- "Wechselmodell“ – was genau ist das?
- Welche Vorteile bietet das Wechselmodell?
- Hat das Wechselmodell auch Nachteile?
- Wann ist ein Wechselmodell sinnvoll und möglich?
- Wie wirkt sich das Wechselmodell auf das Kind aus?
- Wie gelingt die Kommunikation mit meiner Ex und dem Kind?
- Wer entscheidet über das Wechselmodell?
- Muss der Vater beim Wechselmodell weiterhin Unterhalt zahlen?
- Fazit: Das Wechselmodell ist eine echte Alternative
Nur weil man als Paar gescheitert ist, muss das nicht heißen, dass man auch als Vater verloren hat. Weiterhin gemeinsam die Kinder erziehen, aber getrennt Wege gehen, ist möglich. Vorausgesetzt, man entscheidet sich nach der Trennung für das Wechselmodell. Das weiß auch die Mediatorin und Rechtsanwältin Isabell Lütkehaus aus Berlin, die gemeinsam mit dem Coach Thomas Matthäus einen Ratgeber mit dem Titel "Umgang im Wechselmodell. Eine Familie, zwei Zuhause: Gleichberechtigte Eltern bleiben nach Trennung und Scheidung" veröffentlicht hat. Was unter dem Begriff "Wechselmodell" genau zu verstehen hat und wie’s im Alltag funktioniert, erklärt sie hier.
"Wechselmodell“ – was genau ist das?
"Von Wechselmodell oder Doppelresidenz sprechen wir, wenn beide Eltern nach der Trennung die Kinder nahezu hälftig in Alltag und Freizeit betreuen, die Kinder also zwei gleichwertige Zuhause haben“, sagt Lütkehaus. Im Gegensatz dazu steht das klassische Residenzmodell, bei dem das Kind lediglich oder vorwiegend bei einem Elternteil wohnt. "Unklar wird die Abgrenzung des Wechselmodells zum erweiterten Residenzmodell, wenn die Kinder bei einem Elternteil öfter sind, mit dem anderen aber nicht nur Wochenenden, sondern auch weitere Alltagszeit verbringen, so zum Beispiel jede zweite Woche Donnerstag bis Dienstag.
Welche Vorteile bietet das Wechselmodell?
Lütkehaus hebt hervor, dass die Kinder beim Wechselmodell weiterhin mit beiden Elternteilen abwechselnd zusammenleben und sie in ihrem Tagesablauf kein Elternteil verlieren. Für Eltern bedeutet das Wechselmodell auch gelebte Gleichberechtigung: "Beide haben einen vergleichbaren Freiraum, sich beruflich zu engagieren; beide können Familie und Beruf ähnlich miteinander vereinbaren, sie haben kinderfreie Zeit, die sie anderweitig nutzen können sowie intensive Alltagszeit mit ihren Kindern.“
Hat das Wechselmodell auch Nachteile?
Natürlich gehen mit dem Wechselmodell auch einige Nachteile einher. Lütkehaus gibt zu bedenken, dass spätestens, wenn die Kinder schulpflichtig sind, das Wechselmodell nur praktikabel ist, wenn die Eltern nicht allzu weit voneinander entfernt wohnen. Insofern schränkt das Wechselmodell den Bewegungsradius der getrennten Eltern ein. Die Expertin führt aus: "Durch die zwei Zuhause bedeutet das Wechselmodell mehr Organisationsaufwand, es muss überlegt werden, was doppelt angeschafft wird und was mit dem Kind mitwandert. Beide Eltern müssen außerdem in ihren Wohnungen Kinderzimmer einrichten, ein zusätzlicher Kostenfaktor, den aber letztlich auch die meisten Wochenend-Eltern auf sich nehmen. Und noch mehr als bei allen anderen Umgangsmodellen müssen sich Eltern häufiger absprechen, Alltagsfragen wie Arztbesuche und Hausaufgaben müssen koordiniert werden. Dies bringt einen höheren Bedarf an Kommunikation und Kooperation mit sich, was allerdings bei allen Umgangsmodellen hilfreich ist für Eltern und Kinder.“
Wann ist ein Wechselmodell sinnvoll und möglich?
Lütkehaus ist der Meinung, dass das Wechselmodell immer dann möglich ist, wenn die Kinder gute Beziehungen zu beiden Eltern haben und diese sich gleichermaßen engagieren möchten. Eine weitere Bedingung ist, dass die Eltern nicht allzu weit voneinander entfernt wohnen. Weiter führt sie aus: "Vorteilhaft ist es zudem, wenn sich beide Elternteile gut verstehen und viel miteinander kommunizieren. Werden Verletzungen, Ängste und Sorgen thematisiert und werden die finanziellen Aspekte gut gelöst, dann kann der Weg geebnet werden für kooperative Elternschaft, auch im Alltag.“
Wie wirkt sich das Wechselmodell auf das Kind aus?
Laut Expertin bedeutet das Wechselmodell für Kinder folgendes: "Sie behalten beide Eltern gleichermaßen in Alltag und Freizeit, kein Elternteil fällt große Teile der Zeit weg, die Beziehung zu beiden bleibt erhalten und wird regelmäßig gelebt. Kinder erleben, dass beide Eltern weiterhin für sie da sind, und trotz Trennung gut miteinander kooperieren. Sie bekommen zwei gleichwertige Zuhause, in denen sie sich idealerweise wohl und geborgen fühlen.“ Viele Kinder empfinden dies als Bereicherung. Das belegen auch Studien, wie beispielsweise eine durchgeführte Metastudie aus den USA im Jahr 2017. Diese zeigt, dass es Kindern im Durchschnitt im Wechselmodell besser geht als im Residenzmodell, bei dem das Kind maßgeblich bei nur einem Elternteil wohnt. Lütkehaus weist aber auch darauf hin, dass der Wechsel als anstrengend erlebt werden kann. Dies hängt unter anderem von Alter und Persönlichkeit ab sowie von weiteren individuellen Umständen.
Wie gelingt die Kommunikation mit meiner Ex und dem Kind?
Die Expertin rät Eltern, sich frühzeitig zusammenzusetzen und alle anstehenden Punkte, wie zum Beispiel Umgangs - und Erziehungsfragen sowie finanzielle Aspekte zu regeln. Ein weiterer Tipp von der Mediatorin ist folgender: "Väter können Mütter etwaige Ängste nehmen, die Kinder zu verlieren und die Vorteile des Wechselmodells aufzeigen, nämlich die Kooperation auf Augenhöhe und hälftige Entlastung im Alltag, was Freiraum schafft, für berufliche, aber auch private Aktivitäten. Merken Väter, dass eine konstruktive Kommunikation kurz nach einer möglicherweise schmerzhaften Trennung erschwert ist, dann können sie Mediation vorschlagen.“ Weiter sagt die Expertin vor: "Sofern Spielraum da ist, können Väter finanzielle Angebote machen, um Müttern die Übergangszeit zu erleichtern, zum Beispiel länger als drei Jahre Betreuungsunterhalt zu bezahlen, oder Kindesunterhalt zu leisten, unabhängig davon, ob ein Gericht bei der paritätischen Betreuung hier einen Anspruch darauf sehen würde."
Wer entscheidet über das Wechselmodell?
"Diese Frage lässt sich nicht so ohne Weiteres beantworten, weil es in Deutschland keine gesetzliche Regelung für das Wechselmodell gibt. Insofern gibt es auch keine Anspruchsgrundlage, die automatisch greift.“ Lütkehaus rät: "Idealerweise entscheiden die Eltern eigenverantwortlich und gemeinsam über ihre Familiensituation nach der Trennung. Sollte dies aktuell nicht möglich sein, dann kann der Rechtsweg gewählt werden. Gerichte entscheiden entsprechend dem Kindeswohl, wobei ein zentraler Aspekt die Kontinuität ist, also wie die Betreuung vor der Trennung zwischen den Eltern verteilt war.“
Muss der Vater beim Wechselmodell weiterhin Unterhalt zahlen?
"Auch hierauf gibt es keine klare und einfache Antwort, weil das Unterhaltsrecht, wie fast das gesamte Familienrecht, schon recht alt ist und das Wechselmodell nicht mitgedacht, sondern an zahlreichen Stellen unausgesprochen vom Residenzmodell ausgegangen wird. Also davon, dass ein Elternteil (früher meist die Mutter) überwiegend betreut und der andere Elternteil (früher meist der Vater) vor allem zahlt. Betreuen beide Eltern gleichermaßen, passt die Idee des Betreuungsunterhaltes, einer Ausgleichszahlung für den hauptbetreuenden Elternteil von kleinen Kindern, der weniger arbeiten kann, nicht. Väter, die sich das Wechselmodell wünschen und finanzielle Spielräume haben, können wie oben beschrieben dennoch vorübergehende Unterstützung anbieten, um die Übergangszeit zu erleichtern.
Ein Anspruch auf Kindesunterhalt kann auch bei der paritätischen Betreuung bestehen, wenn die Einkommen der Eltern sehr weit auseinanderliegen. Unabhängig von einem etwaigen Anspruch, den ein Familiengericht sehen würde, können Eltern im Rahmen einer Mediation gemeinsam die Kosten auflisten und zusammen überlegen, wer was übernehmen kann und mag. Vielen Eltern fällt es einfacher, bestimmte Aktivitäten ihres Kindes zu finanzieren statt einfach nur einen Geldbetrag an den/die Ex zu überweisen. In einem geschützten Raum können außerdem Ängste und Sorgen offengelegt werden, wodurch vermieden werden kann, dass eine Mutter das Wechselmodell unter anderem auch aus dem Grund ablehnt, weil sie auf finanzielle Unterstützung zumindest vorübergehend angewiesen ist und bei paritätischer Betreuung ihren Anspruch auf Kindesunterhalt gefährdet sieht.
Fazit: Das Wechselmodell ist eine echte Alternative
Das Kind nur jedes zweite Wochenende für ein paar Tage von der Mutter abholen? Das muss nicht sein. Schließlich möchten Väter genauso am Leben der Kinder teilhaben. Die Umsetzung des Wechselmodells ist in Deutschland allerdings bisher noch eher selten. Doch die Vorteile dieser Art des Zusammenlebens liegen erwiesenermaßen auf der Hand. Sowohl für das Kind als auch für den Vater und die Mutter kann es schön sein, Freiraum zu haben, aber gleichzeitig auch eine enge Beziehung zueinander beizubehalten. Das Wechselmodell ist damit eine echte Alternative zum häufig praktizierten Residenzmodell. Väter aufgepasst: Es gibt also auch andere Möglichkeiten. Sprich am besten frühzeitig mit deinem Ex-Partner und den Kids darüber.