Uneins bei der Familienplanung
Sie will ein zweites Kind, er nicht. Und nun?

Eins oder zwei? Manche Paare sind sich bei der Familienplanung nicht einig. Oft ist der Vater zufrieden mit einem Kind, während die Mutter gerne noch mal schwanger werden möchte. Ein Experte sagt, was in diesem Fall zu tun ist
Eine Frage, zwei Meinungen: Wollen wir noch ein zweites Kind?
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In diesem Artikel:
  • Warum wollen viele Männer kein zweites Kind?
  • Geraten Eltern in einen Zwiespalt zwischen dem Idealbild der Familie und der Realität?
  • Was raten Sie Paaren, die bezüglich des Kinderwunsches wirklich unterschiedliche Haltungen haben, sich aber nicht einfach trennen wollen?
  • Was würden Sie einem Mann raten, dessen Frau sich, ohne sein Wissen oder ohne sein Einverständnis, für ein zweites Kind entschieden hat, indem sie die Pille weggelassen hat?
  • Bleibt die Frage nach einem zweiten Kind für Paare letztlich ein unauflösbarer Konflikt?
  • Fazit: Eins oder zwei oder ...?

Manchmal ist nach dem ersten Kind Schluss. Zumindest, wenn es nach dem Willen des Vaters ginge. Aber was, wenn die Mutter trotzdem ein zweites Kind will? Das haben wir den Berliner Paarberater Christian Thiel gefragt, der schon mehrere Beziehungs-Ratgeber geschrieben hat, zum Beispiel "Generation beziehungsstark: Wie wir in Zukunft lieben werden" und einen eigenen Podcast zum Thema hat ("Die Sache mit der Liebe"). Drei, zwei, eins, los!

Warum wollen viele Männer kein zweites Kind?

"Die Frage, will ich Kinder oder nicht, ist ja sehr grundsätzlich und wird von Menschen tief in ihrer Seele entschieden. Dazu gehört erst einmal kein rationales Kalkül. Stattdessen sagt etwas in uns klar 'Ich will', oder eben 'Ich will nicht!' Manchmal gibt es natürlich auch eine gewisse Ambivalenz. Grundsätzlich kann man sagen, dass dabei oft die eigene Biografie eine Rolle spielt: Wer aus einer Ein-Kind-Familie kommt, will tendenziell selbst nur ein Kind. Wer aus einer Familie mit zwei oder mehr Kindern kommt, wird zwei oder mehr Kinder wollen. Intuitiv wiederholen wir oft, was wir in unserer Herkunftsfamilie erlebt haben. Oder eben genau das Gegenteil. Waren wir kreuzunglücklich mit unseren Eltern, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir gar keine Kinder wollen. Menschen ohne Kinderwunsch sind diesbezüglich oft sehr entschieden, weil sie als Kind mit ihren eigenen Eltern unzufrieden waren. Dazu kommt, dass es bis heute in den meisten gesellschaftlichen Bereichen keinerlei positive Unterstützung für Elternschaft gibt. Frauen geraten beruflich rasch ins Abseits, wenn sie Kinder bekommen. Aber auch Männer haben oft extreme Konsequenzen zu fürchten, wenn sie Ihre Elternschaft ernst nehmen. Das reicht von Mobbing bis dahin, dass sie beruflich den Anschluss verlieren oder sogar entlassen werden. Arbeitszeiten von 60 Stunden pro Woche sind in vielen Berufen ganz normal. Ein Bekannter von mir ist Richter im Staatsdienst, er kann ohne Probleme Elternzeit nehmen. Wäre er Jurist in einer Unternehmensberatung, sähe das anders aus: Nach seiner Elternzeit bräuchte er dort gar nicht mehr zu erscheinen. Solange das so ist und gesellschaftlich akzeptiert wird, dass Arbeitgeber Eltern ohne negative Folgen diskriminieren können, werden es sich Paare sehr gut überlegen, ob sie ein zweites oder gar drittes Kind bekommen."

Geraten Eltern in einen Zwiespalt zwischen dem Idealbild der Familie und der Realität?

"Paare machen sich heutzutage oft auch enormen Druck, was den zeitlichen und materiellen Aufwand für ihr Kind betrifft. Ich habe vor Kurzem ein Paar beraten, das völlig überschuldet war. Die beiden gaben jeden Monat 100 Euro aus – bloß, um Eis essen zu gehen. Sie waren der Meinung, ihr Kind brauche, um glücklich zu sein, jedes Mal nach der Kita ein Eis. Der Druck, wie eine glückliche Kindheit materiell auszusehen hat, ist in unserer Kultur enorm. Und auch bezüglich des Zeitaufwandes, den es bedeutet, Kinder zu haben, setzen sich viele Eltern unter Druck: Ein Kind zu haben erfordert heute gefühlt dreimal so viel Zeit, wie drei Kinder zu haben zur Zeit meiner Großeltern. Wie sieht es dann erst mit zwei oder drei Kindern aus?"

Was raten Sie Paaren, die bezüglich des Kinderwunsches wirklich unterschiedliche Haltungen haben, sich aber nicht einfach trennen wollen?

"Die wichtigste Voraussetzung, um zu einer Lösung zu kommen, ist, was ich in meinen Beratungen 'Vitamin V' nenne, also gegenseitiges Verständnis. Was viele nicht begreifen: Für etwas Verständnis zu haben, heißt nicht, damit einverstanden zu sein. Aber beide Seiten erhalten dadurch eine Vorstellung davon, wie der andere tickt und welche Motive er für seine Entscheidung hat. Paare dürfen die Kinderfrage besprechen, aber nicht diskutieren. Denn das würde den Versuch bedeuten, die Gegenseite zu widerlegen. Keiner möchte, dass seine Position als schlecht, moralisch verwerflich oder auch nur als irrational dargestellt wird. Dadurch fühlt er sich im Zweifelsfall nur angegriffen und macht dicht. Neugier ist also wichtig und die Bereitschaft, den anderen verstehen zu wollen. Wir wissen ja, dass es kein halbes Kind gibt. Aber auch an eine solche Ja-Nein-Entscheidung kann man konfrontativ herangehen oder eben mit gegenseitigem Verständnis."

Was würden Sie einem Mann raten, dessen Frau sich, ohne sein Wissen oder ohne sein Einverständnis, für ein zweites Kind entschieden hat, indem sie die Pille weggelassen hat?

"Ein Vertrauensbruch wie dieser ist für eine Partnerschaft, vorsichtig gesagt, schwierig. Bei der Frage 'Bekommen wir noch ein Kind oder nicht?' sollte sich ein Paar grundsätzlich einig sein. Allerdings muss man sagen, dass die Zahl der ungeplanten – und letztlich dennoch gewollten – Kinder unheimlich hoch ist. Wir reden da von Zahlen zwischen 20 und 30 Prozent. Diese Kinder kommen zur Welt, weil es sich einfach so ergeben hat, aus welchen Gründen auch immer. Aber grundsätzlich sollte bei der Frage 'Zweites Kind – ja oder nein?' nicht einer allein die Entscheidung treffen. Das halte ich, auch mit Blick auf die weitere Beziehung, für sehr unklug."

Bleibt die Frage nach einem zweiten Kind für Paare letztlich ein unauflösbarer Konflikt?

"Nein, wenn beide Seiten in der Lage sind, zu verstehen, wie der jeweils andere tickt, entsteht häufig doch Raum für Verhandlung. Verhärtete Positionen in Paarbeziehungen führen eigentlich immer dazu, dass sich der Blick auf Lösungen verschließt. Dann wird alles nur noch schwarz-weiß wahrgenommen. Viel hilfreicher ist die Frage: Was bräuchte derjenige, der kein zweites Kind möchte, um sich umentscheiden zu können? Vielleicht kann das Paar ja beruflich etwas ändern? Oder die Eltern sorgen für zusätzliche Unterstützung, indem sie zum Beispiel in die Nähe der Großeltern ziehen? Insofern halte ich die Frage nach einem zweiten Kinderwunsch nicht für unlösbar."

Fazit: Eins oder zwei oder ...?

Bleibt es beim Einzelkind? Oder kommt noch ein Geschwisterchen? "Klar ist: Recht haben kann keiner", sagt Paarberater Christian Thiel. "Ein Nein ist ein Nein. Das ist zu respektieren – egal ob vom Mann oder der Frau."