- Warum sollten wir Männer mehr fördern? Viele würden behaupten, dass die ohnehin schon genug Vorteile genießen.
- Tatsache ist doch aber auch, dass Väter weniger häufig diskriminiert werden als Mütter. Spricht das nicht gegen eine Männerförderung?
- Was meint "positive Diskriminierung"? Gibt es dafür Beispiele?
- Gibt es konkrete Vorschläge für die Männerförderung?
- Warum würden Care-Berufe gewinnen, wenn mehr Männer darin arbeiten würden?
- Wie könnte man Care-Berufe attraktiver gestalten?
- Noch mehr Quoten? Jetzt aber für die Männer? Ist das sinnvoll?
- Viele Männer sind Väter. Gibt es auch speziellen Förderbedarf für Väter?
- Und was hat das alles jetzt mit Frauenförderung zu tun?
- Wie könnten konkrete Maßnahmen zur Väterförderung gesellschaftlich, betrieblich und staatlich aussehen?
- Fazit: Männerförderung? Frauenförderung? Oder einfach Gleichberechtigung?
"Männerförderung ist Frauenförderung", sagt Vereinbarkeits-Expertin Nicole Beste-Fopma, Gründerin und Herausgeberin des Online-Portals www.lob-magazin.de. Das mag sich im ersten Moment vielleicht etwas widersprüchlich anhören, ergibt aber durchaus Sinn. Im Interview mit Men's Health Dad erklärt die Autorin des Buches "Beruf und Familie - Passt!: So finden Eltern den richtigen Arbeitgeber", was sie damit genau meint.
Warum sollten wir Männer mehr fördern? Viele würden behaupten, dass die ohnehin schon genug Vorteile genießen.
"Meiner Meinung nach sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass Männer im Patriarchat nur Vorteile haben. Ja, sie haben in der Wirtschaftswelt noch immer die meisten Vorteile auf ihrer Seite. Noch sind mehr Männer in Führungspositionen. Noch verdienen Männer im Durchschnitt mehr als Frauen. Noch richtet sich fast alles am männlichen Ideal aus. Aber das hat auch Nachteile. Das Buch von Boris von Heesen "Was Männer kosten" zeigt sehr deutlich, wie sehr das Patriarchat Männern – aber auch unserer Gesellschaft – schadet. Männer werden schon bei ihrer Geburt, wie übrigens Frauen auch, in eine Rolle gedrängt. Sie müssen entschieden, tapfer, rational und durchsetzungsstark sein und möglichst alle weiblichen Eigenschaften unterdrücken. Alle Menschen, Männer wie Frauen, werden so in die für sie passende Schublade gesteckt und können ihr Potenzial nicht mehr ausleben. Viele Frauen und insbesondere Mütter im Job und Männer insbesondere, wenn es um familiäre Angelegenheiten geht. Hier werden sie noch gerne außen vor gehalten. Ihr Arbeitgeber hält sie davon ab, aber oftmals auch die eigene Partnerin. Ich möchte niemandem unterstellen, dass er oder sie das mit Absicht macht. Denn wir alle haben unsere unbewussten Vorurteile, aber wir sollten uns dieser bewusst sein. Denn Fakt ist: Weder die Frauen noch die Männer können sich qua Geschlecht besser um den Nachwuchs kümmern. Für uns alle ist es ein: Learning on the job."
Tatsache ist doch aber auch, dass Väter weniger häufig diskriminiert werden als Mütter. Spricht das nicht gegen eine Männerförderung?
"Da der Prozentsatz der Männer, die ihre Rechte in Bezug auf Familienbewusstsein aktiv von ihren Arbeitgebenden einfordern, noch sehr gering ist, ist selbstverständlich auch die reine Zahl der Männer, die diskriminiert werden, gering. Noch immer arbeiten lediglich 7,6 Prozent der Männer in Teilzeit. Dem gegenüber stehen 67 Prozent bei den Frauen. Noch immer nehmen die meisten Väter lediglich zwei Monate Elternzeit in Anspruch. Noch immer erledigen Mütter mehr Care-Arbeit als Väter. Aber vielleicht sollte man die Diskriminierung, die Frauen erfahren, nicht mit der Diskriminierung der Männer gleichsetzen. Männer, die zu Vätern werden, erfahren nämlich eine positive Diskriminierung und die ist, auch wenn sie als positiv bezeichnet wird, nicht wirklich positiv."
Was meint "positive Diskriminierung"? Gibt es dafür Beispiele?
"Untersuchungen zeigen, dass allein schon die Tatsache, dass ein Mann verheiratet ist, dazu führt, dass er mehr verdient. Wird er dann Vater, bekommt er gerne mal eine Gehaltserhöhung. Denn: Sie müssen ja jetzt eine Familie ernähren. Mal ganz davon abgesehen, dass Männer in aller Regel besser bezahlt werden als Frauen. Das führt dazu, dass es selbstverständlich die Partnerin ist, die ihre Arbeitszeit reduziert, wenn ein Kind geboren wird. Während Frauen es nach der Geburt eines Kindes im Job schwerer haben, werden junge Väter eher befördert, fand die Bundeszentrale für politische Bildung heraus. Auch hier steckt die Annahme dahinter, dass ein Vater das Familieneinkommen verdienen muss und die Mutter eigentlich zum Kind gehört. Untersuchungen zeigen sogar, dass Männer in höheren Führungspositionen öfter bis zu vier Kinder haben, während Frauen in vergleichbaren Positionen eher keine Kinder haben. Noch so ein Punkt, der das Patriarchat am Leben hält und weiter befeuert."

Gibt es konkrete Vorschläge für die Männerförderung?
"Wo soll ich anfragen? Wir brauchen mehr Männer in Care-Berufen. Angefangen in den Kindergärten und Schulen bis hin in die Kranken- und Altenpflege. In all diesen Berufen sind die Mehrheit der Angestellten weiblich. Zum Teil liegt der Prozentsatz bei bis zu 88 Prozent in der Kinderbetreuung. Wir brauchen ganz klar eine Männerquote für Kindergärten. Komplett abwegig? Nein! In Norwegen beispielsweise gibt es eine solche Handlungsanweisung für eine Quote von 20 Prozent. Denn: Je mehr Männer in diesen Bereichen arbeiten, desto selbstverständlicher wird es, dass Männer diese Art von Arbeit übernehmen – beruflich wie privat. Stereotypen würden automatisch aufgebrochen. Wenn mehr Männer mehr Care-Arbeit übernehmen, haben Frauen mehr Zeit – auch für die Karriere. Mehr Männer in Care-Berufen hieße aber auch, dass diese Berufe besser bezahlt würden."
Warum würden Care-Berufe gewinnen, wenn mehr Männer darin arbeiten würden?
"Untersuchungen zeigen, dass das Lohnniveau von Berufen, die bisher hauptsächlich von Männern ausgeführt wurden und in die jetzt immer mehr Frauen drängen, immer weiter sinkt. Im Umkehrschluss heißt das, dass eher weibliche Berufe, in die mehr Männer kommen, besser bezahlt werden. Es ist leider noch immer so, dass Tätigkeiten, werden sie von einem Mann durchgeführt, als schwieriger angesehen und daher besser bezahlt werden."
Wie könnte man Care-Berufe attraktiver gestalten?
"Besser bezahlen. Die Ausbildung sollte nicht selbst bezahlt werden müssen. Die Arbeitszeiten müssen familienverträglicher werden. Der Beruf allgemein muss ein besseres Image erhalten. Gerade kürzlich hat eine Untersuchung gezeigt, dass Männer und Frauen die gleichen Karrierechancen haben. Allerdings nur dann, wenn die Frauen Vollzeit arbeiten. Wir könnten also auch über eine Teilzeitquote bei Männern nachdenken. Mein Vorschlag: 30 Prozent aller Männer auf allen Ebenen in einem Unternehmen müssen in Teilzeit arbeiten. Viele Männer würden gerne in Teilzeit arbeiten, trauen sich aber nicht. Beziehungsweise können es sich finanziell nicht leisten, weil noch immer sie es sind, die für das Familieneinkommen sorgen müssen."
Noch mehr Quoten? Jetzt aber für die Männer? Ist das sinnvoll?
"Ja und Nein. Ja, wir brauchen offensichtlich noch mehr Quoten, weil sich sonst nichts ändert. Das haben die Frauenquote für Posten in Aussichtsräten und für Frauen in Führungspositionen gezeigt. Gäbe es die gesetzlichen Vorgaben nicht, wären wir heute noch immer nicht da, wo wir sind. Wir werden also auch eine Quote für Männer in Teilzeit brauchen."
Viele Männer sind Väter. Gibt es auch speziellen Förderbedarf für Väter?
"Definitiv! In unserer Gesellschaft behandeln wir Väter noch wie Eltern zweiter Klasse. Väter müssen beispielsweise spätestens 7 Wochen bevor sie in Elternzeit gehen wollen, diese beim Arbeitgebenden anmelden. Ihr Kündigungsschutz greift aber erst ab 8 Wochen vor Antritt der Elternzeit. Das motiviert nicht dazu, die Elternzeit langfristig anzumelden. Ganz besonders, wenn man eine Kündigung befürchten muss. Väter haben zudem hierzulande kein Recht auf eine Vaterschaftsfreistellung. Ganz anders als in anderen Ländern. Arbeiten Väter Teilzeit, um sich besser um ihre Familie kümmern zu können, werden sie dafür abgestraft. Das Gleiche gilt vielerorts auch für Väter, die mehr als die zwei gesetzlichen Partnermonate nehmen."
Und was hat das alles jetzt mit Frauenförderung zu tun?
"Aktuell arbeiten 67 Prozent der Frauen in Teilzeit und nur 7,6 Prozent der Männer. Je normaler es wird, dass man in Teilzeit arbeitet, desto besser werden die Karrierechancen auch für Arbeitnehmende in Teilzeit. Je mehr Väter in Teilzeit arbeiten, desto mehr Zeit haben die Mütter für ihren Beruf und somit auch für ihre Karriere."
Wie könnten konkrete Maßnahmen zur Väterförderung gesellschaftlich, betrieblich und staatlich aussehen?
"Gesellschaftlich muss ein Umdenken stattfinden. Wir sollten alle sofort damit aufhören, Väter dafür zu bewundern und zu loben, dass sie ihren Job als Vater machen. Wir sollten uns alle dafür einsetzen, dass Väter in der Familie die gleiche Stellung bekommen wie Mütter. Mütter müssen aufhören, sich für alles verantwortlich zu fühlen.
Aber natürlich muss auch aus betrieblicher Sicht ein Umdenken stattfinden. Weg von dem männlichen, immer verfügbaren, Stereotyp hin zu einem Menschen mit Familienaufgaben: Unternehmen sollten Väter dazu anhalten, länger in Elternzeit zu gehen und gleichzeitig sollte Elternzeit als eine Fortbildung angesehen werden. Väter wie Mütter lernen in dieser Zeit unheimlich viel. Familienbewusste Maßnahmen sollten sich explizit an Väter richten.
Staatlich müssen Männer zu gleichberechtigten Elternteilen gemacht werden, etwa durch eine paritätische Aufteilung des Elterngeldbezuges. Durch die Vaterschaftsfreistellung. Durch einen erweiterten Kündigungsschutz für werdende Väter und nach der Elternzeit. Bei Trennungen müssen Väter mehr Rechte erhalten. Auch wenn das jetzt ein heißes Thema ist, aber das Wechselmodell sollte aus meiner Sicht zum Standard werden. Wie die Paare es dann im Endeffekt machen, kann ja noch verhandelt werden."
Fazit: Männerförderung? Frauenförderung? Oder einfach Gleichberechtigung?
Sollte man statt von Männer- und Frauenförderung nicht einfach von Geschlechtergerechtigkeit sprechen? "Guter und sehr berechtigter Punkt", sagt Expertin Nicole Beste-Fopma. "Aber soweit sind wir noch nicht." Insbesondere dann, wenn es um das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Die Expertin: "Noch immer haben die meisten von uns bei diesem Thema Mutter und Kind im Blick. Nur die wenigsten denken bereits in Mutter, Vater, Kind. Damit hier ein Umdenken stattfindet, werden wir noch eine ganze Weile Männer- und Frauenförderung getrennt voneinander betrachten müssen." Abgesehen von dem Thema Vereinbarkeit stehen Männer wie Frauen auch noch immer vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen. "Die über einen Kamm zu scheren, würde uns im Augenblick nicht weiter bringen. Ich hoffe aber sehr, dass wir irgendwann einmal nicht mehr die Förderung nach Geschlechtern unterscheiden", sagt Beste-Fopma, die Anfang März in Berlin auch ein Barcamp zum Thema Vereinbarkeit plant – mehr Infos dazu gibt es übrigens hier.