- Wie wirkt sich gezieltes Krafttraining auf Kinder aus?
- Gibt es weitere Vorteile, die Kinder von Krafttraining haben können?
- Ab welchem Alter können Kinder Krafttraining betreiben?
- Kann Krafttraining die positiven Auswirkungen einer Mannschaftssportart, wie soziale Entwicklung und Teamfähigkeit, ersetzen?
- Welche Form des Krafttrainings ist für Kinder empfehlenswert?
- Wie sieht es mit Hanteltraining aus, kann man Jugendlichen dazu raten?
- Welche Kraftübungen eignen sich besonders gut für Kinder?
- Was können die Folgen von zu wenig Krafttraining für Kinder sein?
- Unterbindet das gezielte Krafttraining nicht den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder?
- Welche Rolle spielt die Flut an Informationen zum Thema Fitness und Muskelaufbau in den sozialen Medien für Kinder? Ist diese Entwicklung hilfreich oder kontraproduktiv?
- Fazit: Krafttraining fördert die Gesundheit und allgemeine Fitness von Kindern
Dass sich Kraftsport im Fitness-Studio negativ auf Kinder und Jugendliche auswirkt, ist eine weitverbreitete Annahme. Kein Wunder also, dass viele Eltern ihren Kindern das Trainieren an Hanteln und Geräten am liebsten komplett verbieten würden. Doch was ist der aktuelle Forschungsstand zu dem viel diskutierten Thema? Ist Krafttraining für Kinder förderlich oder schädlich? Um das herauszufinden, haben wir mit Stephan Geisler, Vizepräsident und Professor für Fitness und Gesundheit an der IST-Hochschule in Düsseldorf gesprochen. Im Interview erzählt der Buchautor ("Hypertrophietraining") über den aktuellen Forschungsstand und verrät, wann er das erste Mal mit seinen beiden Söhnen ins Gym gehen will.
Wie wirkt sich gezieltes Krafttraining auf Kinder aus?
"Krafttraining als Belastungsform für den kindlichen Organismus halte ich grundsätzlich für sehr sinnvoll, weil Muskeln und Knochen gestärkt werden, sowie die Körperkraft und die Motorik insgesamt verbessert wird. Wenn das Training passend zum jeweiligen biologischen Alter durchgeführt wird, kann man eigentlich keine bessere motorische Grundlage für ein sportliches und gesundes Leben legen, würde ich sagen."
Gibt es weitere Vorteile, die Kinder von Krafttraining haben können?
"Zusätzlich zu den gerade genannten physiologischen Auswirkungen von Krafttraining würde ich die psychologischen Vorteile von Krafttraining ansprechen. Krafttraining und die dadurch einhergehende körperliche Veränderung im Sinne von mehr Muskularität, mehr Körperkraft haben verschiedenste positive Auswirkungen auf den mentalen Zustand eines Kindes. Besser im Schulsportunterricht mithalten zu können, ist eine logische Konsequenz von regelmäßigem Krafttraining. In der Folge hat das auch psychologische Auswirkungen, die das Selbstwertgefühl durchaus steigern können. Dass Kinder durch Krafttraining an Selbstbewusstsein dazugewinnen können, finde ich in diesem Kontext sehr wichtig zu erwähnen."
Ab welchem Alter können Kinder Krafttraining betreiben?
"Wenn man sich Kinder anschaut, wie sie auf dem Spielplatz irgendwo hochklettern, muss man sich im Klaren darüber sein, dass genau das Krafttraining ist. Das bedeutet, dass Kinder im Prinzip ab der Geburt, wenn sie ihr schwerstes Körperteil, den Kopf, mit der Rücken- und Nackenmuskulatur auf- und abbewegen, Maximalkrafttraining betreiben. Wenn Kinder klettern, springen, herumtoben: Das alles ist Krafttraining! Auch wenn Kinder anfangen zu sprinten, ist das Krafttraining. Ich glaube, es ist vielen noch nicht bewusst, dass Krafttraining nicht nur bedeutet in einem geschlossenen Fitness-Studio auf irgendwelchen Geräten herumzusitzen, sondern, dass Krafttraining im Prinzip jede muskuläre Kontraktion ist, die ich teilweise auch im Alltag oder im Spielsport durchführe. Meine beiden Söhne sind jetzt noch zu jung fürs Fitness-Studio, aber wenn die beiden langsam Teenager werden und Lust auf Krafttraining haben, werde ich ihnen eine ganz saubere Einweisung verpassen und sie regelmäßig beim Trainieren unterstützen."
Kann Krafttraining die positiven Auswirkungen einer Mannschaftssportart, wie soziale Entwicklung und Teamfähigkeit, ersetzen?
"Natürlich ist Trainieren im Fitness-Studio eine ganz andere Nummer als Mannschaftstraining. Allerdings sollte man nicht pauschalisieren, dass Mannschaftssportarten in jedem Fall besser für die physische und psychische Entwicklung von Kindern sind als gezieltes Krafttraining im Fitness-Studio. Gemeinsam mit meinem amerikanischen Arbeitskollegen und Freund Avery Faigenbaum habe ich im Rahmen eines wissenschaftlichen Artikels gezeigt, dass Krafttraining bei Jugendlichen durchaus eine effektive Trainingsmethode sein kann. Das würde ich gerne mit einem Beispiel erklären: Stell dir einen übergewichtigen Jungen vor, der keine 5 Minuten auf dem Laufband oder auf dem Fußballfeld laufen kann, sondern nach 2 Minuten k.o. ist und von den anderen Kindern ausgelacht wird. Setzt man den Jungen stattdessen auf die Beinpresse, wird er schnell merken, wow, da steckt ja richtig Kraft drin in meinen Oberschenkeln, denn dicke Oberschenkel bedeuten nicht nur Fett, sondern auch ordentlich Muskeln. Fasziniert von seiner Kraft in den Beinen trainiert der Junge motiviert weiter und baut Muskeln auf. Und wer Muskeln aufbaut, der verbrennt Fett. So wird der Junge nach und nach sportlich, selbstbewusst und kann auch in Mannschaftssportarten besser mithalten. Ich finde das Beispiel sehr schön, denn es zeigt auf, dass Kinder auf verschiedenen Wegen zum Erfolg kommen können und es sich lohnt, die Situation des Kindes ganz individuell zu betrachten."
Welche Form des Krafttrainings ist für Kinder empfehlenswert?
"Hier muss man ganz klar sagen, dass Kinder keine Mini-Erwachsenen sind. Kinder haben diesen Spieltrieb, Kinder wollen irgendwo animiert werden, deswegen muss man sich als Trainer auch Gedanken machen, wie man kräftigende Übungen ins Training einbauen kann. Denn wenn man dem Kind den stumpfen Auftrag gibt, 100 Liegestütze zu machen, dann wird es keine Lust darauf haben. Wenn Kraftübungen allerdings im Spiel integriert sind, wie beispielsweise in einem Nachlaufspiel, wo derjenige, der anfängt, 10 Liegestütze machen muss, bevor er weiterlaufen kann und sich damit selbst befreit, haben Kinder direkt einen anderen Anreiz zum Krafttraining. Erst im Jugendalter ab 12 Jahren, wo das Körperbewusstsein ausgereifter ist und vielleicht auch ein bisschen mehr Disziplin und Verständnis vorhanden ist, würde ich mit einem programmierten Krafttraining an Hanteln und Geräten fortfahren."
Wie sieht es mit Hanteltraining aus, kann man Jugendlichen dazu raten?
"Absolut. Immer unter der Voraussetzung einer Supervision. Einen Coach würde ich aber offen gesagt für jede Sportart empfehlen. Beim Fußball oder Boxen wird man ja auch nicht einfach so losgeschickt, sondern bekommt zuerst eine Technikeinweisung. Genauso sollte es auch beim Hanteltraining sein, dann ist das Trainieren mit freien Gewichten auch für Jugendliche bestens geeignet. Deswegen halte ich auch eine Altersbegrenzung im Fitness-Studio für totalen Quatsch. Statt einer Altersgrenze sollte man die Überwachung und Programmierung des Trainings anpassen, sodass das Trainieren für jedermann risikofrei ist."
Welche Kraftübungen eignen sich besonders gut für Kinder?
"Dem weit verbreiteten Mythos, dass Übungen mit dem Körpergewicht für Kinder besser geeignet sind, als Hantel- und Geräteübungen kann ich nicht zustimmen. In der Realität ist es nämlich so, dass ein übergewichtiger Junge mit 12 Jahren, der schon relativ groß ist, wahrscheinlich keinen einzigen Klimmzug schafft und bei dem Versuch es doch irgendwie zu schaffen, das Risiko eingeht, sich zu verletzen. Stattdessen würde ich ihn an den Latzug setzen, wo er die Übung kontrolliert ausführt, mit gerader Wirbelsäule und mit deutlich geringerem Gewicht mehrere Wiederholungen schaffen kann. Deswegen sollte man kategorische Aussagen wie 'Kinder und Jugendliche sollten ausschließlich mit ihrem Körpergewicht trainieren' vermeiden. Genauso wenig sollte man kategorisch behaupten, dass es besser ist beim Krafttraining erst einmal mit Geräten anzufangen. Lässt es der physiologische Zustand zu, kann man unter ständiger Korrektur eines Coaches auch schon direkt mit dem Freihanteltraining beginnen."
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Was können die Folgen von zu wenig Krafttraining für Kinder sein?
"Mögliche Auswirkungen sind unter anderem das erhöhte Risiko für eine Dynapenie, also eine mangelnde Muskelkraft, die man eigentlich nur aus dem Alter kennt. Diese Krankheit kann tatsächlich schon bei Kindern manifestiert werden und zieht sich dann durch das gesamte Schul- und Sportalter. Betroffene Kinder sitzen beim Schulsportunterricht oft nur auf der Bank, weil sie Angst haben nicht mithalten zu können. Außerdem sind sie auch im Verein nicht aktiv und so weiter und so weiter. Zu wenig Bewegung und zu wenig muskuläre Aktivität sind zudem hochgradig assoziiert mit verschiedenen, nicht ansteckenden Krankheiten wie Diabetes (vor allem Typ 2), Herz-Kreislauf-Erkrankungen und natürlich Übergewicht. Diesen negativen Auswirkungen kann man durch Muskeltraining bereits in frühen Jahren gezielt entgegenwirken."
Unterbindet das gezielte Krafttraining nicht den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder?
"Nein, das tut es nicht. Es kommt darauf an, wie geschickt man das Krafttraining mit spielerischen Übungen kombiniert. In der Praxis macht es keinen Sinn, einen leidenschaftlichen Ballsportler an ein Trainingsgerät zu zwingen und ihm so die Freude am Ballspielen zu nehmen. Stattdessen verknüpft man beispielsweise Passübungen mit Kraftübungen und macht nach jedem zweiten Pass einen Squatjump – und schon hat man Krafttraining integriert. Am Ende ist es alles eine Frage der Didaktik, wie man Kraftübungen geschickt einbaut, denn Krafttraining ist viel mehr als eine Hantel zu stemmen und kann so vielseitig stattfinden!"
Welche Rolle spielt die Flut an Informationen zum Thema Fitness und Muskelaufbau in den sozialen Medien für Kinder? Ist diese Entwicklung hilfreich oder kontraproduktiv?
"Das ist wie immer beim Internet Fluch und Segen zugleich. Durch das Internet hat Fitness viel mehr Akzeptanz in der Bevölkerung bekommen, als das noch vor 20 bis 30 Jahren der Fall war, wo weitaus weniger Menschen im Fitness-Studio waren als heutzutage. Mich freut es, dass die Fitness-Community im Internet wächst, doch es gibt auch Gefahren, die eng mit dem steigenden Interesse an Fitness verbunden sind. Denn leider gibt es wie immer im Internet Menschen, die keine guten Absichten haben und sich im Zweifel nur an dem steigenden Interesse an Fitness bereichern wollen, indem sie Halbwahrheiten verbreiten oder teilweise unsinnige Nahrungsergänzungsmittel verkaufen. Das ist die Kehrseite der Medaille. Da hilft nur, sich von ausgebildeten Fachleuten beraten zu lassen, wie dem Personaltrainer im Fitness-Studio oder vom Sportlehrer in der Schule."
Fazit: Krafttraining fördert die Gesundheit und allgemeine Fitness von Kindern
Stephan Geislers Expertenmeinung schafft Klarheit rund um die Mythen zum Thema Kinder und Kraftsport. Merkt euch also Folgendes: Euer Kind macht sich durch Kraftsport nicht die Gelenke und Knochen kaputt. Nein, vielmehr wird der Grundstein für ein gesundes Leben gelegt. Ob das nun im Fitness-Studio oder auf dem Spielplatz an der Reckstange stattfindet, ist einzig und allein die Entscheidung von dir und deinem Kind.