- Woher kommt das Gefühl der Benachteiligung seitens der Väter?
- Für Mütter gibt es den Mutterschutz, wäre die Einführung eines Väterschutzes sinnvoll?
- Wie kann man mehr Männer von der Elternzeit überzeugen?
- Manche Männer gehen auch aus Angst vor beruflichen Nachteilen nicht in Elternzeit, zu Recht?
- Viele Väter in Elternzeit klagen über die fehlenden Wickelmöglichkeiten auf Männerklos. Ist das noch so?
- Sind die Väter aber nicht auch in der Bringschuld?
- Wie wichtig ist es, dass Frauen und Männer gemeinsam an der Überwindung von Benachteiligungen arbeiten?
- Werden engagierte Väter bei der Trennung benachteiligt?
- Wäre ein automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter eine Lösung des Problems?
- Hat die Pandemie das Thema Väter-Diskriminierung verstärkt oder abgeschwächt?
- Fazit: Was kann ein Vater tun, der sich benachteiligt fühlt?
Ja, Männer genießen in unserer Gesellschaft viele Vorteile. Darüber muss man gar nicht diskutieren. Werden sie aber Vater, erfahren sie auch einige Nachteile – bis hin zur Diskriminierung. In welchen Lebensbereichen das der Fall ist, weiß der Kölner Politikwissenschaftler Dr. Thomas Gesterkamp. Im Interview erklärt der Mitbegründer des Väter-Experten-Netzwerks Deutschland was sich ändern muss, um mehr Gleichberechtigung zu erreichen.
Woher kommt das Gefühl der Benachteiligung seitens der Väter?
"Besonders häufig benachteiligt fühlen sich Väter nach einer Scheidung – gerade bei den Themen Sorgerecht und Unterhalt. Dass sich Trennungsväter überhaupt zu Wort melden, ist ein recht junges Phänomen. Früher waren die Rollen klarer verteilt, die rechtlichen Rahmenbedingungen eindeutiger. Manche Väter waren geradezu erleichtert, Frau und Kinder hinter sich zu lassen. Über den Unterhalt wurde dann die zurückgelassene Familie abgesichert. Inzwischen beobachte ich, dass viele der verbitterten Trennungsväter vor der Scheidung sehr engagiert waren und nun durch die Familiengerichte abgeschoben werden – zum Beispiel dadurch, dass sie die Kinder nur alle zwei Wochenenden sehen dürfen. Aus meiner Sicht ist dieser Frust der Trennungsväter auch ein Zeichen für eine geänderte Haltung der neuen Väter."
Für Mütter gibt es den Mutterschutz, wäre die Einführung eines Väterschutzes sinnvoll?
"Absolut. Es gibt ja bereits erste Firmen, die jungen Vätern einige Tage zusätzlichen Urlaub nach der Geburt zugestehen. Das sollte nicht die Ausnahme bleiben. Gerade nach der Geburt eines Kindes müssen sich Routinen einspielen, der Alltag muss neu organisiert und Bindung aufgebaut werden. Dabei sind Mutter und Vater gleichermaßen wichtig. Außerdem brauchen Frau und Kind im Wochenbett viel Unterstützung: Essen kochen, staubsaugen, den Besuch dosieren, das sind in dieser Zeit die Aufgaben des Vaters. Also ist es völlig absurd, dass Männer direkt nach der Geburt wieder arbeiten gehen und nicht bei ihren Familien bleiben können. Ich halte den fehlenden Vaterschutz für eine Gesetzeslücke und unterstütze daher auch die Petition zur Vaterschaftsfreistellung, die 10 Tage frei direkt nach der Geburt fordert. Er muss ja nicht unbedingt so umfangreich sein wie bei den Müttern."
Wie kann man mehr Männer von der Elternzeit überzeugen?
"Ich glaube, die Mischung aus Anreiz und sanftem Zwang ist durchaus sinnvoll. Das sieht man ja auch bei uns in Deutschland. Auch wenn die Zahlen etwas stagnieren, nehmen inzwischen rund 40 Prozent der Väter Elternzeit, drei Viertel allerdings nur die zwei Monate, die sonst verfallen. Dieser Anteil wird hoffentlich weiter steigen, vielleicht auch durch zusätzliche obligatorische Vätermonate oder mehr Elterngeld."
Manche Männer gehen auch aus Angst vor beruflichen Nachteilen nicht in Elternzeit, zu Recht?
"Ehrlich gesagt nein. Ich halte viele Vorträge in Unternehmen und habe das Gefühl, dass sich die Elternzeit von Vätern dort ganz gut etabliert hat – vor allem weil die Mehrheit der Männer ja ohnehin nur ein oder zwei Monate Auszeit nimmt. Trotzdem glaube ich, dass es noch viel Luft nach oben gibt, allerdings eher bei der mittelfristigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Väter. Es gibt zum Beispiel immer noch zu wenig Führungspositionen in Teilzeit, zu wenig Offenheit für Väter, die langfristig weniger arbeiten wollen. Hier müssen Politik und Unternehmen viel stärker nachbessern. Gleiches gilt übrigens für eine bessere Bezahlung für Frauen. Denn das ist auch eine wichtige Voraussetzung für mehr geteilte Verantwortung in Beruf und Erziehung. Ganz abgesehen davon, dass auch die Männer stärker bereit sein müssen, mit traditionellen Wertevorstellungen und Rollenbildern zu brechen."
Viele Väter in Elternzeit klagen über die fehlenden Wickelmöglichkeiten auf Männerklos. Ist das noch so?
"Diese Klassiker tauchen in jedem Elternzeitbericht von Vätern auf. Zum Glück entwickelt sich auch da die Gesellschaft weiter. Bei der Bahn wurden die Mutter-Kind-Abteile längst in Familienabteile umbenannt, erste Geschäfte haben Wickelmöglichkeiten auf den Herrentoiletten. Und auch in Sachen Angebote für Väter hat sich viel getan, gerade in den Großstädten. In Hamburg oder Berlin gibt es Väter-Zentren, Krabbelgruppen oder Babymassage-Kurse für Papas. In ländlichen Regionen sieht es dagegen noch eher mau aus. Vielleicht auch weil die Nachfrage dort nicht so hoch ist wie beispielsweise im Prenzlauer Berg in Berlin, wo ohnehin viel mit Lebens- und Familienmodellen experimentiert wird. Nachholbedarf sehe ich eher bei den Terminen vieler Angebote. Das Babyschwimmen, Kinderturnen oder der Bastelnachmittag in der Kita beginnen oft so früh, dass viele Väter es schwer haben, daran teilzunehmen – jedenfalls wenn sie nicht in Teilzeit oder sehr flexibel arbeiten können."
Sind die Väter aber nicht auch in der Bringschuld?
"Natürlich ist die Verantwortung beidseitig. Es gehört eine gewisse Courage dazu, seinen Arbeitsplatz regelmäßig schon um 15 Uhr zu verlassen und eben mehr Zeit mit der Familie einzufordern. Übrigens sind die Sorgen um eine mögliche Abwehrhaltung der Kollegen und der Vorgesetzten häufig größer als die tatsächlichen Vorbehalte. Viele Führungskräfte sind sehr offen für Väter, die in Teilzeit oder zumindest flexibler arbeiten wollen – gerade in größeren Unternehmen."
Wie wichtig ist es, dass Frauen und Männer gemeinsam an der Überwindung von Benachteiligungen arbeiten?
"Immens wichtig. Elternsein ist Teamarbeit, und deshalb sollten Mütter und Väter auch gemeinsam für ihre Rechte kämpfen. Das gilt besonders für die Arbeitswelt. Es ist im Interesse aller, wenn Meetings zum Beispiel eher am Vormittag und nicht erst um 17 Uhr stattfinden. So können auch Väter ihre Kinder von der Kita abholen oder eben zum Turnen bringen. Auch die Möglichkeit, im Homeoffice oder in Gleitzeit zu arbeiten, sorgt für mehr Vereinbarkeit. Und wenn Väter sich genau wie Mütter einbringen, sind die Unternehmen gezwungen, familienfreundlicher zu werden. Im Moment können sich viele Betriebe noch darauf ausruhen, dass viele Männer einfach ihre Vaterrolle nicht einfordern und alle beruflichen Einschränkungen bei den Müttern liegen. Gleiches gilt natürlich auch für den privaten Bereich. Auch hier müssen beide zusammenarbeiten, die Väter müssen sich mehr engagieren und die Mütter mal Platz lassen."
Werden engagierte Väter bei der Trennung benachteiligt?
"Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. In den meisten Jugendämtern und Familiengerichten arbeiten mehr Frauen als Männer. Sie können sich oft in die Gefühlswelt der Mütter leichter einfühlen und entscheiden nicht immer ganz objektiv. Dazu kommt, dass die neuen Väter ein noch junges Phänomen sind, auf das sich die Rechtsprechung genau wie die Gesellschaft erst mal einstellen muss. Das zeigt sich zum Beispiel beim Unterhalt. Hier gilt oft immer noch das Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip. Entweder lebt das Kind vor allem bei einem Elternteil, meist ist das die Mutter, und die bekommt den vollen Unterhalt, oder es gibt das Wechselmodell. Für flexible Lösungen dazwischen ist (noch) kein Platz im rechtlichen Rahmen. Darunter leiden vor allem engagierte Väter. Andererseits darf man auch nicht vergessen, dass es immer noch genug Verpisser-Väter gibt, die keinen oder viel zu wenig Unterhalt bezahlen."
Wäre ein automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter eine Lösung des Problems?
"Es gibt heutzutage, wo viele Paare und auch Eltern unverheiratet zusammenleben, jedenfalls keinen Grund mehr für eine Schlechterstellung nichtehelicher Väter. Das automatische Sorgerecht stößt aber auf große Vorbehalte in frauenpolitischen Kreisen und bei den Interessenverbänden der alleinerziehenden Mütter. Auch in der jetzt beendeten Legislaturperiode des Bundestages hat sich da wieder nichts getan. Das Wechselmodell ist weiterhin nicht der Regelfall, und noch immer haben Frauen beim Sorgerecht das letzte Wort, eine Art Vetorecht."
Hat die Pandemie das Thema Väter-Diskriminierung verstärkt oder abgeschwächt?
"Die feministische Deutung lautet ja, Mütter seien die Hauptverliererinnen der Pandemie, weil sie durch die Kombination von Homeoffice und Homeschooling besonders belastet waren. Die bisher vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen mit Zahlen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 können das nur teilweise bestätigen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass beide Elternteile, Mütter wie Väter, in der Corona-Krise rund zwei Zusatzstunden Sorgearbeit pro Tag leisten mussten. Allerdings gab es eben schon vorher ein Ungleichgewicht zu Lasten der Frauen, und das ist geblieben. Übersehen wird aber oft, dass auch Männer während der Pandemiezeiten neue Erfahrungen gemacht machen. Durch die Heimarbeit vor allem in Dienstleistungsberufen in Kombination mit den Schulschließungen haben viele Väter viel mehr vom Alltag ihrer Kinder mitbekommen – und erlebt, wie anstrengend, aber manchmal auch beglückend Erziehungsarbeit sein kann."
Fazit: Was kann ein Vater tun, der sich benachteiligt fühlt?
"Väter in Trennungssituationen helfen vor allem Selbsthilfegruppen von Männern in der gleichen Lage", sagt unser Experte, Autor des Buches "Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere”. "Allerdings sollten Väter darauf achten, dass diese Gruppen nicht militant gegen Mütter ausgerichtet, sondern dialogisch orientiert sind." In der Regel ist es für beide Seiten viel angenehmer und auch im Sinne des Kindeswohls, wenn Eltern nicht gegeneinander vor Gericht ziehen, sondern in psychologischen Verfahren wie Coaching oder Mediation eine für alle tragbare Lösung finden.