Dass Fett am Bauch gefährlicher ist als am Hintern, hat sich herumgesprochen. Doch nun haben Experten ihre Warnung vor der Wampe konkretisiert: Ab 102 Zentimeter Taillenumfang steigt bei Männern das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes stark an, und zwar unabhängig vom Body-Mass-Index (BMI), der bisher als Indikator herhielt. Professor Hans Hauner Leiter des Zentrums für Ernährungsmedizin der TU München erklärt, was Sie beachten müssen:
Wieso sind gerade 102 Zentimeter die Risiko-Grenze?
Langzeitstudien haben gezeigt, dass das Gesundheitsrisiko kontinuierlich mit dem Bauchumfang steigt. Bereits ab 94 Zentimeter – bei Frauen ab 80 Zentimeter – ist es leicht erhöht. Doch ab 102 Zentimeter – bei Frauen 88 – ist das Risiko 3-mal so hoch wie bei schlanken Menschen. Deshalb hat man sich in Expertenrunden auf diese Zahl als Grenzwert geeinigt. Sie ist so krumm, weil sie auf US-Studien basiert, die mit dem amerikanischen Längenmaß Inch gearbeitet haben.
Aber 102 Zentimeter sind an schmalen Typen doch sicher anders zu beurteilen als an breiteren. Wäre deshalb das Verhältnis von Taille zu Hüfte nicht ein besseres Maß?
Ja, schon. Das hat man früher auch getan, aber die Messungen sind zu anfällig für Fehler. Selbst Experten haben an unterschiedlichen Stellen gemessen, so dass es für diesen Quotienten kaum vergleichbare Studien gibt. Dagegen ist die Datenlage nur für den Taillenumfang sehr gut.
Wie misst man den Taillenumfang korrekt?
Man markiert an der Körperseite den oberen Rand des Beckens und den unteren der Rippen. Das Maßband wird in der Mitte dazwischen angelegt. Man sollte im Spiegel kontrollieren, ob es wirklich waagerecht um den Rumpf läuft. Und nicht den Bauch einziehen!
Spielt es eine Rolle, ob man eine harte Wampe oder einen Schwabbelbauch hat?
Durchaus. Mit der Hand greifbares Fett liegt über der Bauchmuskulatur. Dieses Unterhautfettgewebe ist weniger gefährlich als das so genannte viszerale Fett, das sich unter der Muskulatur und in der Bauchhöhle befindet. Allerdings sollte man sich auch nichts vormachen: Wer einen Schwabbelbauch hat, der hat meistens auch zu viel viszerales Fett.
Was macht das Fett in der Bauchhöhle gefährlicher als Unterhautfettgewebe?
Es handelt sich um ein ganz anderes Gewebe. Es ist viel besser durchblutet, enthält mehr Nerven und ist dadurch deutlich stoffwechselaktiver. So reagiert es empfindlicher auf Stresshormone und gibt unter Anspannung Fettsäuren ins Blut ab. Das und weitere Effekte auf den Stoffwechsel begünstigen Arteriosklerose und andere Folgeerkrankungen.
Bei Frauen wird Fett an Beinen und Po als Energiereserve für Schwangerschaft und Stillzeit angelegt. Hat das Bauchfett bei den Männern auch so eine besondere Aufgabe?
Es baut sich schnell auf und ab und ist somit am leichtesten als mobile Energiereserve verfügbar. Das ist wichtig, um bei Gefahr genug für die Muskulatur zu haben. Wenn jedoch Fettsäuren freigesetzt werden, dann müssen sie durch Bewegung verbraucht werden, sonst belasten sie den Körper.
Wird man das Bauchfett beim Abnehmen am schnellsten los?
Ja. Deshalb senken auch wenige Kilogramm Gewichtsverlust schon das Krankheitsrisiko – selbst bei sehr dicken Menschen.
Kann man also den BMI vergessen?
Nein, für die Beurteilung des Gewichts hat er weiterhin seine Bedeutung. Doch im Vergleich ist der Bauchumfang offenbar der bessere Wert zur Ermittlung des Herz-Kreislauf-Risikos, vor allem bei mäßigem Übergewicht.
Derzeit werden Hoffnungen hinsichtlich des neuen Appetitzüglers Rimonabant geschürt, der Mitte 2006 auf den Markt kommen soll. Teilen Sie die Zuversicht?
Im Grunde genommen ja. Die bisherigen Studienergebnisse sehen ganz gut aus. Es wird zwar betont, dass Rimonabant vor allem das Bauchfett angreift, aber das ist ja immer so, wenn jemand abnimmt. Ob es darüber hinaus noch eine Wirkung hat, ist noch nicht ausreichend belegt. Aber immerhin: Im Durchschnitt nehmen die Patienten mit diesem Appetitzügler 4 bis 6 Kilo mehr ab als durch ein Sport- und Ernährungsprogramm allein.
Dann werden Ärzte künftig wohl häufiger Tabletten verschreiben, oder?
Das Medikament darf der Arzt nur verschreiben, um eine Änderung des Lebensstils zu unterstützen. Bei bequemen Patienten, die den Arzt um Tabletten bitten, damit sie an ihrer Lebensweise nichts ändern müssen, wirken sie nicht so gut.
Interview: Kirsten Segler