Väter während der Geburt
Was eine männliche Hebamme werdenden Papas rät

Die meisten Hebammen sind Frauen. Aber es gibt auch ein paar Männer, die diesen Beruf ausüben. Ihr großer Pluspunkt: Sie können sich besonders gut in den werdenden Vater hineinversetzen. Im Interview verrät ein Geburtshelfer, welche weiteren Vor- und Nachteile seine Berufswahl mit sich bringt
Männer sind im Kreißsaal mehr als nur Statisten
© Shutterstock.com / Kati Finell
In diesem Artikel:
  • Warum hast du dich zur Hebamme ausbilden lassen?
  • Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit?
  • Welches sind deine drei besten Tipps für werdende Väter?
  • Hast du auch schon schwierige Situationen erlebt?
  • Welche Reaktion erhältst du, wenn du dich im Kreißsaal werdenden Eltern als ihre Hebamme vorstellst?
  • Gibt oder gab es vonseiten deiner Kolleginnen Vorbehalte?
  • Wie erlebst du die meisten Väter im Kreißsaal: sind sie eher passiv oder trauen sie sich, ihre Partnerinnen aktiv zu unterstützen?
  • Was tust du als Hebamme, um Väter bei der Geburt mit einzubeziehen?
  • Gibt es eine Situation, bei der du das Verhältnis von werdender Mutter und werdendem Vater unter der Geburt als besonders schön in Erinnerung hast?
  • Was war die verrückteste Frage, die dir ein Vater im Verlauf einer Geburt gestellt hat?
  • Fazit: Väter sind mehr als nur Statisten im Kreißsaal

Rund 24.000 Hebammen gibt es deutschlandweit, nur ungefähr 60 davon sind Männer. Einer von ihnen ist der Bochumer Kilian Lanig, der kurz vor Ende seiner Ausbildung steht und als Hebamme bereits über 50 Geburten betreut hat. Warum er diesen Beruf ergriffen hat, wie wichtig er die Rolle des werdenden Vaters im Kreißsaal erachtet und was Männer während der Geburt am besten tun können, hat er im Interview mit Men's Health Dad verraten.

Warum hast du dich zur Hebamme ausbilden lassen?

"Im Rahmen meiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger habe ich auch auf der Kinder- und Wochenbettstation gearbeitet. Das hat mir richtig Spaß gemacht. Aber leider durfte ich die Familien immer nur zwei, drei Tage nach der Entbindung betreuen und eben nicht während der Vor- und Nachsorge oder unter der Geburt. Ich habe dann im Bereich der Stillberatung und des Baby-Handlings diverse Fortbildungen absolviert und schließlich 2021 die Ausbildung zur Hebamme begonnen. Inzwischen habe ich als Hebamme schon über fünfzig Geburten betreut. Das Wichtigste an meinem Beruf sind für mich persönlich auf jeden Fall Empathie und Fachkompetenz. Ich möchte als Hebamme individuell auf die Frau, die ich betreue, eingehen. In der Ausbildung wurde ich diesbezüglich auch gut vorbereitet. Der Alltag im Kreißsaal ist dann allerdings oft durch Zeit- und Personalmangel geprägt. Das lässt sich durch gute Teamarbeit kompensieren, aber natürlich nicht ganz ausgleichen. Wenn drei Frauen unter der Entbindung im Kreißsaal sind und nur zwei Hebammen – dann sind da eben nur zwei Hebammen. Dadurch kann ich der einzelnen Frau gegebenenfalls auch nicht die Betreuung zukommen lassen, die ich ihr gerne zukommen lassen würde. Diese Situation ist leider Teil meines beruflichen Alltags."

Hebamme Kilian Lanig
PR
Hebamme Kilian Lanig arbeitet im Bochumer St. Elisabeth-Hospital

Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit?

"Für mich sind Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett einfach eine wahnsinnig schöne und auch sehr prägende Lebensphase. Und als Hebamme spiele ich für die Familien eine wichtige Rolle. Wenn die Geburt gut verläuft und ich als Hebamme einen tollen Job gemacht habe, ist die Geburt für die Mutter und auch den Vater trotz Stress und Wehen meist ein schönes und wirklich prägendes Ereignis. Natürlich auch für das Kind, dem ich geholfen habe, auf die Welt zu kommen. Das finde ich wunderschön an meinem Beruf. Ich selbst habe übrigens noch keine Kinder, hätte aber auf jeden Fall gerne welche, am liebsten vier!"

Welches sind deine drei besten Tipps für werdende Väter?

"Erstens, trau dich, unter der Geburt deiner Frau nah zu sein. Unter der Geburt braucht deine Frau deine Unterstützung. Achte darauf, was ihr guttut. Sei es, dass du mit der flachen Hand einen sanften Gegendruck gegen ihren unteren Rücken erzeugst oder sie einfach deine Hand hält. Frage, was sie braucht – du bist wichtig für sie und kannst sie immer unterstützen!


Zweitens, lass deine Frau die Wehen veratmen. Deine Frau verrichtet unter der Geburt körperliche Höchstleistung. Setzt mitten im Satz eine Wehe ein, gib ihr Zeit diese zu veratmen und achte auf ihre Körpersprache. Unterbrich die Unterhaltung und schaue, was ihr in der Wehe hilft. Nach der Wehe könnt ihr die Unterhaltung fortsetzen.


Drittens: Es ist eure Geburt! Auch wenn der Kreißsaal eine ungewohnte Umgebung ist: Es ist die Geburt eures Kindes! Gestalte es so, wie es für deine Frau am besten ist. Hilft deiner Frau Musik, um entspannen zu können? Dann mach sie an! Ist eine Geburtswanne vorhanden und deiner Frau könnte es guttun? Dann frag danach! Die Hebamme möchte ebenfalls, dass die Geburt für euch ein schönes Erlebnis wird. Daher wird sie nach Möglichkeit eure Wünsche umsetzen."

Hast du auch schon schwierige Situationen erlebt?

"Die psychosoziale Betreuung ist definitiv ein sehr wichtiger Teil der Hebammenarbeit. Schwierig ist es natürlich, wenn eine Schwangerschaft nicht ganz ausgetragen werden kann, also klar ist, dass das Kind bereits im Mutterleib verstorben ist oder bei der Geburt nicht lebensfähig sein wird. Die Frauen gebären, wenn die Schwangerschaft schon weiter fortgeschritten ist, ihr Kind ja auch im Kreißsaal. Das ist auf jeden Fall ein prägendes Ereignis und wir Hebammen können dabei für die Mutter und den Vater eine wichtige Stütze sein. Auch wenn Kinder mit schweren Erkrankungen oder Gendefekten auf die Welt kommen, die vorher entweder nicht bekannt waren oder erst nach der Geburt wirklich von den Eltern realisiert werden, bin ich als Hebamme wichtig. Und sei es, dass ich die Eltern bestärken kann, ihr Kind so anzunehmen, wie es ist. Ich habe zum Beispiel die Geburt eines Kindes mit Trisomie 21 erlebt. Die Eltern hatten anfänglich richtige Berührungsängste und waren zurückhaltend und unsicher im Umgang mit ihrem Kind. Dadurch, dass ich als Hebamme mit einer positiven Haltung auf die Familie und das Kind zugegangen bin, konnte ich die erste Bindung zwischen Eltern und Kind und damit letztlich dessen Zukunft mit prägen. In der konkreten Situation sind die Eltern bei der Entlassung aus der Wochenbettstation in Tränen ausgebrochen und meinten, sie könnten uns gar nicht genug dafür danken, dass wir ihnen so positiv begegnet seien. Das habe ihnen die schlimmsten Ängste bezüglich ihres Kindes genommen."

Welche Reaktion erhältst du, wenn du dich im Kreißsaal werdenden Eltern als ihre Hebamme vorstellst?

"Die Reaktion auf mich als Mann und Hebamme sind bunt gemischt. Während viele gar nicht anders auf mich reagieren als auf meine weiblichen Kolleginnen, begegnet mir manche Eltern auch mit Skepsis oder Frauen möchten tatsächlich nicht, dass ich sie bei der Geburt begleite. Auch da versuchen wir innerhalb des Teams natürlich, den Wunsch der Frau zu erfüllen und eben gegebenenfalls die Betreuung zu tauschen. Gerade Männer sind oft auch sehr dankbar, dass ich als Mann in dieser Ausnahmesituation mit im Raum bin. Besonders Vätern, die ihre erste Geburt erleben, gibt meine Anwesenheit als Mann, der weiß, was bei der Geburt passiert, Sicherheit. Ich erlebe auch, dass Männer, wenn ich ihnen als Mann sage, was sie gerade tun können, darauf teilweise direkter reagieren als bei meinen Kolleginnen."

Kilian Lanig bei der Arbeit
PR
Kilian Lanig bei der Arbeit

Gibt oder gab es vonseiten deiner Kolleginnen Vorbehalte?

"Der Berufsstand der Hebamme muss sich, denke ich, schon erst daran gewöhnen, dass Männer auch als Hebamme tätig werden. Als männliche Hebamme muss man sich teilweise etwas mehr beweisen und sich gewissermaßen den Respekt der Kolleginnen verdienen. Aber wenn man zeigen konnte, dass man den gebärenden Frauen gegenüber empathisch ist und fachlich kompetent seinen Beruf ausübt, verschwinden Vorbehalte meist schnell."

Wie erlebst du die meisten Väter im Kreißsaal: sind sie eher passiv oder trauen sie sich, ihre Partnerinnen aktiv zu unterstützen?

"Ich erlebe tatsächlich beides. Manche Väter stehen am Kreißsaalbett und müssen zusehen, dass sie selbst nicht umkippen – gerade, wenn es die erste Geburt und sie noch nicht so viel Blut gesehen haben. Aber es gibt auch sehr viele Väter, die eine tragende Rolle bei der Geburt einnehmen, also die Frau aktiv unterstützen. Gerade bei der ersten Entbindung sind Väter zuweilen etwas überfordert, weil sie ihre Frau einfach noch nicht in einer Situation wie der Geburt erlebt haben. Manchmal wissen Väter gar nicht genau, was sie tun sollen. Die Frau hat Schmerzen und sie können nichts dagegen machen und wissen auch gar nicht wirklich, was gerade passiert. Das überfordert manche tatsächlich. Andere wiederum, gerade, wenn sie schon mehrere Kinder haben, wissen zum Teil schon genau, wie sie unter der Geburt ihrer Frau helfen können. Da muss ich dann als Hebamme auch kaum eingreifen, weil sich die Frau und der Mann gegenseitig wunderbar unterstützen."

Was tust du als Hebamme, um Väter bei der Geburt mit einzubeziehen?

"Vätern, die sehr unsicher sind und gar nicht wissen, was sie machen sollen, gebe ich meist kurze, klare Anweisungen, was der Frau gerade helfen könnte. Oft ist es ja schon hilfreich, wenn sie ihre Hand auf die Schulter ihrer Partnerin legen oder im unteren Rücken, am Steiß, mit der Hand unter der Wehe einen Gegendruck erzeugen. Den Vätern tut es größtenteils gut, wenn sie unter der Geburt aktiv werden können. Väter, die erst einmal nur abwartend in der Ecke stehen, ermutige ich auch, ruhig näher zu ihrer Partnerin zu kommen und sich im Kreißsaal frei zu bewegen. Als Hebamme ist mir wichtig, auch für die werdenden Väter die Geburt zu einem schönen Erlebnis zu machen. In meinen Augen sind Väter und Mütter für eine positiv verlaufende Geburt gleich wichtig. Die Frau übernimmt natürlich die Hauptarbeit der Geburt, aber auch der Vater ist für die Geburt bedeutend. Leider wird Männern immer noch oft gesagt: Ihr habt damit ja nichts zu tun, ihr habt keine Schmerzen, keine Stillprobleme und auch keine körperliche Rückbildung im Wochenbett. Das finde ich persönlich sehr schade, denn natürlich hat die Frau dadurch auch einen gewissen Erfahrungsvorsprung. Nur sie weiß, wie es ist, wenn ein Kind in ihr heranwächst. Und auch die Geburt, so schmerzhaft sie auch ist, ist ein Erlebnis, dass letztlich dabei hilft, die Bindung aufzubauen. Daher ist gerade für den Vater das Bonding, also der Hautkontakt direkt nach der Geburt, sehr wichtig. Ich lade Väter immer dazu ein, sodass sie ihr neugeborenes Kind kennenlernen und von Anfang an in ihre Rolle als Vater hineinwachsen. Auch nach der Geburt finde ich es wichtig, dass die Väter in alles eingebunden sind, ihr Baby wickeln oder auch ihre Partnerin beim Stillen unterstützen. Leider haben manche Krankenhäuser in der Hochphase von Corona Vätern strikt untersagt, bei der Geburt oder auch bei den Vorsorgeuntersuchungen dabei zu sein. Das finde ich ethisch schon fragwürdig."

Gibt es eine Situation, bei der du das Verhältnis von werdender Mutter und werdendem Vater unter der Geburt als besonders schön in Erinnerung hast?

"Ja, ich erinnere mich an eine Drittgebärende, die schon mit ziemlich fortgeschrittenem Geburtsverlauf ins Krankenhaus kam. Der Mann kam noch rechtzeitig zur Geburt dazu. Die beiden waren so ein eingespieltes Team, dass ich als Hebamme eigentlich gar keine Anleitung machen musste. Wir haben natürlich auf das Kind geachtet und bei den Presswehen unterstützt, aber das meiste haben die beiden alleine gemacht. Sie haben sich gegenseitig eine solche Sicherheit gegeben, es war wirklich schön, das mitzuerleben!"

Was war die verrückteste Frage, die dir ein Vater im Verlauf einer Geburt gestellt hat?

"Das Verrückteste, an was ich mich erinnern kann, ist die Frage eines Mannes, dessen Frau kurz vor der Geburt stand und der fragte: Soll ich jetzt dableiben oder draußen warten? Da habe ich schon gedacht: Natürlich sollst du dableiben! Es gibt tatsächlich Väter, wenn auch wenige, die gar nicht bei der Geburt dabei sein wollen und manchmal möchte auch die Frau nicht, dass der Vater mit dabei ist. In dem Fall wollte der werdende Vater allerdings schon dabei sein, wusste aber überhaupt nicht, was gerade passierte und was er weiter tun sollte."

Fazit: Väter sind mehr als nur Statisten im Kreißsaal

Hebamme Kilian Lanig über den verunsicherten Vater, den er oben beschreibt: "Der dachte vermutlich nur: Okay, jetzt habe ich die Frau ins Krankenhaus gebracht, sie wird gut versorgt – und was mache ich jetzt?" Wir hoffen doch sehr, dass du nach der Lektüre dieses Interviews diese Frage im Kreißsaal nicht mehr stellst.