Bedeutung von Vätern bei der Geburt
So wichtig ist es, dass der Mann im Kreißsaal und im Wochenbett dabei ist

Klar, bei einer Geburt stehen Mutter und Kind im Zentrum des Geschehens. Das ist unbestritten. Ebenso, dass der Vater nicht außen vorstehen darf. Die Gründe und wo es noch hapert mit der Väter-Beteiligung
Natürlich stehen bei der Geburt Mutter und Kind im Mittelpunkt, aber auch der Vater sollte nicht außenvorstehen
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Paare gehen gleichberechtigt in den Kreißsaal und kommen als Familie der 1960er-Jahre wieder nach Hause. Diesen Satz hört man häufig, dabei hätten es viele frisch gebackene Familien gerne anders: Die überwiegende Mehrheit der jungen Männer und Frauen wünscht sich eine partnerschaftliche Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Care-Arbeit. Warum die Basis dafür schon bei der Geburtshilfe gelegt wird, erklärt Hans-Georg Nelles aus Düsseldorf, Vorsitzender der LAG Väterarbeit in NRW, der sich seit mehr als 25 Jahren beruflich mit dem Thema Väter, Elternzeit und Vereinbarkeit beschäftigt. Plus: Aus welchen Gründen die Anwesenheit des Vaters während der Geburt noch wichtig ist.

Werdende Väter sind oftmals schlecht vorbereitet

Die Entscheidung, Vater zu werden, ist heute in den meisten Fällen eine bewusste. Auch wenn der Zeitpunkt nicht genau festgelegt werden kann und von vielen Männern und Frauen weit in die 30er-Jahre hinausgeschoben wird. In Anbetracht dieser Vorlaufzeit ist es verwunderlich, dass der Vorbereitung aufs Vaterwerden und -sein so wenig Bedeutung zugemessen wird, zumal es bei Frauen ganz anders verläuft: Sobald eine Frau schwanger wird, greift ein engmaschiges Netz von Schutzvorschriften im beruflichen Umfeld und Angebote zur Geburtsvorbereitung sind selbstverständlich und werden von Krankenkassen finanziert.

Bei den werdenden Vätern sucht man Vergleichbares vergeblich. Viele Arbeitgebende erfahren erst bei der Änderung von steuerlichen Eckdaten, dass jemand Vater geworden ist (und da Kinder zunehmend außerhalb einer Ehe geboren werden, noch nicht einmal dadurch). Auch Angebote für Väter, sich auf die Geburt ihres Kindes vorzubereiten, sind noch die Ausnahme. Gewiss, man kann gemeinsam mit seiner Partnerin einen Geburtsvorbereitungskurs besuchen und erhält wertvolle Infos zu medizinischen Abläufen und dem Geburtsgeschehen, aber die eigenen Gedanken und Befürchtungen zur Sprache zu bringen und sich mit anderen werdenden Vätern auszutauschen, ist in diesem Rahmen oft nicht möglich. Es fehlt ein flächendeckendes Angebot, das von Krankenkassen finanziert wird. Derweilen muss die Ratgeberliteratur diese Lücke füllen, etwa das Buch "Vater werden: dein Weg zum Kind" von Nicola Schmidt und Klaus Althoff, das du hier bestellen kannst.

Väter werden bei der Geburt selten mitgedacht

Mutter, Kind und Hebamme (bzw. Arzt oder Ärztin) - mit dieser Triade wird das Geburtsgeschehen in der Regel beschrieben. Dass die werdende Mutter und das Kind im Mittelpunkt stehen, ist selbstverständlich – aber ohne den Vater ist das System unvollständig. Diese Ausgrenzung setzt sich vielfach in der nachgeburtlichen Betreuung fort, was zum Beispiel auch Hanna Rettig, Julia Schröder und Maren Zeller in einem Fachartikel über Familienhebammen anmerken. "Familie wird so zu einer weiblichen Sorgebeziehung, die sich sowohl über Mutterschaft als auch über Großmutterschaft nachzeichnen lässt: Familienhebammen werden zu Mütterhebammen", schreiben die drei Autorinnen.

Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, wenn Paare, die mit der Vorstellung einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung in den Kreißsaal gehen, diesen mit traditionellen Rollenzuschreibungen wieder verlassen. Eine gute Vorbereitung auf diese Situation und der Austausch unter Vätern könnte dagegen dazu beitragen, die Wirkungen dieser "Ernährerfalle" zu minimieren.

Auch Väter sind wichtig für die Gesundheit von Mutter und Kind

Unabhängig von der Gleichberechtigung gibt es aber noch weitere Gründe, die für eine stärkere Einziehung der Väter sprechen: So hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf der Grundlage internationaler Forschungsergebnisse, die die Zusammenhänge zwischen Verhalten, Erfahrungen, Einstellungen und Merkmale von werdenden und frisch gebackenen Vätern und der Gesundheit von Mutter und Kind aufzeigen, zehn Empfehlungen zu Maßnahmen der Gesundheitsförderung von Müttern und Neugeborenen formuliert. Eine davon ist die Einbeziehung von Vätern.

Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und Neugeborene zu verbessern und den Einsatz qualifizierter Vorsorge für Frauen und Neugeborene während der Schwangerschaft, der Entbindung sowie in der postnatalen Periode zu erleichtern. Das ist gut und wichtig, beschreibt die Rolle der Väter und ihrer Kompetenzen, insbesondere mit Blick auf die Vater-Kind-Bindung, aber natürlich nur unzureichend.

Warum Väter weder Assistent, Beifahrer noch Babysitter sind

Auch in dem schon im Jahr 2016 auf 136 Seiten ausformuliertem "Nationalen Gesundheitsziel gesunde Geburt" der Bundesregierung wird die Einbeziehung von Vätern an verschiedenen Stellen erwähnt. Unter anderem heißt es dort "Väter bzw. Partnerinnen und Partner sollen dazu ermutigt werden, sich von Anfang an in der Babyversorgung zu engagieren und einen eigenen positiven Stil im Umgang mit dem Neugeborenen zu finden".

Obwohl also alles dafür spricht, (werdende) Väter rechtzeitig einzubeziehen und als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten, werden sie hierzulande häufig immer noch als "Assistenten", "Beifahrer" oder "Babysitter" betrachtet. Die Rolle, die sie während der Geburt wahrnehmen können, ist für ihre Partnerin da zu sein, den neuen Lebensabschnitt gemeinsam zu beginnen und von Anfang an als Vater präsent zu sein. Dabei erleben sie sich vielfach in einer völlig ungewohnten Situation: Sie haben keine Kontrolle über das Geschehen und die Macht der Gefühle führt sie vielfach emotional an ihre Grenzen. Das Vertrauen in die Kompetenzen des geburtshilflichen Teams und ihr Wissen um die natürlichen Abläufe sind in diesen Momenten gute Stützen.

Noch nicht allen klar: die Bedeutung von Vätern

Väter sind wichtig, von Anfang an. Und zwar von dem Moment an, an dem ein Paar Eltern werden möchte. Die partnerschaftliche Zuwendung der Väter während der Schwangerschaft einerseits und die Zuschreibung väterlicher Bedeutung und Kompetenzen andererseits, lange vor der Geburt, sind mitentscheidend für väterliches Engagement.

Wenn Väter diese Bedeutung dann während der Geburt und unmittelbar danach gerade auch im Kontakt mit ihrem Kind erfahren können, sind weitere wichtige Weichenstellungen erfolgt. Wie Väter auf diese Situation vorbereitet werden können und welche Rolle die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist schon 2014 in einer von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung veröffentlichten Broschüre benannt worden.

Ein entscheidender Faktor dabei ist die Haltung des geburtshilflichen Teams gegenüber dem Vater und seine aktive Einbeziehung. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den Momenten, in dem es mal nicht nach Plan läuft, was aber auch völlig normal ist.

Fazit: Väter gehören mehr in den Fokus

Um werdende und frisch gebackenen Vätern und Müttern die Verwirklichung ihres Wunsches nach einer gleichberechtigten Aufgabenteilung zu ermöglichen, braucht es, neben den äußeren, passenden Rahmenbedingungen wie der Vaterschaftsfreistellung, ausreichend Angebote, sich vor und nach der Geburt mit den oben genannten Themen auseinanderzusetzen. Und zwar an Orten und zu Anlässen, die Väter und Mütter ohnehin gemeinsam oder getrennt aufsuchen und nutzen. Die Geburtsvorbereitung gehört in jedem Fall dazu. Es braucht aber neben den Hebammen weitere (männliche) Akteure und Angebote für Väter, vor allem für die Zeit nach der Geburt. Damit dies Wirklichkeit werden kann, kommt es darauf an, Väter so zu empowern, dass sie ihre Bedürfnisse artikulieren und entsprechende Angebote einfordern. Vielleicht kann dieser Artikel einen kleinen Teil dazu beitragen.