Wechsel in die Fremdbetreuung
So gelingt die Kita-Eingewöhnung ohne Tränen (auf beiden Seiten)

Ob Krippe oder Kindergarten: Immer mehr Väter übernehmen die Eingewöhnung. Aber worauf muss man achten? Und macht es einen Unterschied, ob die Mutter oder der Vater vor Ort ist?
Eingewöhnung in der Kita: Auch für den Vater gewöhnungsbedürftig
© Shutterstock.com/ Rawpixel
In diesem Artikel:
  • Wie läuft die Eingewöhnung bei dir als Tagesvater normalerweise ab? Was ist dir persönlich wichtig?
  • Was kann man als Vater tun, damit dem Kind die Eingewöhnung leicht fällt?
  • Gewöhnen Väter anders ein als Mütter?
  • Darf ich mein Kind bei der Eingewöhnung weinen lassen?
  • Kann ich bei der Eingewöhnung eigentlich auch Dinge falsch machen? Was sollte ich als Vater auf keinen Fall tun?
  • Was mache ich, wenn mein Kind nach der Eingewöhnung plötzlich nicht mehr in den Kindergarten oder in die Tagespflege will?

Mehr als 20.000 Windeln hat Jürgen Grah schon gewechselt. Seine beiden Söhne hatten daran aber nur einen geringen Anteil: Der Düsseldorfer arbeitet seit rund zehn Jahren als Tagesvater, betreut täglich fünf Kinder im Alter zwischen ein und drei Jahren. Im Interview mit Men's Health Dad erzählt der Familylab-Familienberater, worauf man bei der Eingewöhnung seines Kindes achten muss, ob in der Krippe, im Kindergarten oder bei einer Tagesmutter (oder natürlich einem Tagesvater).

Wie läuft die Eingewöhnung bei dir als Tagesvater normalerweise ab? Was ist dir persönlich wichtig?

"Wichtig ist mir, das Kind und seine Familie individuell zu sehen. An der Eingewöhnung sind ja drei Parteien beteiligt: das Kind, die Eltern und zum Beispiel ich als Tagesvater. Man kann sich das wie ein Dreieck vorstellen: Die untere Achse bildet die Beziehung zwischen den Eltern und den Erzieher:innen. Sie ist die Basis dafür, dass das Kind die Sicherheit bekommt, sich auf die neue Situation in der Krippe oder in der Tagespflege einzulassen. Das gelingt aber nur, wenn ich die Bedürfnisse aller Beteiligten sehe. Was mir an allen Modellen zur Eingewöhnung nicht gefällt, ist das Modellhafte. Menschen sind unterschiedlich und entsprechend individuell sollte auch die Eingewöhnung stattfinden."

Was kann man als Vater tun, damit dem Kind die Eingewöhnung leicht fällt?

In der Realität müssen die Eltern aber vielleicht wieder arbeiten und können gar nicht frei entscheiden, wann und wo sie ihr Kind in die Betreuung geben. Und durch Personalmangel ist die Situation während der Eingewöhnung oft nicht ideal.

"Wir sind als Eltern oder auch als Erzieher:innen nur begrenzt fähig, Systeme zu verändern. Daher sage ich immer: Wenn ich das System nicht ändern kann, muss ich lernen, damit zu tanzen. Was ich damit meine? Ich kann zum Beispiel meine Haltung zu den Erzieher:innen und der Einrichtung hinterfragen. Sehe ich das Ganze als Fremdbetreuung, fällt es mir vermutlich schwerer, Vertrauen zu entwickeln. Stattdessen kann ich mich immer fragen: Was brauche ich eigentlich gerade als Vater oder Mutter, um mein Kind mit gutem Gefühl in die Einrichtung zu bringen? Oft legen wir als Eltern unseren Fokus bei der Eingewöhnung ja komplett aufs Kind. Dabei sollten wir uns selbst nicht vergessen. Was ich als Vater immer tun kann, ist, Dinge, die mir auffallen oder die mich stören, anzusprechen. Aber nicht als Vorwurf, sondern indem ich zum Beispiel sage: 'Ich beobachte dies oder das' oder 'Ich fühle mich so oder so, wenn ich das miterlebe' und dann die Frage: 'Was kann ich als Elternteil tun, was könnt ihr als Erzieher:innen tun, damit sich hier etwas verändert?'. Hilfreich ist sicher auch, den Austausch zu anderen Eltern zu suchen, die gerade die Eingewöhnung machen, oder sich im Zweifelsfall professionell beraten zu lassen. Es gibt inzwischen ja gute Beratungen zur Eingewöhnung, spontan fällt mir dazu zum Beispiel Stefanie von Brück und ihre Beratung ein."

Gewöhnen Väter anders ein als Mütter?

"Bei dieser Frage schwingt ja oft die Annahme mit, Vätern falle die Eingewöhnung leichter, weil sie nicht so eine starke Bindung zu ihrem Kind hätten. Das finde ich persönlich Quatsch. Und ich habe durchaus auch schon Väter erlebt, denen beim Abgeben Tränen in den Augen standen. Was ich aber aus meiner über zehnjährigen Erfahrung als Tagesvater sagen kann, ist, dass die Eingewöhnung tatsächlich oft etwas anders verläuft, wenn der Vater sie übernimmt. Väter bewerten viele Situationen einfach anders. Ein Beispiel: Das Kind spielt im Gruppenraum, der Vater sitzt im Nebenzimmer. Da erlebe ich Väter häufig so, dass sie ruhig sitzen bleiben, weil sie darauf vertrauen, dass ihr Kind sie schon suchen wird, wenn es sie braucht. Müttern fällt es da manchmal etwas schwerer, loszulassen. Vielleicht kommt Vätern aber auch zugute, dass sie in ihrer Elternzeit oft nicht wirklich allein die Verantwortung für ihr Kind tragen. Die zwei oder drei Monate werden zum Beispiel für eine gemeinsame Reise genutzt, den Alltag allein mit Kind erleben die Väter aber nicht. Gerade dadurch gehen sie manchmal aber auch unbefangener an die Eingewöhnung heran. Und ich nehme wahr, dass das Personal das Verhalten von Müttern oft anders bewertet als das von Vätern. Mit Vätern gehen die Erzieherinnen tendenziell gnädiger um. Vielleicht, weil sie selbst häufig Mütter sind und Vätern eher zugestehen, sich anders zu verhalten als sie selbst."

Podcast-Tipp: Experte Jürgen Grah war auch schon mal Gast bei den "Echten Papas", hier geht's zum Gespräch:

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Darf ich mein Kind bei der Eingewöhnung weinen lassen?

Schadet das Kindern aus deiner Sicht oder ist es ein normaler Teil des Ablösungsprozesses?

"Tränen kommen bei der Eingewöhnung immer wieder vor. Sie sind in gewisser Weise auch normal als Ausdruck der Trauer beim Abschied von den Bezugspersonen. Schließlich haben gerade Kinder im Krippenalter noch nicht die sprachlichen Möglichkeiten, um ihre Gefühle anders auszudrücken. Gleichzeitig halte ich gar nichts von Sätzen wie 'Da muss das Kind jetzt durch' oder dem Versuch, das Kind sofort von seinem Schmerz abzulenken. Als Tagesvater benenne ich eher die Gefühle des Kindes und begleite es dabei. Außerdem achte ich sehr genau darauf, wie das Kind weint. Sind es ein paar Krokodilstränen zum Abschied, oder zeigt es deutlich Angst und beruhigt sich auch nach längerer Zeit nicht? Dann sollten Eltern und Erzieher:innen auch in der Eingewöhnung nochmals einen Schritt zurückgehen und allen Beteiligten mehr Zeit geben. Den Eltern, die zu mir kommen, sage ich immer: Die Eingewöhnung kann bis zu drei Monate lang dauern. Das heißt nicht, dass sie in der Zeit immer bei mir in der Tagespflege sitzen, aber oft ist so viel Zeit nötig, bis das Kind sich in der neuen Umgebung wirklich sicher fühlt. Letztlich geht die Eingewöhnung vom Kind aus. Erst wenn es sich ganz selbstverständlich in Kita oder Tagespflege bewegt und Spielangebote von sich aus annimmt, ist es aus meiner Sicht wirklich angekommen."

Kann ich bei der Eingewöhnung eigentlich auch Dinge falsch machen? Was sollte ich als Vater auf keinen Fall tun?

"Ich denke da wieder an das Beziehungsdreieck der Eingewöhnung. Als Vater sollte ich auf mein Gefühl achten und Dinge nicht einfach hinnehmen. Stattdessen kann ich mit den Erzieher:innen ins Gespräch kommen und meine Wahrnehmung beschreiben. Letztlich sind die Eltern die Experten für ihr Kind. Das sollte auch uns Erzieher:innen immer bewusst sein. Also schaut als Vater nicht nur, was euer Kind braucht, sondern auch, was euch selbst hilft, es mit gutem Gefühl in unsere Hände zu geben."

Was mache ich, wenn mein Kind nach der Eingewöhnung plötzlich nicht mehr in den Kindergarten oder in die Tagespflege will?

"Als Vater ist es sicher hilfreich, wenn ich auch hier das Gespräch mit den Erzieher:innen suche. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen kleinen Jungen, der bereits längere Zeit gerne in die Tagespflege kam, beim Abgeben aber auf einmal wieder weinte. Als Tagesvater fiel mir auf, dass ihm die kleinen Übergänge im Alltag, also vom Spielen zum Essen, zum Wickeln und wieder zum Spielen offenbar zu viel waren. Ich erklärte ihm also in Zukunft immer genau, was wir als Nächstes tun würden und bereitete ihn so auf den jeweiligen Übergang vor. Das beruhigte ihn und er kam bald wieder gerne in die Tagespflege. Was Eltern manchmal auch noch klarer verstehen können, ist, wie wichtig ihre Art zu sprechen für die Beziehung zu ihren Kindern ist. Ich sage Vätern und Müttern immer: 'Achtet auf eure Körpersprache! Viel stärker als das, was ihr sagt, nehmen eure Kinder wahr, wie ihr es sagt.' Letztlich geht es darum, sich zu zeigen. Fällt mir das Loslassen bei der Eingewöhnung zum Beispiel schwer, kann ich durchaus sagen: 'Das ist hier gerade schwierig für mich und ich bin ein bisschen traurig!', ohne das Kind mit meinen Gefühlen zu belasten. Vielleicht freut es sich ja auf den Tag in der Kita oder bei der Tagespflege und ich darf mich als Vater oder Mutter fragen, womit ich selbst ein Problem habe. Das ist für mich die Haltung der Gleichwürdigkeit, die ich mir für die Beziehung zu unseren Kindern wünsche: Ich nehme mein Kind in seinen Bedürfnissen ernst, nehme aber auch meine eigenen Bedürfnisse als Vater ernst. Das gilt übrigens auch für uns als pädagogische Fachkräfte: Welche Erfahrungen haben wir mit Bindung und mit Betreuungseinrichtungen gemacht? Was triggert uns? Sich diese Fragen als Erwachsener zu stellen, ist für die Beziehung zu unseren Kindern wirklich hilfreich."

Ob Krippe oder Kindergarten, ob mit einem oder drei Jahren: "Zeig deinem Kind: Ich sehe dich! Und nimm deine eigenen Bedürfnisse als Vater ernst", rät Tagesvater Jürgen Grah. "Sprich während der Eingewöhnung über deine Wahrnehmung mit den Erzieher:innen und sucht gemeinsam nach Lösungen. Letztlich wollt ihr doch alle das Gleiche: dass sich euer Kind in der Kita oder der Tagespflege wohlfühlt." Das schafft ihr, wenn ihr die Bedürfnisse aller Beteiligten ernst nehmt!