Alle reden von der 4-Tage-Woche, aber wer macht's eigentlich? Carsten Meier zum Beispiel. Aber der Berliner, selbst Vater von zwei Söhnen und Mitgründer der Unternehmensberatung Intraprenör, hat mehr als nur praktische Erfahrung auf diesem Gebiet: In Zusammenarbeit mit 4 Day Week Global hat er die erste große Pilotstudie zur 4-Tage-Woche für Deutschland organisiert.
Im Interview mit Men's Health Dad erklärt der Experte, welchen Auswirkungen solche Arbeitszeiten auf die Rolle des berufstätigen Vaters haben können.
Was versteht man unter der 4-Tage-Woche? Wie funktioniert sie?
Bei der 4-Tage-Woche gibt es ganz unterschiedliche Modelle. Bei unserem Pilotprojekt von Intraprenör meint man mit 4-Tage-Woche eine Arbeitszeitverkürzung, das heißt, die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens arbeiten beispielsweise statt 40 Stunden 32 Stunden pro Woche bei gleichem Gehalt. Andere Unternehmen bieten das Modell einer verdichteten 4-Tage-Woche an. Hier verkürzt sich die Arbeitszeit nicht. Stattdessen werden die 40 Stunden pro Woche dann an 4 Tagen à 10 Stunden pro Tag gearbeitet. Grundsätzlich geht es bei der 4-Tage-Woche also darum, ein neues, alternatives Arbeitszeitmodell zu finden, das zu den Mitarbeiter:innen und zum Unternehmen passt.
Wie viele Stunden arbeitet man bei einer 4-Tage-Woche?
Da es ganz unterschiedliche Modelle der 4-Tage-Woche gibt, sind auch die Arbeitszeiten unterschiedlich. Die einen arbeiten verdichtet 40 Stunden an 4 Tagen und haben dafür einen ganzen Tag frei. Andere arbeiten pro Woche 32 Stunden. Wiederum andere haben eine 4½-Tage-Woche und haben jeden zweiten Freitag im Monat frei. Bei der 4-Tage-Woche geht es nicht um das eine Modell, um die eine Lösung. Vielmehr ist die 4-Tage-Woche ein Anstoß, darüber nachzudenken, wie eine bessere Arbeitswelt, eine verkürzte Arbeitszeit für Mitarbeiter:innen und Unternehmen positiv sowie hilfreich sein kann.
Wer kam auf die Idee der 4-Tage-Woche? Wann und in welchem Zusammenhang wurde das Arbeitszeitmodell das erste Mal angesprochen?
Wie viel Arbeitszeit die richtige ist, ist schon immer eine Frage, welche die Menschheit beschäftigt. Spannende Diskussionen um die richtige Arbeitszeit gab es, als die 5-Tage-Woche unter Henry Ford 1926 eingeführt wurde, mit 8 Stunden Arbeit pro Tag und samstags frei. Angesichts der fortschreitenden technologischen Entwicklung stellt sich immer wieder die Frage um die Reduzierung der Arbeitszeit. Bereits 1956 sagte Richard M. Nixon, damals amerikanischer Vize-Präsident, eine 4-Tage-Woche à 32 Stunden voraus. Microsoft-Gründer Bill Gates meinte 2023 im Podcast "What Now?" des südafrikanischen Comedians Trevor Noah, dass man zukünftig von einer 3-Tage-Woche ausgehen könnte, wenn man den technischen Fortschritt der KI bedenke. In Deutschland und Europa kam es in den letzten 10 bis 20 Jahren verstärkt zu Diskussion um die 4-Tage-Woche. Zum einen im Zusammenhang mit dem immer digitaleren Arbeiten, was neue Effizienzen schafft. Zum anderen angesichts des Fachkräftemangels. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften erfordert es, neue Arbeitszeitmodelle zu denken, um als Arbeitgeber attraktiver zu sein und die Mitarbeiter:innen langfristig an das Unternehmen zu binden.
Was sind die Vorteile bzw. positiven Auswirkungen einer 4-Tage-Woche?
Hier gibt es ganz unterschiedliche positive Aspekte. Aus Unternehmensperspektive zeigen Studien, dass Mitarbeiter:innen bei einer 4-Tage-Woche leichter für den Job zu gewinnen sind und dann auch loyaler sind, das heißt eine engere Bindung an das Unternehmen haben. Des Weiteren gibt es Daten, die zeigen, dass die Leistungsfähigkeit bzw. Produktivität der Arbeitnehmer:innen zumindest gleich bleibt oder sich sogar verbessert. Aus der Perspektive der Mitarbeiter:innen lässt sich nachweislich feststellen, dass eine 4-Tage-Woche zur Stressreduktion beitragen kann. Durch mehr arbeitsfreie Zeit oder zumindest andere Arbeitszeiteinteilung ist es leichter, mehr Gesundheit und einen höheren freizeitlichen Ausgleich in den Alltag zu bekommen. So kommt es zu weniger Krankheitsausfällen, Burn-out, die Menschen arbeiten sogar lieber. All dies ist wichtig, da die neue Arbeitswelt mit permanenter digitaler Erreichbarkeit die Menschen häufig müde macht und ihre mentale oder körperliche Gesundheit stark beansprucht. Laut Studien aus dem Ausland lässt eine 4-Tage-Woche Arbeiter:innen intensiver darüber nachdenken, wie sie mit ihrer freien Zeit umgehen, was zu bewussterem Konsum und mehr Nachhaltigkeit führt.
Hat die 4-Tage-Woche auch Nachteile?
Es gibt bei der 4-Tage-Woche auch Herausforderungen. Wenn man von dem Modell der verdichteten Arbeitszeit ausgeht, bei dem man an 4 Tagen 10 Stunden pro Tag arbeitet, kann dies auch mehr Druck und Stress bedeuten. Insgesamt macht man beim Arbeiten dann eventuell weniger Pausen und ist durch die erhöhte Arbeitszeit am Tag noch gestresster. Eine weitere Herausforderung stellt die Frage dar, ob eine 4-Tage-Woche zu allen Unternehmenstypen und zu allen Lebenswelten der Menschen passt. Für die einen ist es eventuell günstiger, 4 Tage zu arbeiten und einen ganzen freien Wochentag zu haben. Für andere passt das Arbeiten an 5 Tagen mit mehreren freien Nachmittagen besser.
Ist die 4-Tage-Woche ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell?
Hier kann ich von meinen eigenen Erfahrungen berichten. Ich bin selbst Unternehmer und unser Beratungsunternehmen Intraprenör arbeitet seit 7 Jahren nach einer 4-Tage-Woche mit 32 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Gehalt. Als wir das Modell in unserem Unternehmen eingeführt haben, hatte ich selbst noch keine Kinder. Ohne Kind ermöglicht eine 4-Tage-Woche, übers Wochenende länger wegzufahren, eine Freizeitaktivität intensiver auszuüben oder Amtstermine am freien Wochentag abzuarbeiten. Mit Kindern – meine beiden Söhne sind nun 2 und 5 Jahre alt – kann ich einen freien Freitag als Vater genießen, indem ich mich dann voll und ganz auf meine Vaterrolle konzentrieren kann und bewusst nicht bei der Arbeit bin. Ich kann die Kinder in die Kita bringen, sie abholen, den Nachmittag mit ihnen verbringen, gemeinsam mit meiner Frau das Familienleben organisieren sowie Alltagsbesorgungen wie Einkaufen erledigen, sodass ich diese nicht am Wochenende machen muss.
Es gibt auch Phasen in unserem Familienleben, da passt das Modell mit einem freien Tag nicht so und es ist besser, an 5 Tagen zu arbeiten und dafür an mehreren Nachmittagen frei zu haben. Generell würde ich also sagen: Ja, die 4-Tage-Woche ist ein familienfreundliches Arbeitszeitmodell. Bei der 4-Tage-Woche geht es, glaube ich, aber weniger um die Frage, ob dieses Modell zur Familie passt oder nicht. Sondern vielmehr darum, anzufangen, über neue Arbeitszeitmodelle nachzudenken und hierbei eine Individualisierung zu ermöglichen. Mitarbeiter:innen sollen selbst entscheiden können, in welcher Lebensphase welches Modell besser zu ihnen passt. Mehr Flexibilität benötigt eine andere Form von Arbeitszeit. Die Frage ist also, müssen es denn 40 Stunden sein, können es nicht auch andere Stundenanteile sein und wie kann ich sie so verteilen, dass es zu meinem Leben passt.
Welche positiven Veränderungen für das Familienleben gehen bei einem berufstätigen Vater mit einer 4-Tage-Woche einher?
Wenn ich eine reduzierte Arbeitszeit als Vater habe, dann bedeutet dies, dass ich mehr Zeit für Care-Arbeit habe. Somit ist positiv, dass ich bei einer 4-Tage-Woche als Vater präsenter sein kann, da ich mehr Zeit für meine Kinder habe. Insbesondere wenn man einen ganzen Wochentag freihat, dann ist man an diesem Tag nicht durch die Büroarbeit abgelenkt, sondern kann sich ganz und gar auf das Familienleben konzentrieren. Insgesamt erhöht sich somit das Verständnis für die Care-Arbeit bei den Vätern. Welche Kleidergröße brauchen meine Kinder? Was muss ich alles in die Tasche packen, wenn ich mit den Kindern aus dem Haus gehe? Mit solchen Fragen beschäftige ich mich eher, wenn ich als Vater mehr Zeit mit der Care-Arbeit verbringe. Bei verstärkter Care-Arbeit des Vaters birgt die 4-Tage-Woche auch das Potenzial, Mütter wieder leichter und schneller in die Arbeitswelt zu integrieren. So könnte die 4-Tage-Woche einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Fachkräftemangels leisten. Kurzgefasst, die 4-Tage-Woche kann helfen, die Rolle des Vaters zu stärken.
Wie stehen deutsche Unternehmen zur 4-Tage-Woche?
Aufgrund der wirtschaftlichen Lage stehen deutsche Unternehmen sehr gemischt dazu. Manche Branchen wie das Handwerk, soziale Berufe oder die Industrie stehen aufgrund des akuten Fachkräftemangels unter hohem Druck und sind daher enorm offen für eine 4-Tage-Woche, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. In den letzten Jahren fiel auf, dass auf den großen Jobportalen immer mehr Jobs ausgeschrieben werden, die eine 4-Tage-Woche anbieten. Es gibt aber auch andere Konzerne, die schon eigene Arbeitszeitkonzepte entwickelt haben und dem 4-Tage-Modell eventuell eher kritisch gegenüberstehen.
Was untersucht die Pilot-Studie zur 4-Tage-Woche von Intraprenör? Wie läuft sie ab?
Intraprenör führt diese Studie mit der wissenschaftlichen Unterstützung der Universität Münster durch. Mehrere Unternehmen haben sich beworben, um das 4-Tage-Modell für 6 Monate mit Begleitung zu testen. Seit Februar testen 45 deutsche Unternehmen, wie das Modell bei ihnen ankommt und umsetzbar ist. Im Vergleich zu Studien im Ausland versuchen wir stark, harte Daten bzw. Fakten zu erheben. Neben schriftlichen Umfragen gibt es Interviewserien. Viele Mitarbeiter:innen haben einen Fitnesstracker erhalten, um das Stresslevel und Schlafempfinden bei einer 4-Tage-Woche zu messen.
Fazit: vier gewinnt!
"Ich könnte es mir gar nicht mehr vorstellen, nicht nach einer 4-Tage-Woche zu arbeiten", sagt unser Experte Carsten Meier. Denn die 4-Tage-Woche ist ein Arbeitszeitmodell, das sich positiv auf das Familienleben auswirken kann. Also frage doch einfach mal bei deinem Unternehmen nach, ob die Möglichkeit einer 4-Tage-Woche besteht. Mit etwas Verhandlungsgeschick und Engagement ist die Personalabteilung ja vielleicht offen für ein solches Arbeitszeitmodell, das Buch "4-Tage-Woche" unterstützt dich dabei mit Argumenten. Und wenn's nicht klappt, stößt du zumindest die Debatte zu familienfreundlichen und flexibleren Arbeitszeiten an. Viel Erfolg!