht wurde."

Was hat sich seit der Einführung des Elterngeldes getan?

"Es gab immer wieder kleinere Änderungen, zum Beispiel die Einführung des Elterngeld Plus, die Absenkung der Einkommensgrenze von 250.000 beziehungsweise 500.000 Euro auf 250.000 beziehungsweise 300.000 Euro, Anpassungen beim Geschwister- und Mehrlingsbonus, oder die Ausweitung der Teilzeitmöglichkeiten – eine Erhöhung war jedoch nie ein Thema."

Sandra Runge
Manu Wolf
Rechtsanwältin Sandra Runge

Was bedeutet es für die Bezieher:innen, dass die Elterngeldsätze seit mehr als 16 Jahren nicht erhöht wurden?

"Durch den Kaufkraftverlust sind die Elterngeld Mindest- und Höchstsätze, also 300 beziehungsweise 1.800 Euro heute rund ein Viertel weniger wert als in 2007, das führt zu einem steigenden Armutsrisiko und einem Wohlstandsverlust für Familien. Häufig schmelzen finanzielle Reserven dahin. Viele Eltern schreiben uns, dass sie nicht durchkommen mit dem Elterngeld und ihr Erspartes aufbrauchen müssen, weil sie Fixkosten wie Miete und Versicherung sonst nicht bezahlen können. Insbesondere Mütter, die oftmals weniger verdienen begeben sich in Abhängigkeiten. Auch die zeitliche Lage der Bemessungsgrenze finden viele Eltern unfair: Wenn sie zwischen dem ersten und dem zweiten Kind nur in Teilzeit oder gar nicht gearbeitet haben, sind sie erheblich schlechter gestellt, weil hier die Einkünfte zwischen der Geburt der Kinder entscheidend sind. Für die Höhe der Rente ist ja auch das Einkommen aus Jahrzehnten entscheidend, wieso greift man für das Elterngeld nur auf den Zeitraum kurz vor der Geburt zurück?"

Hat diese Problematik auch Auswirkungen auf die Väter?

"Auf jeden Fall. Nach dem aktuellen Väterreport des Familienministeriums sagen 51 Prozent der Väter, dass finanzielle Motive darüber entscheiden, ob sie in Elternzeit gehen oder nicht. Eine signifikante Erhöhung des Elterngeldes und insbesondere des Höchstbetrages wird sicherlich dazu führen, dass mehr Väter in Elternzeit gehen. Wir wissen aus den vielen Nachrichten, die uns täglich erreichen, dass die Aufteilung von Elternzeiten und damit auch die Aufteilung von Fürsorge- und Erwerbsarbeit vor allem vom Geldbeutel abhängt. Die Bezugsdauer von Elterngeld bei Vätern beträgt durchschnittlich immer noch 4,5 Monate und hat sich in den letzten Jahren nur marginal erhöht. Der Gesetzgeber muss sich daher fragen, welche neuen Anreize er setzt."

Das Team hinter der Petition #elterngeldhoch: Sandra Runge, Dani Weckmann und Nancy Koch (von links)
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Das Team hinter der Petition #elterngeldhoch: Sanda Runge, Dani Weckmann und Nancy Koch (von links)

Unter dem Hashtag #elterngeldhoch ging jetzt eine Petition an den Start – wie lauten die Forderungen im Detail?

"Das Elterngeld muss erhöht werden, um die Inflation der letzten 16 Jahre auszugleichen, sowie zukünftig in regelmäßigen Abständen an die steigende Inflation angepasst werden. Wir fordern vor diesem Hintergrund einen armutsfesten Mindestsatz, eine Erhöhung des Höchstsatzes und eine Erhöhung der Ersatzraten, also die Prozentsätze des durchschnittlichen Nettogehaltes im Elterngeld-Bemessungszeitraum, die entscheidend für die Höhe des Elterngeldes sind."

Wie ist der aktuelle Stand der Petition?

"Wir haben innerhalb von 5 Tagen das Quorum von 50.000 Unterschriften erreicht, das ist wirklich großartig. An dieser Stelle von Herzen ein großes Dankeschön von uns an alle, die diese Petition unterzeichnet und geteilt haben!

Fazit: 50.000 Unterschriften für die Petition #elterngeldhoch ist enorm. Aber: "Der aktuelle Stand der Petition ist kein Grund zum Zurücklehnen", sagt Anwältin Sandra Runge. "Jede Stimme verleiht unseren Forderungen mehr Gewicht, also bitte unterschreibt weiterhin fleißig!" Hier geht's zur Petition #elterngeldhoch.