In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten, dennoch ist sie für viele deutsche Paare bereits Lebensrealität, denn sie sind dank Leihmutterschaft im Ausland Eltern geworden.
Weltweit gibt es sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen, in denen eine Leihmutterschaft stattfindet. So machen rechtliche, ethische und soziale Aspekte diesen Weg zur Familie insgesamt sehr komplex, und Leihmutterschaft wird häufig nicht in seiner Vollständigkeit betrachtet. Das wollen wir hier ändern.
Welche Formen der Leihmutterschaft gibt es?
Zunächst ist Leihmutterschaft ein reproduktives Verfahren, bei dem eine Frau, die sogenannte Leihmutter, ein Kind für eine andere Person oder ein Paar austrägt und nach der Geburt an diese(s) übergibt. Die Leihmutter verpflichtet sich dabei in der Regel dazu, auf alle Elternrechte zu verzichten, sodass die Wunscheltern die rechtlichen Eltern des Kindes werden.
"Es gibt zwei Formen der Leihmutterschaft, die in der Regel nach der biologischen Verbindung zwischen der Leihmutter, dem Kind und den Wunscheltern unterschieden werden", erklärt Tobias Devooght, der zusammen mit seinem Ehemann Dennis zwei Kinder hat, die von einer Leihmutter ausgetragen wurden und der auf dem Instagram-Account @dads.kids.miracles vom Familienalltag mit zwei Kids berichtet und ungewollt kinderlosen Paaren Mut macht und ihnen Unterstützung anbietet.
So sehen die beiden Formen der Leihmutterschaft aus:
- Bei der traditionellen Leihmutterschaft wird die Eizelle der Leihmutter verwendet, wodurch sie biologisch mit dem Kind verwandt ist.
- Bei einer gestationalen Leihmutterschaft, die hauptsächlich zum Einsatz kommt, wird die Eizelle einer anderen Frau (zum Beispiel der Wunschmutter oder einer Spenderin) befruchtet und dann eingesetzt. Somit hat die Leihmutter keine genetische Verbindung zum Kind.
Wie wird eine Leihmutterschaft in die Wege geleitet?
Der Prozess der Leihmutterschaft kann in mehrere Schritte unterteilt werden und erfolgt meist mit Unterstützung durch Agenturen in medizinischen, rechtlichen und sozialen Fragen. "Agenturen bringen Wunscheltern und eine Leihmutter zusammen und begleiten alle Beteiligten vor und während der Schwangerschaft bis zur Geburt des Kindes", erklärt Tobias Devooght. "Wenn eine Frau entscheidet, Leihmutter zu werden, also ein Kind für jemand Drittes auszutragen, prüfen Agenturen in der Regel die Motivation, die sozialen Verhältnisse, ihr Umfeld und ihre medizinische Eignung in Bezug auf den Verlauf der eigenen Schwangerschaft."
Die Vorgehensweise bei der "Vermittlung" kann je nach Land, in dem die Leihmutterschaft stattfindet und je nach Agentur sehr unterschiedlich aussehen, beispielsweise ob die Leihmutter die Wunscheltern, für die sie sich bereit erklärt, ein Kind auszutragen, auswählt oder die Wunscheltern die Leihmutter aussuchen. "Letztlich ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen und frei entscheiden, ob sie den Weg gemeinsam gehen möchten", sagt Devooght, der auch Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins VFLLD ist, einem Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft.
Was passiert, wenn eine Leihmutter gefunden ist?
Gibt es ein sogenanntes "Match", wird ein umfassender rechtlicher Vertrag geschlossen, der die Rechte und Pflichten, aber auch Erwartungen beider Parteien, der Leihmutter und Wunscheltern, absichert. Dies umfasst die Regelung der rechtlichen Elternschaft und finanzielle sowie medizinische Aspekte. Zum Verständnis aller Inhalte und Klarheit über die rechtliche Vereinbarung werden alle Beteiligten durch Anwälte rechtlich beraten und betreut.
Nach Unterzeichnung der rechtlichen Vereinbarung beginnt das medizinische Verfahren, das sehr ähnlich zum Ablauf einer Kinderwunschbehandlung ist. Die Leihmutter wird medizinisch, durch eine hormonelle Behandlung, auf das Einsetzen des Embryos, der meist über künstliche Befruchtung (Invitrobefruchtung) entstanden ist, vorbereitet und es erfolgt der Transfer des Embryos in die Gebärmutter.
Podcast-Tipp: Unser Experte Tobias Devooght und sein Mann Dennis waren auch schon mal zu Gast in unserem Podcast, hier geht es zum Gespräch:
Wie geht es bei einer Leihmutter-Schwangerschaft weiter?
Wird die Leihmutter schwanger, ist das der Übergang, nach der sehr sachlichen Anfangsphase des gesamten Prozesses, in eine emotionalere Beziehung zueinander. Wunscheltern und Leihmutter erleben die Schwangerschaft gemeinsam, bis das Kind im gewünschten Fall in Anwesenheit der Wunscheltern zur Welt kommt und die Leihmutter ihnen ihr kleines Wunder schenkt. "Für unsere Leihmütter war dieser Moment ein ganz besonderer, denn sie hatten unseren Kindern für neun Monate ein vorübergehendes Zuhause gegeben und freuten sich, dass wir nun das Glück einer Familie, wie sie es auch haben, ebenfalls erleben dürfen", erzählt Devooght, dessen Kinder Halbgeschwister sind, denn sie sind über die Eizellspenderin, die sich die Devooghts als biologische Mutter ihrer Kinder ausgewählt haben, verbunden.
"Wir haben uns bewusst für einen transparenten und rechtlich sicheren aber auch ethisch gut geregelten Ablauf der Leihmutterschaft in den USA entschieden. Durch die jahrelange Erfahrung mit Leihmutterschaft in den USA hatten wir außerdem großes Vertrauen, dass unsere Leihmütter eigenverantwortlich mit uns diesen besonderen Weg gehen" sagt Devooght rückblickend, denn ihm und seinem Mann war und ist es sehr wichtig, mit ihren Kindern ehrlich und vollkommen frei über ihre Entstehungsgeschichte sprechen zu können.
Welche Länder kommen für eine Leihmutterschaft in Frage?
Während einige Länder die Leihmutterschaft legalisieren und regulieren, ist sie in anderen verboten. "Neben rechtlichen Aspekten, sollte unserer Ansicht nach der gesamte Prozess von Respekt, Wertschätzung und einem starken Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen geprägt sein", sagt Devooght. Betrachtet man die Regelungen in verschiedenen Ländern, in denen Leihmutterschaft erlaubt ist, wird oft zwischen den Konzepten der altruistischen und kommerziellen Leihmutterschaft unterschieden.
In den USA ist Leihmutterschaft in den meisten Bundesstaaten mit leicht variierenden Regelungen legal, sowohl altruistisch als auch kommerziell. Kommerzielle Leihmutterschaft bedeutet, dass die Leihmutter eine finanzielle Kompensation für die Einschränkungen sowie medizinischen Risiken während der Schwangerschaft als Wertschätzung erhält.
Die Ukraine, Georgien und Russland, aber auch Mexiko, Kolumbien und Länder in Südafrika erlauben ebenfalls unter bestimmten Bedingungen diese kommerzielle Form der Leihmutterschaft. In Kanada wiederum ist nur die altruistische Leihmutterschaft erlaubt. Das Konzept der altruistischen Leihmutterschaft, bei dem die Leihmutter keine Entschädigung erhalten darf, ist auch in Australien, Dänemark, Irland, im Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Israel mit teils komplexen rechtlichen Regelungen erlaubt. In Ländern wie Frankreich, Österreich und Deutschland ist hingegen jede Form der Leihmutterschaft verboten.
Wie sind die rechtlichen Möglichkeiten von Leihmutterschaft in Deutschland?
In Deutschland ist Leihmutterschaft nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) verboten. Es ist untersagt, Embryonen bei einer Frau einzusetzen, die bereit ist, das Kind nach der Geburt an Dritte abzugeben. Verstöße können strafrechtlich verfolgt werden.
Zudem verbietet das Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) die Vermittlung von Leihmutterschaften. Auch die kommerzielle Werbung für Leihmutterschaft ist nicht gestattet. Wunscheltern, die in anderen Ländern eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen, können Schwierigkeiten haben, die rechtliche Elternschaft in Deutschland anzuerkennen. Oftmals müssen sie das Kind zunächst adoptieren.
Ist Leihmutterschaft gesellschaftlich vertretbar?
Leihmutterschaft wird aus ethischen, sozialen und medizinischen Gründen kritisiert. Besonders in Ländern mit schwachen sozialen und wirtschaftlichen Schutzmaßnahmen wird argumentiert, dass Frauen ihren Körper "verkaufen". Die Kommerzialisierung führe dazu, dass insbesondere in ärmeren Ländern die Hauptmotivation finanziell geleitet ist und Frauen aufgrund sozialer Ungleichheit ausgebeutet werden. Es werden auch Schlagworte wie Menschenwürde und Kinderhandel immer wieder angeführt.
Ethische Argumente sind häufig auch religiös geprägt und kritisieren die "Trennung" von Mutterschaft - biologisch, genetisch, sozial - und psychologische Auswirkungen auf die Leihmutter und das Kind. Hinzukommt eine rechtliche Unsicherheit im gesamten Prozess und insbesondere in Bezug auf die Anerkennung der Elternschaft im Heimatland. Medizinische Risiken für die Leihmutter und das Kind, die oftmals mit den Gesundheitsrisiken der künstlichen Befruchtung verallgemeinert in Verbindung gebracht werden, würden marginalisiert und stünden nicht ausreichend im Fokus zum Wohle der Gesundheit dieser. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren eigenen Körper entscheiden zu dürfen wird ebenfalls sehr unterschiedlich betrachtet, ähnlich wie in der Abtreibungsdiskussion.

Tobias und Dennis Devooght mit ihren beiden Kindern Summer und Jaden
"Wenn eine Frau freiwillig und selbstbestimmt entscheidet, Leihmutter zu sein, sollte selbstverständlich eine Aufklärung zu medizinischen Risiken aller Beteiligten verpflichtend sein. Eine Prüfung sozialer und wirtschaftlicher Aspekte ist in jedem Fall notwendig und eine klare rechtliche Regelung ist als umfassende Sicherheit zu gewährleisten, damit Leihmutterschaft auf Augenhöhe stattfinden kann und alle Beteiligten in einer respektvollen und wertschätzenden Beziehung zueinander stehen", sagt Devooght.
Für ungewollt kinderlose Paare bietet Leihmutterschaft eine Möglichkeit, eigene Familie zu gründen. So hat die letzte Bundesregierung eine Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eingesetzt, die im April 2023 ihren Abschlussbericht vorlegte, der die Grundlage für zukünftige politische und gesellschaftliche Diskussionen in Deutschland bietet. So sollen Informationsbarrieren und Stigmatisierung durch Beratung und Aufklärung abgebaut werden und altruistische Leihmutterschaft könnte unter engen gesetzlichen Rahmenbedingungen erlaubt werden.
Fazit: Leihmutterschaft muss raus aus der Tabuzone
Leihmutterschaft bleibt ein vielschichtiges Thema. Sie ist eine Möglichkeit der Familiengründung für ungewollt kinderlose Paare und ist in keiner Weise nur ein, wie oftmals politisch instrumentalisiert, ein Weg ausschließlich für homosexuelle Paare. Leihmutterschaft stellt für viele Menschen eine vielversprechende Möglichkeit dar, den Traum vom Elternsein zu verwirklichen, allerdings bringt sie auch Herausforderungen mit sich, die eine klare Regelung erfordern. Obwohl es in Deutschland nach wie vor als Tabu-Thema gilt, ist Leihmutterschaft bereits Lebensrealität für viele deutsche Paare. Deshalb muss Leihmutterschaft auch in Deutschland als Möglichkeit der Familiengründung wahrgenommen werden und in Zukunft nach ethischen Wertevorstellungen sowie rechtlichen und medizinischen Maßstäben in Deutschland geregelt werden.