- Was bedeutet Patriarchat?
- Woher kommt das Patriarchat?
- Wo herrschen noch patriarchalische Strukturen?
- Warum ist das Patriarchat schlecht für Väter?
- Was kostet toxische Männlichkeit den Staat?
- Was ist das Gegenteil vom Patriarchat?
Um das Patriarchat kommt kein Mann vorbei (und leider auch keine Frau). Aber es hat einen verdammt schlechten Ruf. Wer anfängt, sich damit zu beschäftigen, wird schnell darauf stoßen, dass viele Frauen und non-binäre Menschen darunter leiden. Umso mehr Männer dies erkennen und ändern wollen – zum Beispiel dadurch, aktivere Väter sein zu wollen – desto häufiger leiden aber auch sie unter dem doch eigentlich für sie ausgelegten Patriarchat. Paradox? Dann lies weiter.
Was bedeutet Patriarchat?
Um die Existenz, Herkunft und Auswirkung des so genannten Patriarchats zu verstehen und zu illustrieren, hilft zu Beginn ein Blick in die Definition. Das digitale Nachschlagewerk unserer Wahl erklärt: "Patriarchat" bedeutet wörtlich "Väterherrschaft, Vaterrecht" und ist "in der Soziologie, der Politikwissenschaft und verschiedenen Gesellschaftstheorien ein System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird". Heutzutage und erweitert durch die Frauenbewegung umschreibt der Begriff des Patriarchats eine "nahezu global verbreitete Männerdominanz" und steht für 'männliche Herrschaft und Unterdrückung der Frauen". So weit, so theoretisch. Was bedeutet das praktisch?
Woher kommt das Patriarchat?
Geschichte wurde und wird von Männern geschrieben. Ein Beispiel: Habt ihr Euch jemals gefragt, warum die menschliche Kulturgeschichte so viele berühmte männliche Komponisten und Maler hervorbrachte, aber so wenige weibliche? Bestimmt nicht, weil Frauen Kunst einfach nicht draufhatten. Nein, sie hatten wegen anderer Aufgaben und Erwartungshaltungen schlichtweg keine Zeit und Freiheit, ihrem Genie, ihrem Talent, ihrer unterdrückten Selbstbestimmtheit Platz zu geben. Die älteste Erwähnung des Begriffs findet sich in Homers "Ilias", entstanden zwischen dem 8. und 7. Jahrhundert vor Christus, und apropos Homer: Patriarchen kennen wir alle, wir halten sie nur für weit entfernte Relikte aus einer anderen Zeit. Sie begegnen uns von kleinauf in Familie, Funk und Fernsehen. Wir denken an eigentlich tragische Familienoberhäupter, die Frau und Kinder mit harter Hand und lauter Stimme kleinhielten – oder an "Idiot Dads" aus Sitcoms wie Al Bundy in "Eine schrecklich nette Familie" und Homer Simpson. Ihr merkt: So weit weg ist dieser große böse Patriarch plötzlich gar nicht mehr. Er gibt sich nur oft nicht als solcher zu erkennen. Weil er sich selbst für keinen hält – oder weil unser patriarchales System ihn zu einem gemacht hat. Klar: Das Arschloch beim Abendbrot ist zum Glück in den meisten eigenen vier Wänden Geschichte. Nicht aber die Männer da oben in den Führungsetagen.
Wo herrschen noch patriarchalische Strukturen?
Der Begriff der alten weißen Männer hängt unbedingt mit dem Begriff des Patriarchats zusammen. Die haben es im öffentlichen Diskurs seit ein paar Jahren zwar einerseits nicht mehr so leicht, andererseits bestimmen sie noch immer unser Leben, unseren Alltag, unsere Arbeit: In deutschen Vorständen und der Politik tummeln sich die Martins, Olafs und Stefans. Gäbe es das mit ihnen und ihrem Karrierismus zusammenhängende Problem der toxischen Männlichkeit nicht, müssten nicht nur Frauen weniger unter Sexismus leiden, sondern die Welt auch nicht unter Kriegstreibern, Sprücheklopfern und Großmachtphantasten wie Wladimir Putin und Donald Trump. In einigen Bundesstaaten der USA entscheiden Männer über den Körper und die Psyche von Frauen hinweg, dass auch das ungeborene Leben zu schützen sei und verbieten deshalb Abtreibung, während es die dortigen Waffengesetze wegen des Drucks der Waffenlobby – also von anderen alten weißen Männern, die ihre Macht behalten wollen – noch immer erlauben, dass sich ein Amokläufer eine Pistole im Laden um die Ecke kauft und Kinder erschießt. Das geborene Leben ist offenbar egaler.
Es ist ein gigantisches Problem, dass Nicht-Betroffene nicht nur Gesetze für Betroffene machen, sondern auch deren Umwelt formen: In ihrem Buch "Das Patriarchat der Dinge" versammelt Autorin Rebekka Endler unter anderem Beispiele dafür, dass Produkte wie Fahrradsattel, Fußballschuhe, FFP2-Masken, ja sogar Crash Test Dummies für männlich normierte Körper entworfen und hergestellt wurden. Plastischer kann man kaum darstellen, dass unsere Welt von Männern für Männer gemacht wurde. Unsere Sprache, in der seit jeher das generische Maskulinum dominiert, steht dem in nichts nach.
Dass die patriarchale Vorherrschaft – gefühlt aus der Männersicht des Autors dieses Textes – viele Jahre kein Thema des öffentlichen Diskurses war, ist im Privaten und Politischen Teil des Problems: Strukturen werden viel zu oft als gegeben hingenommen. "Es war doch schon immer so", heißt es dann, oder "Was kann ich daran schon ändern?". Wir können nicht die Welt allein ändern, aber gemeinsam einen Teil von ihr, mindestens Teile unseres eigenen Umfelds. Ein Beispiel: Nur wenn ich unseren Söhnen vorlebe, dass Väter genauso gut oder schlecht kochen, putzen, Wäsche waschen und sich kümmern können, werden sie nicht länger mit dem überholt gehörten Rollenbild groß, Hausarbeit sei Frauensache und Papa bringt das Geld nach Hause.
Warum ist das Patriarchat schlecht für Väter?
Und warum soll das Patriarchat nun schlecht für Väter sein? Sie sind doch Männer und haben als solche seit Ewigkeiten davon beruflich und privat profitiert. Sie finden auch mit Kindern Jobs. Sie dürfen sich als Ernährer im Büro ausruhen. Sie mussten sich noch nie gegen eine Karriere entscheiden. Sie können am Wochenende den coolen Daddy mimen. Sie kriegen Lob, wenn sie Selbstverständliches tun.
Wer seine Frau, seine Kinder und sein Vatersein ernstnehmen will, merkt schnell, wie ihn das Patriarchat davon abhält. Von vielen Arbeitnehmern wird noch immer erwartet, ein Vollzeitmalocher zu sein. Sie haben Angst vor Elternzeit oder gar Teilzeit, weil viele Arbeitgeber kein Verständnis dafür haben, "früher ging das doch auch anders", sagen die. Nicht von ungefähr behaupten über 80 Prozent aller Väter laut Umfragen seit Jahren, sie wollen sich um ihre Kinder kümmern, 90 Prozent (mit Kindern unter sechs Jahren) arbeiten aber weiterhin in Vollzeit. Zwar nehmen rund 40 Prozent aller Väter mittlerweile Elternzeit, aber erstens selten länger als die obligatorischen zwei Monate, und zweitens bedeutet dies, dass 60 Prozent noch immer gar keine Elternzeit nehmen. Ein anderer Grund dafür mag der der finanziellen Last sein: Wer wirklich Haupternährer der Familie ist, glaubt, dies bleiben zu müssen. Oft geht es auch anders: Wie toll wäre es, man teilte sich den so genannten Financial Load und damit auch den Rest von Haushalt, Erziehung und Co. gleichberechtigter auf? Wie kreativ könnten Menschen werden, wenn sie freier entscheiden könnten, wem sie wieviel ihrer Arbeits- und Lebenszeit und wofür schenkten? Patriarchale Rollenbilder und toxische Männlichkeit verhindern das: Männer sollen stark sein, in Konkurrenzkämpfe gehen, nicht über ihre Gefühle sprechen und so weiter – diese ganze Palette Mist macht nicht nur das Familienleben und den eventuellen Spaß an der Arbeit kaputt, sondern auch die Psyche.
Was kostet toxische Männlichkeit den Staat?
Für den Fall, dass manche der hier mitlesenden Väter das Problem noch immer nicht verstanden haben oder einsehen, haben wir noch ein für Männer sehr zugängliches Argument in der Hinterhand – das des wirtschaftlichen Schadens. In seinem Buch "Was Männer kosten" hat Autor Boris von Heesen ausgerechnet, dass Deutschland als Folge von toxisch männlichem Verhalten im Jahr 63 Milliarden Euro mehr für Männer als für Frauen ausgibt – zum Beispiel für Justizvollzug (94 Prozent der in Deutschland Inhaftierten sind männlich), durch Kosten für häusliche Gewalt, Polizei, Frauenhäuser und Suchtverhalten. Laut Von Heesen hängen traditionelle Männlichkeit und Sucht eng zusammen. Männer konsumierten "legale und illegale Drogen, weil sie dem Druck, ein starker Mann sein zu müssen, nicht standhalten können."
Was ist das Gegenteil vom Patriarchat?
Die Journalistin, Influencerin und Autorin Alexandra Zykunov hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "'Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!': 25 Bullshitsätze und wie wir sie endlich zerlegen". Untertitel: "Eine wütende Abrechnung mit dem Patriarchat, die jede Frau lesen sollte." Dies sollten auch Männer lesen und sich vom harschen Tonfall von Zykunovs Rants nicht abschrecken lassen, weil in ihren Beobachtungen so viel Wahrheit drinsteckt. In einem Interview relativierte sie einst: Keine Sorge, selbst Feministinnen, wie sie eine ist, wünschten sich zwar ein Ende des Patriarchats, an das sich aber kein 1000-jähriges Matriarchat, also die weibliche Vorherrschaft anschließen solle, "das kann auch niemand wollen". "Wir wollen Gleichberechtigung und Mitdenken aller Geschlechter und marginalisierten Gruppen", sagt sie.
Es stimmt: Mit Gleichberechtigung wäre allen am ehesten geholfen. Es tut sich einerseits viel Gutes in diese Richtung, zum Beispiel durch Anti-Eltern-Diskriminierungs-Initiativen wie #proparents, durch Pläne zur Vaterschaftsfreistellung, durch die paritätische Besetzung des aktuellen Kabinetts und durch hehre im Koalitionsvertrag formulierte Regierungsziele wie das, man wolle innerhalb der nächsten zehn Jahre Gleichberechtigung erreichen. Andererseits sind Kriege stets ein Throwback in vielerlei Hinsicht. Wenn Männer an die Front müssen, bleiben Frauen zwangsläufig allein zu Hause bei den Kindern. In solchen Fällen gibt es nur Verlierer.