Mehr Verständnis füreinander entwickeln
Warum Mütter und Väter öfter mal die Rollen tauschen sollten

Kein Witz! Comedian Moritz Neumeier hat in der Pandemie mit seiner Frau die Rollen getauscht und blieb zu Hause bei seinen drei kleinen Kindern. Dabei machte er zwei Entdeckungen
Warum Mütter und Väter öfter mal die Rollen tauschen sollten
© Getty Images
In diesem Artikel:
  • Wie habt ihr euch Erziehung und Care-Arbeit bisher aufgeteilt? Und was hat sich mit der Pandemie geändert?
  • Wie waren deine ersten Woche in deiner neuen Rolle als Hausmann und Vollzeitvater?
  • Gibt es einen Unterschied, wie du jetzt und deine Frau früher den Haushalt geführt und die Kinder betreut habt?
  • In deinem neuen Buch gehst du auch auf Mental Load ein – wann hast du davon das erste Mal gehört?
  • Hast du diese mentale Last als Vollzeitvater stark gespürt?
  • Apropos Mütter: Wie geht es deiner Frau eigentlich im Moment?
  • Wie sieht deine Lösung aus, das Mental-Load-Problem in den Griff zu bekommen?
  • Was ist dein Resümee nach deiner Zeit als Hausmann?
  • Fazit: Rollentausch ist die beste Entscheidung, die eine Familie treffen kann

Die Berliner Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin, sagte zu Beginn der Pandemie voraus, Frauen würden "eine entsetzliche Retraditionalisierung" erfahren, also auf ihr Dasein als Hausfrau und Mutter reduziert werden. Etliche Studien, die in den Monaten darauf erschienen, gaben ihr Recht, so zum Beispiel eine Untersuchung des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung. Das es auch anders geht, zeigt das Beispiel von Moritz Neumeier, Vater von drei kleinen Kindern. 15 Jahre lang war der Stand-up-Comedian mit Bühnenprogrammen in ganz Deutschland unterwegs, dann kam Corona und entzog ihm seine Arbeitsgrundlage. Kurzerhand vollzogen er und seine Frau einen Rollenwechsel. Wie dieser von statten ging und was der Buchautor („Urlaub trotz Kindern“) daraus gelernt hat, erzählt er im Interview.

Wie habt ihr euch Erziehung und Care-Arbeit bisher aufgeteilt? Und was hat sich mit der Pandemie geändert?

"Ehrlich gesagt, hatten wir das vor der Pandemie nicht besonders gerecht aufgeteilt. Es war eher das klassische Modell: Ich als Mann ging arbeiten, meine Frau blieb zu Hause. Sie hat zwar nebenbei studiert, aber nach jedem Kind, das kam, hat sie automatisch ein Jahr Pause gemacht. Und da ich meine Termine als Bühnenkünstler anderthalb Jahre lang vorher schon festlegen muss, musste sie ihre Vorlesungen an der Uni immer meinem Tourplan anpassen - das war natürlich nervig für sie. Klar haben wir immer wieder über dieses Thema gesprochen, so nach dem Motto 'Wir müssten mal das anders aufteilen und fünfzig-fünfzig machen'. Aber umgesetzt haben wir das nie. Keine Ahnung, ob das vielleicht auch an unserer Prägung lag, dass wir beide so erzogen wurden, dass eine Frau eher zurücksteckt, wenn es darum geht, dem Mann das Arbeiten zu ermöglichen. In der Pandemie hat das dann ziemlich krass gewechselt, weil ich auf einmal arbeitslos war. Ich hatte einfach keinen Job mehr, den ich ausüben konnte, zumindest nicht so richtig. Und das war der perfekte Zeitpunkt, um zu sagen: 'Okay, wir machen, dass jetzt andersrum und ich bleibe zu Hause.' Wir hatten genug Geld gespart und so war es tatsächlich möglich, dass sie Vollzeit studiert hat, 40 bis 60 Stunden die Woche, und ich zu Hause mit den Kindern war."

PR (Dominic_Reichenbach)
Hausmann und Comedian Moritz Neumeier

Wie waren deine ersten Woche in deiner neuen Rolle als Hausmann und Vollzeitvater?

"Die ersten Wochen waren für alle anstrengend. Für mich deswegen, weil ich mich vorher nicht in dieser Intensität um meine Kinder gekümmert habe. Und wenn doch, dann nicht als einzige Ansprechperson. Dann war ich zwar zu Hause, aber meine Frau auch und wir haben uns alles aufgeteilt. Das war dann tatsächlich fünfzig-fünfzig. Aber ich habe nie über so einen langen Zeitraum hinweg zu hundert Prozent alles gemacht und das war eine krasse Umstellung. Auch für die Kinder, die durch die ganzen Jahre, die meine Frau eigentlich immer zur Verfügung stand, sich daran gewöhnt hatten, dass sie die erste Ansprechpartnerin ist. Das war natürlich auch eine Umgewöhnung für meine Frau. Für sie war es auch mega komisch, sich nicht um die Kinder zu kümmern, sondern zu arbeiten und die Zeit zu vermissen, die sie sonst mit den Kindern hatte."

Gibt es einen Unterschied, wie du jetzt und deine Frau früher den Haushalt geführt und die Kinder betreut habt?

"Dadurch, dass ich monatelang den Haushalt selbst gemacht habe, achte ich auf viele Sachen jetzt einfach ganz automatisch. So was wie Kühlschrank auswischen. Ja, den wische ich einfach zwischendurch aus, weil ich weiß: Ja klar, das muss halt einfach auch gemacht werden. Na gut, Fensterputzen mache ich immer noch nicht. Das ist die furchtbarste Aufgabe aller Zeiten, vor allem kann ich das einfach nicht. Ich kriege es einfach nicht hin, es sind immer Streifen da und das macht mich so aggressiv, dass ich das einfach gelassen habe. Aber ja, ich habe dann, als ich angefangen habe den Haushalt alleine zu machen, gemerkt wie viele Sachen ich vorher nicht gemacht habe, weil ich sie einfach nie gemacht habe und sie deshalb auch einfach nie auf dem Schirm hatte - das hat sich eindeutig geändert."

In deinem neuen Buch gehst du auch auf Mental Load ein – wann hast du davon das erste Mal gehört?

"Ich habe den Begriff Mental Load zum ersten Mal gehört, als ich mit meiner Frau darüber gesprochen habe, wie wir die Arbeit fifty-fifty aufteilen können. Da haben wir wirklich mal dezidiert geguckt, wer macht überhaupt was, wenn wir beide zu Hause sind. Wir haben schon eindeutig unsere Bereiche gehabt, in denen wir jeweils alleine den Großteil des Mental Loads hatten. Also ich eher auf der Seite von Organisation, Bürokrams und Geld und meine Frau sehr viel mehr beim Haushalt und bei den Kindern. Das ist hart, wenn man so eine Liste macht. Diese Liste ist ja am Ende des Tages der Mental Load - eine Liste, die immer im Hinterkopf ist und die man immer wieder checkt. Ich glaube, es hilft, wenn man gegenseitig sich mal diese Liste präsentiert, damit das der Gegenüber wertschätzen kann. Es ist ja viel mehr als das, was man sowieso schon aktiv sieht. Es passiert noch so viel mehr im Kopf des Partners."

Hast du diese mentale Last als Vollzeitvater stark gespürt?

"Ich glaube, alle Menschen haben einen Mental Load. Es gibt dieses Wort ja vor allem in Bezug auf Familie, aber auch im Job spürt man diesen Druck. Da nennt man es nur Stress und der wird eher von anderen wahrgenommen. Aber bei Menschen, die zu Hause mit den Kindern bleiben, da wird das nicht so schnell gesehen. Ich glaube, das ist der Unterschied. Natürlich haben Vollzeitväter das genauso wie Vollzeitmütter. Da würde ich jetzt keinen Unterschied machen."

Apropos Mütter: Wie geht es deiner Frau eigentlich im Moment?

"Im Moment ist es so, dass wir gerade umziehen, weil mein Sohn eingeschult wurde und wir uns eine Schule ausgesucht haben, die nicht da lag, wo wir gewohnt haben. Das heißt, wir sanieren gerade ein Haus. Ich bereite mich darauf vor, auf Tour zu gehen und meine Frau macht ein Urlaubssemester, damit sie bei den Kindern ist und sie auch das Gefühl hat, sie kann vernünftig an diesem Ort ankommen. Deswegen haben wir das jetzt so gemacht: Sie nimmt sich in ihrem Wintersemester frei, und ich arbeite in ihrem Wintersemester, danach studiert sie das Sommersemester und da wiederum nehme ich frei und mache quasi das Sommersemester zu Hause. Und ja, das ist jetzt quasi die nächste Variante, wir teilen das Jahr fünfzig-fünfzig auf."

Wie sieht deine Lösung aus, das Mental-Load-Problem in den Griff zu bekommen?

"Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Lösung gibt für das Mental-Load-Problem. Uns hat aber geholfen, die bereits erwähnten Listen einfach für den anderen sichtbar zu machen. Das man ausspricht, worüber man gerade nachdenkt und diese Listen wenigstens für den Moment zusammen bearbeiten kann. Wenn ich meine Liste vortrage, oder sie ihre, merkt der andere: 'Okay, du hast voll viel im Kopf.' Aber es gibt dann auch so ein paar Punkte, bei denen der Gegenüber sagt: 'Ach so, aber das kann ich doch machen, da brauchst du dir keine Gedanken zu machen.' Es gibt zum Beispiel Sachen, wo ich denke: 'Oh, ey, ich muss das noch machen, ich muss da noch anrufen' - und das stresst mich voll. Und meine Frau sagt dann, 'ja, das kann ich machen, ich ruf da kurz an, für mich ist das kein Ding.' Oder auch andersherum. Es hilft einfach, miteinander zu reden."

Was ist dein Resümee nach deiner Zeit als Hausmann?

"Mein Resümee als Hausmann ist, dass viele Leute unterschätzen, wie anstrengend das ist und wie fordernd und auch wie viel Aufwand es bedeutet, sich selbst nonstop zurückzustellen und wirklich den ganzen Tag nur für die Kinder da zu sein. Allein die Stupidität, in die man verfällt, weil man keinen erwachsenen Gesprächspartner hat, teilweise über Tage hinweg. Ich hatte vorher schon großen Respekt, dass meine Frau, wenn ich auf Tour bin, allein zuhause ist. Und jetzt habe ich doppelt so viel Respekt."

Podcast-Tipp: Moritz Neumeier war auch schon Gast bei den "Echten Papas", hier findest du das Gespräch:

Fazit: Rollentausch ist die beste Entscheidung, die eine Familie treffen kann

"Der Rollentausch war einer der besten Entscheidungen überhaupt, die wir als Familie getroffen haben", sagt Moritz Neumeier. "Weil es meine Bindung zu den Kindern extrem intensiviert hat, einfach mal für ein paar Monate lang der erste Ansprechpartner zu sein. Dann lernt man seine Kinder einfach noch mal ganz anders kennen. Und auch die Kinder haben mich noch einmal ganz anders kennengelernt.“ Beispiele hat der Comedian dafür auch: "Vorher haben die Kinder immer nach Mama gerufen, wenn sie sich wehgetan haben. Jetzt mussten sie nach 'Papa' rufen und irgendwann haben sie gemerkt: Okay, der kann das genauso gut. Das bringt dann auch noch mal eine neue Art von Vertrauen." Der Rollentausch hat aber auch ihm und seiner Frau viel gebracht. "Ich habe sehr viel Respekt dafür gewonnen, was sie macht", sagt er. "Anders herum übrigens auch. Wenn man immer zuhause ist, denkt man natürlich, es wäre so geil, jeden Tag weg zu sein. Und dann ist man jeden Tag weg und merkt: "Nee, weg zu sein ist nicht so geil wie zuhause zu sein." Auch dafür kann man Respekt entwickeln. Das jemand bereit ist, nicht da zu sein, wo man am liebsten sein möchte, nämlich bei seiner Familie, damit alle essen können, Kleidung haben und die Miete bezahlt werden kann. Also, ich glaube, es hilft, die Rollen mal zu tauschen und wenn es auch nur für ein Zeit lang ist. Und ich glaube, dass alle dran wachsen, zumindest war es bei uns der Fall."