Papa-Automatismus
Deshalb gibt es keinen Vaterinstinkt

Wir erklären, warum man im Duden den Begriff "Vaterinstinkt" vergeblich sucht. Plus: Weshalb auch der "Mutterinstinkt" eigentlich nicht existiert
Vaterinstinkt? Gibt es nicht! Den Mutterinstinkt aber auch nicht!
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In diesem Artikel:
  • Gibt es den Mutterinstinkt wirklich?
  • Sind Mütter trotzdem die besseren Eltern?
  • Was sagen die Mütter dazu, dass es keinen Mutterinstinkt gibt?
  • Warum will das Kind dann so oft lieber zur Mama?
  • Gibt es denn einen Vaterinstinkt?
  • Fazit: So wirst du ein guter Vater (auch ohne Vaterinstinkt)

Viele Männer wollen als Vater genauso wichtig sein für ihr Kind wie die Mutter. Aber irgendjemand sagt ständig: "Eine Mutter weiß besser, was das Kind braucht. Sie hat es schließlich zur Welt gebracht." Meistens wird in diesem Zusammenhang dann der Mutterinstinkt ins Feld geführt. Zwei Autorinnen sagen jetzt in einem neuen Buch: Die Erzählung vom Mutterinstinkt ist Quatsch. In dem Titel "Mythos Mutterinstinkt" schreiben sie, wie sie zu diesem Schluss gekommen sind. Die wichtigsten Fragen zum Thema (und was das für den Vaterintinkt bedeutet) gibt es aber schon hier.

Gibt es den Mutterinstinkt wirklich?

Es gibt biologisch keine Erkenntnis darüber, dass Frauen von Natur aus so etwas wie einen Mutterinstinkt haben. In ihrem Buch rechnen die beiden Autorinnen Annika Rösler und Evelyn Höllrigl Tschaikner mit der Erzählung der Mutter ab, die sich von Natur aus liebevoll um ihr Kind kümmert und sofort weiß, was das Baby braucht. Die Autorinnen zeigen anhand verschiedener Studien, dass es diesen Mutterinstinkt überhaupt nicht gibt. "Wie moderne Hirnforschung uns von alten Rollenbildern befreit und Elternschaft neu denken lässt", lautet deshalb auch der Untertitel des Buches.

Sind Mütter trotzdem die besseren Eltern?

Die einfache Antwort ist: nein. In "Mythos Mutterinstinkt" stellen die Autorinnen mehrere Studien aus der Hirnforschung vor, die zeigen: Die Gehirne von Müttern und Vätern verändern sich als Eltern. Auch bei Müttern verändert sich das Gehirn nicht mit der Geburt, sondern über Monate und Jahre, in denen sie sich um ihre Kinder kümmern. Eine spanisch-US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2022 hat zum Beispiel die Gehirnveränderungen bei Vätern, die ihre Kinder versorgen, per Scan untersucht. Damit die Väter stärker auf die Bedürfnisse der Kinder reagieren können und um sich den Kindern näher zu fühlen, verringert sich die graue Gehirnmasse. Das Gehirn passt sich tatsächlich an die neuen Herausforderungen als Eltern an.

Was sagen die Mütter dazu, dass es keinen Mutterinstinkt gibt?

Für viele Frauen ist es eine riesige Befreiung, wenn sie nicht ständig auf einen biologischen Mutterinstinkt verwiesen werden und klar ist, dass sie es nicht von Natur aus besser wissen können und müssen. Aber: Autorin Höllrigl Tschaikner, die mit ihrem Partner und drei Kindern in Wien lebt, hat auch erlebt, dass das von ihnen ausgerufene Ende des Mutterinstinkts Frauen auf den Plan ruft, die an dieser alten Erzählung hängen. Auf Instagram beispielsweise hat sie einige kritische Nachrichten erhalten, als ihr Buch erschienen ist. Die beiden Autorinnen beabsichtigen niemandem etwas abzusprechen. "Wenn wir sagen, dass es den Mutterinstinkt nicht gibt, heißt das nicht: Du kannst das nicht. Es heißt nur: Andere können das auch", erklärt Höllrigl Tschaikner.

Warum will das Kind dann so oft lieber zur Mama?

Viele Väter kennen das: "Mama, Mama", schreit das Kleinkind. Mama soll die Zähne putzen, Mama soll anziehen, ins Bett bringen, am liebsten alles. Schon als Baby hat es bei Papa geschrien und bei Mama nicht. Warum? Forschende der Universität Toronto haben sich genau mit diesem Phänomen beschäftigt und herausgefunden, dass Babys lernen, wer zuerst da ist und sich kümmert. Autorin Annika Rösler, ebenfalls Mutter dreier Kinder, erklärt: "Die biologische Mutter reagiert aufgrund ihrer Sensibilisierung oft schneller. Deswegen lernt das Kind: Wenn ich mich melde, kommt meine Mama sofort und deshalb möchte ich die Mama." Wenn der Vater sich jedoch bewusst dazu entscheidet, umgehend zu reagieren, wenn er das Kind herumträgt, ihm Wärme gibt, dann werde das Kind lernen, dass auch der Vater da ist.

Gibt es denn einen Vaterinstinkt?

Wenn es keinen Mutterinstinkt gibt, gibt es auch keinen Vaterinstinkt, ist das Fazit der Autorinnen. Was es aber gibt, ist ein Bauchgefühl als Eltern und das sei auch gut so. Autorin Rösler sagt: "Ein Bauchgefühl, eine Intuition ist die Summe von Erfahrungen." Väter könnten das Bauchgefühl genauso aufbauen wie Mütter. Sie bräuchten dafür nur auch Zeit und viele Erfahrungen mit dem Kind. Forschende haben sich angeschaut, welche Rolle Väter bei der Entwicklung ihrer Kinder spielen. Ein Ergebnis: Wenn Väter sehr präsent in der Erziehung ihrer Söhne sind, neigen diese weniger zu Aggressionen im Umgang mit Gleichaltrigen. Und Mädchen haben in der Pubertät ein höheres Selbstwertgefühl, wenn sie mit Mutter und Vater als Bezugspersonen aufgewachsen sind. Das sind doch gute Nachrichten für Väter und Mütter.

Fazit: So wirst du ein guter Vater (auch ohne Vaterinstinkt)

"Learning by doing" funktioniert hier am besten. Oder auch: "Training on the job". Mütter machen das nicht anders, sie machen es nur im Alltag in vielen Familien einfach mehr. Die Autorinnen von "Mythos Mutterinstinkt" glauben zudem, dass ihr Buch Auswirkungen auf viele Familien haben könnte. Autorin Evelyn Höllrigl Tschaikner sagt: "Männer profitieren davon, viele wollen sich ja auch mehr integrieren." Ihr Resümee: Es sei ein Nutzen für die ganze Gesellschaft, sich von der Erzählung des Mutterinstinkts zu lösen.