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Financial Load: Mit finanziellen Sorgen umgehen

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Wie gehe ich als Alleinverdiener mit diesem Druck um? © Shutterstock.com / wavebreakmedia

Financial Load in der Familie Wie gehe ich als Alleinverdiener mit diesem Druck um?

Als Einziger für das Familieneinkommen zuständig zu sein, kann schnell zur Last werden. Der passende Begriff dafür ist Financial Load. Das solltest du darüber wissen

Financial ... was? Der Begriff Financial Load ist noch neu und relativ unbekannt, das Gefühl dahinter ist aber ein Altbekanntes. Letztendlich geht es um den Druck, den man verspürt, wenn man alleine für das finanzielle Auskommen seiner Familie verantwortlich ist. Das kann man natürlich noch ein wenig ausführen und das tun wir auch jetzt.

Was ist eigentlich Financial Load?

Tatsächlich gibt es keine einheitliche Definition oder irgendwelche Fachliteratur dazu. Meistens wird darunter aber der Pedant zum Mental Load vieler Frauen verstanden – der Druck, der aus der Rolle als Ernährer der Familie entsteht. Die Rolle übernimmt bei einem klassischen Familienmodell ja vor allem der Mann. Er sorgt für das finanzielle Auskommen und seine Partnerin widmet sich der Kindererziehung und dem Haushalt. Auf beiden lastet dabei Druck – die Frau muss an alles denken, reibt sich als Familienmanagerinnen auf, der Vater darf schlicht nicht ausfallen, sonst wäre die finanzielle Lebensgrundlage der Familie stark gefährdet. Dadurch bleibt ihm aber weniger Zeit mit der Familie. Und genau das wollen viele Väter nicht mehr – sie sehen sich immer weniger als Ernährer, die 60 Stunden pro Woche arbeiten, um der Familie alles zu ermöglichen und gleichzeitig an ihrem Alltag nur als Zaungast teilzuhaben. Natürlich gibt es auch eine weibliche Seite des Financial Loads. Die klassische Rollenverteilung sorgt nämlich für eine hohe Abhängigkeit vom Partner und ist gerade bei einer Trennung ein nicht zu unterschätzendes Armutsrisiko. Um Wege aus dem Financial Load zu finden, müssen wir das Grundproblem verstehen. Das liegt im klassischen Rollenbild der 1950er und 1960er, vom dem sich bis heute immer noch zu wenig Väter und Mütter freimachen konnten.

Seit wann gibt es das klassische Ernährermodell überhaupt?

Das klassische Ernährermodell ist vor allem ein Produkt des Wirtschaftswunders. Kurz nach dem zweiten Weltkrieg arbeiteten viele Frauen, um ihre Familien zu ernähren, gerade, wenn die Männer gefallen oder noch in Kriegsgefangenschaft waren. In Ostdeutschland bleibt diese Aufteilung bestehen, der Sozialismus braucht jede helfende Hand. In Westdeutschland kommt es in den 1950er und 1960er Jahre dagegen zu einer klaren Rollenverteilung. Nun kümmerten sich die Frauen mit Hingabe um Kinder und Haushalt, der Mann ging ins Büro oder die Fabrik. Lange Arbeitszeiten gelten als Indiz für Fleiß, genau wie das Eigenheim und das eigene Auto. Die Nachwirkungen spüren wir bis heute.

Wie ist der Status Quo heute?

2018 bescheinigt die OECD-Studie "Dare to Share" Deutschland ein traditionelles Familienbild. Väter sind noch immer Hauptverdiener, zu 93,7 Prozent vollbeschäftigt. Die Erwerbstätigkeit der Frauen nahm zwar in den letzten zehn Jahren deutlich zu. Die meisten Mütter arbeiten jedoch in Teilzeit und tragen im Schnitt nur ein knappes Viertel des Familieneinkommens bei. Inzwischen ist der Mann als Alleinverdiener damit ein Auslaufmodell, an seine Stelle tritt das nicht minder gefährliche Zuverdienermodell. Umgekehrt ist das Verhältnis bei der unbezahlten Hausarbeit. Hier übernehmen die Mütter mit 62 Prozent den überwiegenden der Arbeit. Ein Grund für das Festhalten an dem Modell des Allein- oder Hauptverdieners ist das Geld. Männer verdienen – auch bei gleicher Arbeit – oft mehr. Eine berufliche Gleichberechtigung können oder wollen sich viele Familien nicht leisten. Dazu kommen staatliche Anreize wie die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen in der Krankenkasse oder das Ehegatten-Splitting. Und genau darin liegt eine große Gefahr, die leider vielen Vätern und Müttern kaum bewusst ist.

Warum ist das Zuverdienstmodell so gefährlich?

Mal ein düsteres Szenario: Bei längerer Krankheit, einem schweren Unfall oder sogar einem Todesfall kommen das Ernährer- oder Zuverdienstmodell – mal ganz abgesehen von all der anderen Tragik – einer finanziellen Katastrophe für die Hinterbliebenen gleich. Wenn aber beide Partner gleichberechtigt arbeiten und ähnliche Teile zum Familieneinkommen beisteuern, kann wenigstens dieser Verlust etwas kompensiert werden. Übrigens ist der Tod oder die Arbeitsunfähigkeit nur eine Variante, auch bei einer Scheidung stehen Frauen oft vor einem finanziellen Ruin. Wer denkt, das betrifft mich nicht: Jede dritte Ehe wird in Deutschland geschieden, im Schnitt sind die Partner zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre lang verheiratet. Bei der Hälfte aller Scheidungen sind minderjährige Kinder im Spiel. Bleibt die Frau alleinerziehend zurück, ist sie überdurchschnittlich armutsgefährdet.

Doch auch wenn Vati noch mit sechzig Jahren die große, vielleicht noch jüngere Liebe findet und sich von seiner Frau trennt, sind die Folgen dramatisch, jedenfalls, wenn die Frau nur in Teilzeit gearbeitet hat und lange bei den Kindern geblieben ist. Durch die klassische Rollenverteilung und die oft ungerechte Entlohnung – Stichwort Gender Pay Gap – erhalten Frauen nämlich deutlich weniger Rente als Männer, im Schnitt unfassbare 46 Prozent. Die traurige Wahrheit: Mutterschaft ist immer noch mit enormen Einkommenseinbußen verbunden und mit jedem Kind wird es schlimmer. Bei Männern ist das genau anders herum: Männer mit Kindern und Trauschein verdienen im Schnitt sogar mehr als ihre kinderlosen Kollegen – und zwar bis zu 20 Prozent. Das liegt vor allem an steuerlichen Vorteilen. Gleichzeitig bedeutet das nicht, dass die Väter mit diesem Status glücklich und zufrieden sind. In Umfragen wünscht sich eine überwältigende Mehrheit mehr Zeit mit der Familie. Der Wunsch nach viel Gehalt oder beruflichen Erfolg nimmt dagegen immer mehr ab. Leider hapert es oft noch in der Umsetzung.

Wie kann man als Vater den finanziellen Druck verkleinern?

Bei der besseren Verteilung des Mental Load werden immer aktive und mitdenkende Väter gefordert. Bei der Überwindung des Finacial Load brauchen wir Mütter, die möglichst früh ihre finanzielle Absicherung selbst in die Hand nehmen. Dazu gehört eben auch, die berufliche Auszeit für die Familie kurz zu halten, gerecht aufzuteilen und möglichst viel zu arbeiten. Davon profitieren wir Väter immens. Uns wird die Last des Hauptverdieners genommen, wir haben mehr Freiheiten, können uns stärker der Familie und Hobbys widmen oder sogar mal die berufliche Umorientierung wagen. Und nicht zu vergessen: Es bleibt mehr Zeit für die Partnerschaft. All das wünschen sich ein beträchtlicher Anteil der Mütter und Väter, all das ist ein wichtiger Bestandteil von Vereinbarkeit.

Ein mögliches Modell: Beide Eltern bringen ihre Arbeitszeit auf gleiches Niveau – zum Beispiel jeweils 30 oder 35 Wochenarbeitszeitstunden. Es bleibt nicht nur mehr Zeit für das restliche Leben, auch finanziell lohnt sich diese Aufteilung. Laut Zahlen des Bundesfamilienministeriums verfügt eine Familie mit dem Mann als Alleinverdiener über ein monatliches Nettoeinkommen von 3.393 Euro. Teilen sich die beiden Eltern die Erwerbstätigkeit partnerschaftlich auf und arbeiten je zwischen 28 und 36 Wochenstunden, erzielen sie ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 4.154 Euro. Der einzige Haken: Die Aufteilung des Financial Loads kostet ähnlich viel Anstrengung wie die Neuorganisation des Mental Loads. Wenn beide Partner gleichberechtigt arbeiten und verdienen, müssen sie dementsprechend auch mehr aushandeln. Wer holt an welchem Tag die Kinder ab? Wer bleibt bei Krankheit mit den Kindern zu Hause? Wer macht bei wichtigen Projekten auch mal Überstunden? Solche Aushandlungsprozesse sind anstrengend und kommunikationsintensiver als eine klare Regelung wie: Der Mann geht arbeiten und die Frau arbeitet ohnehin nur in Teilzeit und kümmert sich um die meiste Care-Arbeit. Aus diesem Grund kann man durchaus ein bisschen Verständnis für Paare haben, die vor diesem Geraffel zurückschrecken. Allerdings sollten sie sich der Gefahren bewusst sein.

Fazit: Kann Teilzeit die Lösung sein?

Laut vieler Experten ist Vollzeit über kurz oder lang ein Auslaufmodell. Kaum noch Arbeitnehmer — egal ob mit Kindern oder ohne – sind bereit für die Selbstaufgabe für den Job. Sie wollen heute genug Zeit für Hobby, Sport, Engagement oder eben die Familie haben. Die 60- oder 70-Stunden Woche ist als Statussymbol verschwunden, auch Workaholic ist eher abschreckend als erstrebenswert. Deshalb brauchen wir ein Umdenken in der Wirtschaft. Es muss auch mit 30 oder 35 Arbeitsstunden pro Woche möglich sein, sich beruflich weiterzuentwickeln und eine Familie zu ernähren. Da gibt es noch großen Nachholbedarf.

Leider kann sich ein IT-Experte Teilzeit heute locker leisten, ein Erzieher dagegen kaum. Es braucht auch mehr Engagement von Politik und Wirtschaft – durch mehr Flexibilität bei der Gestaltung von Arbeit, durch bessere Teilzeit-Angebote in der Fläche, durch eine Reform des Steuersystems, durch eine bessere Bezahlung in von Frauen dominierten Berufsfeldern oder eben auch bessere Betreuungsangebote. Das wichtigste Argument dabei: Nur 30 Stunden zu arbeiten, ist gut für die Gesundheit, die Motivation und Zufriedenheit. Außerdem wirken sich lange Arbeitszeiten eher negativ auf die Kreativität und die Produktivität aus. Am Ende profitieren also nicht nur die Familien, Väter, Mütter, sondern auch die Unternehmen.

Den Begriff Financial Load kannte unser Autor übrigens bis vor Kurzem auch nicht. Er stieß erst darauf bei der Recherche zu seinem Ratgeber, der gerade erschienen ist: "Eltern als Team". Übrigens auch ein guter Buchtipp, wenn man sich als Paar künftig nicht nur den Financial Load, sondern auch den Mental Load teilen möchte.

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