Glutenfreie Lebensmittel
Warum eine glutenfreie Ernährung Sie nicht schlank macht

Immer mehr Menschen greifen zu glutenfreien Lebensmitteln, weil man so angeblich leichter abnimmt. Ein teurer Irrtum!
Helfen glutenfreie Lebensmittel wirklich beim Abnehmen?
Foto: enciktat / Shutterstock.com

In Supermärkten gibt es mittlerweile extra-Regale speziell für Lebensmittel mit der Beschriftung "ohne Gluten". Nudeln, Brot, Kuchen – alle typischen Weizenprodukte gibt's "frei von". Und die Leute greifen zu – denn der Markt an glutenfreien Lebensmittel boomt wie nie. Dabei muss nur etwa 1 Prozent der Menschen in Deutschland auf Grund der Autoimmunkrankheit Zöliakie auf Gluten verzichten, 1-3 Prozent wegen einer Weizenallergie und 5-10 Prozent Weizensensitivität. Diese wird aber nicht durch Gluten, sondern durch andere Weizenproteine ausgelöst. 2016 ernährten sich 7 Prozent der Deutschen nach eigenen Angaben glutenfrei, deutlich mehr als die Zahl der Zöliakie-Kranken oder Menschen mit einer Überempfindlichkeit gegen Weizen. Wieso? Alles fehlinformierte Weizen-Sensitive? Bevor wir diese Frage klären, wobei es sich bei Gluten überhaupt handelt: 

Was ist Gluten eigentlich genau?

Gluten gehört zu den Proteinen (auch unter dem Namen "Klebereiweiß" bekannt) und ist in Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern, Dinkel und allen daraus hergestellten Produkten enthalten. Es gibt Teig Elastizität und schließt Wasser ein, dadurch bleibt Gebäck länger frisch. Bei den Zöliakie-Kranken löst Gluten jedoch eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus – das setzt eine Kettenreaktion in Gang: Krämpfe, Blähungen, Durchfall, Verstopfung und Rückbildung der Darmzotten, so dass am Ende nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden. Auch Hautveränderungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit und depressive Verstimmungen können Symptome der nicht entdeckten Krankheit sein. Die Zöliakie ist zwar nicht heilbar, allerdings gibt es auch eine gute Nachricht: Bei Verzicht auf Gluten verschwinden zumindest die Symptome.

Warum sollte man auf Gluten verzichten? 

Gluten wird immer mehr verteufelt und von den Tellern verbannt. Doch Gluten wirklich "böse"? – © Nailia Schwarz / Shutterstock.com

Neben Erkrankten gibt es eine große Gruppe, die ohne Not freiwillig auf Gluten verzichtet – aus unterschiedlichen Gründen: Wer auf Gluten verzichtet, fühlt sich angeblich besser und fitter, kann mehr sportliche Erfolgen verbuchen und soagr Gewicht reduzieren. Hintergrund ist der Gedanke, dass Gluten erst seit kurzer Zeit überhaupt auf dem Speiseplan des Menschen steht und er sich evolutionär noch nicht daran gewöhnen konnte. "In Wirklichkeit sind Weizen und Gluten nur für Personen mit einem der genannten Krankheitsbilder schlecht", so Professor Detlef Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie und Dünndarmerkrankungen am Universitätsklinikum Mainz. "Leider gibt es nur wenige Experten, die hier eine sichere Diagnose stellen können."

Mitverantwortlich für diesen "Glutenfrei-Boom" sind Spitzensportler wie der Tennis-Crack Novak Djokovic, der in seinem Buch "Siegernahrung" (Riva, um 17 Euro) beschreibt, wie er seinen Speiseplan umstellte und anschließend 4 von 5 Grand-Slam-Titeln holte. Für eine aktuelle Studie der australischen University of Tasmania zum Thema Gluten wurden 910 Athleten befragt: 41 Prozent, darunter 18 Weltmeister und Olympiasieger, ernähren sich teilweise oder komplett glutenfrei. Aber nur bei 13 Prozent wurde die Diagnose "Glutenunverträglichkeit" gestellt.

Nimmt man leichter ab, wenn man sich glutenfrei ernährt?

Durchs Gluten-Verzichten Fett vernichten? Nein, ganz so einfach ist es leider nicht – © Shutterstock.com  

Das man durch den Verzicht auf Gluten Gewicht verlieren soll, ist für die meisten Menschen der Hauptgrund sich glutenfrei zu ernähren. Dem Ganzen liegt jedoch ein Denkfehler zu Grunde: Das Problem ist nämlich nicht das Gluten an sich, sondern vielmehr die (verarbeiteten) Lebensmittel, in denen Gluten größtenteils steckt, wie Brot, Bier, Burger, Pizza und Pasta – die klassischen Dickmacher also. "Generell haben Weizenprodukte mehr ungünstige Eigenschaften, je stärker sie verarbeitet und verfeinert sind“, sagt Experte Schuppan. Wer solche Lebensmittel also gegen ihre glutenfreien Zwillinge tauscht, lädt sich genauso viele Kalorien auf die Hüften – zu einem um 30 bis 50 Prozent höheren Preis.

Gleiches gilt bei glutenfreien Süßigkeiten. Gesünder sind die nicht, sie sind einfach nur für Zöliakie-Kranke geeignet. Eine im „American Journal of Gastroenterology“ vorgestellte Studie kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Glutenfreiheit keine Abnehmgarantie darstellt: 81 Prozent einer Gruppe, die sich 2 Jahre glutenfrei ernährte, haben in dieser Zeit dennoch an Gewicht zugelegt.Etwas anderes passiert bei komplettem Verzicht auf die genannten Dickmacher, ob mit oder ohne Gluten: Wer sich auf unverarbeitete Lebensmittel wie Früchte, Gemüse, braunen Reis, Nüsse und Samen beschränkt  und diese mit proteinreichen Lebensmitteln wie Eiern, Fleisch, Fisch und Milchprodukten kombiniert, wird langfristig abnehmen. Wer mit Gluten Probleme hat, kann außerdem auf andere Getreidesorten ausweichen. Quinoa, Buchweizen & Co. (siehe links) sind zwar nicht unbedingt gesünder, aber immerhin bringt mehr Abwechslung beim Getreide öfter mal unterschiedliche Nährstoffprofile auf den Teller. Das kann sicher nie schaden.

Alternativen: Glutenfreies (Pseudo-)Getreide

Lecker: Quinoa-Salat mit Gemüse – und ganz ohne Gluten – © losangela/ Shutterstock.com 

Auch wenn Sie nicht aus gesundheitlichen Gründen auf Gluten verzichten müssen, lohnt es sich, die 6 Sorten hier mal zu probieren. Sie strotzen nur so vor gesunden Stoffen – und sind zudem echt lecker: 

  1. QUINOA: Das Pseudogetreide ist in seiner Heimat Südamerika ein Grundnahrungsmittel. Es ist nicht nur proteinreich, sondern enthält alle essenziellen Aminosäuren, Calcium und Omega-3-Fettsäuren.
  2. BUCHWEIZEN: Mit 10 Prozent Protein liegt auch der aus Russland stammende Buchweizen weit vorn. Außerdem sind Kalium, Eisen, Magnesium und die Vitamine B1, B2 und E in beachtlichen Mengen enthalten.
  3. AMARANTH: Die kleinen Körner sind weicher als Quinoa und können auch als Brei gegessen werden. Sie sind proteinreich, enthalten reichlichBallaststoffe und die Omega-3- Fettsäure Alpha-Linolensäure.
  4. TEFF: Dieser afrikanische Vertreter ist weniger bekannt. Ist als Mehl, in Flocken oder Körnern erhältlich. Schmeckt süß und salzig als Brot, Brei, Suppe, Bratling und enthält Eisen, Ballaststoffe, Kieselsäure.
  5. HIRSE: Hirse ist so etwas wie die große Schwester von Teff. Sie eignet sich für Bratlinge, macht sich aber auch gut in Risotto, Pfannkuchen, Brei und Aufläufen. Enthält viel Silicium, Eisen, Fluor, B-Vitamine.
  6. REIS: Man unterscheidet insgesamt rund 8000 Sorten Reis. Der weiße enthält deutlich weniger Vitamine und Mineralstoffe als die Variante aus vollem Korn. Für Abwechslung im Speiseplan sorgt Wildreis. 

Fazit: Glutenfrei ist nicht automatisch gesund

Um sich in Form zu bringen, verzichten viele auf verarbeitete Kohlenhydrate aus Brot, Nudeln und anderem – und umgehen somit automatisch Gluten. Aber bringt das auch was für Hobby- sportler? Klar, es klingt sehr reizvoll, einfach eine Sache vom Speiseplan zu streichen und dann abzunehmen. So leicht ist es aber leider nicht. Es bedeutet, die Ernährung zu einem großen Teil umzustellen, und das ist gar nicht so einfach. Zudem ist ein gemischter Salat mit Feta oder Putenbrust in jedem Fall gesünder als eine Pizza – auch wenn die Letztere kein Gluten enthält. Das Wichtigste ist: Frisch und unverarbeitet sollten Ihre Nahrungsmittel sein. Verzichten Sie deshalb nicht auf Gluten, sondern lieber auf raffinierte Kohlenhydrate. Nudeln, Brot und Kuchen bleiben nämlich Kalorienbomben — mit oder ohne Gluten.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 20.09.2023