Lernen ohne Stress: So habt ihr nie mehr Zoff wegen Hausaufgaben

Lernen ohne Stress
Nie mehr Zoff wegen der Hausaufgaben

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ArtikeldatumZuletzt aktualisiert am 10.09.2025
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Ein kleiner Junge sitzt angestrengt über einem Schulbuch, im Hintergrund sieht man einen verzweifelten Vater
Foto: Shutterstock.com / New Africa

Wenn Hausaufgaben zur täglichen Zerreißprobe werden und Kinder schon in der Grundschule die Lust am Lernen verlieren, leidet darunter die gesamte Familie. "Doch das muss nicht sein", sagt die Hamburger Lern- und Elterncoach Trixi Tumert, die den Gerne-Lerner-Campus gegründet hat und gerade ein Buch zu dem Thema veröffentlicht hat: "Lernen ohne Streit: Wie dein Kind selbstständig lernt – und du entspannt loslassen kannst."

In ihrer Arbeit verbindet sie Erfahrungen aus verschiedenen Schulsystemen mit einem neuen Blick aufs Lernen. Im Interview mit Men's Health Dad erklärt sie, warum Eltern anders auf Schule blicken sollten und warum nicht Kontrolle, sondern Beziehung der Schlüssel zum Lernen ohne Streit ist.

Ihr Buch heißt "Lernen ohne Streit". Warum sorgen Hausaufgaben oder das Lernen für eine Klassenarbeit überhaupt für Konflikte in der Familie?

Konflikte entstehen immer dann, wenn zwei Interessen aufeinandertreffen. Auf der einen Seite stehen die Eltern, die das Beste für ihr Kind möchten – einen guten Schulabschluss, damit ihm alle Türen offen stehen. Auf der anderen Seite steht vielleicht das Kind, das sagt: "Ja, Lernen ist toll, aber nicht gerade in der Schule und schon gar nicht das Thema, was da gemacht wird." Problematisch wird es auch, wenn wir Eltern mit unseren eigenen Glaubenssätzen aus der Schulzeit konfrontiert werden: "Du musst leisten, dann bist du gut." Die Kinder wollen dieses Spiel aber nicht mehr mitmachen – übrigens aus gutem Grund. Sie halten uns Eltern unbewusst den Spiegel vor und wollen ihren eigenen Weg gehen.

Welche typischen Fehler machen Eltern bei der Unterstützung ihrer Kinder – vielleicht auch ohne böse Absicht?

Die meisten Eltern, mit denen ich zu tun habe, meinen es gut mit ihren Kindern und handeln aus tiefster Liebe. Trotzdem kann auch dabei einiges schieflaufen. Zum Beispiel dadurch, dass sie ihren Kindern alles abnehmen. Sie kontrollieren Hausaufgaben, erklären Mathe, planen Lernphasen. Dabei lernen Kinder nicht, selbst Verantwortung zu übernehmen. Oder Eltern übertragen ihre eigenen Ängste – etwa vor dem Zu-spät-Kommen – auf das Kind. Wichtig ist: Eltern sollten sich selbst hinterfragen. Passt mein Verhalten zu dem, was ich mir eigentlich für mein Kind wünsche?

Wann beginnen diese Konflikte rundum das Lernen?

Das hängt stark von der Persönlichkeit des Kindes ab. Wenn Kinder klein sind, feuern wir sie noch an: "Das schaffst du!" Wenn sie hinfallen, helfen wir ihnen wieder auf. Sobald das Kind aber in die Schule kommt, sind Fehler plötzlich tabu. Dann müssen sie in dem System Schule einwandfrei funktionieren und in eine Norm reinpassen. Das geht nicht lange gut. Kinder wollen irgendwann ihren eigenen Weg gehen und nicht ihren Eltern folgen. Wann dieses Auflehnen beginnt, ist ganz unterschiedlich, manchmal schon in der Grundschule, manchmal erst in der Pubertät.

Wie viel Unterstützung brauchen Kinder in der Grundschule? Sollte man sich daneben setzen und Hausaufgaben kontrollieren?

Das kommt erstmal auf die Bedürfnisse des Kindes an. Manche Kinder brauchen die Nähe der Eltern, andere arbeiten besser allein. Das gilt es herauszufinden – am besten, indem man das Kind fragt: "Wie kannst du am besten lernen?" Ganz wichtig: Ein Begleiter ist kein Hilfslehrer. Wenn wir alle Fehler korrigieren, lernt das Kind vor allem, dass Fehler schlecht sind. Dabei gehören Fehler zum Lernen dazu! In der Schule wird immer darauf geschaut, was falsch gelaufen ist. Da dürfen wir Eltern eine ganz andere Haltung einnehmen. Auch die eigenen Kapazitäten spielen eine Rolle. Wenn wir gestresst von der Arbeit kommen und uns mit vollem Kopf zu den Hausaufgaben setzen, überträgt sich die Unruhe auf das Kind – dann ist der Streit quasi vorprogrammiert.

Wie viel Freiheit kann man Kindern beim Lernen zutrauen?

Zutrauen ist das Wichtige. Aber was bedeutet Vertrauen? Bedeutet es, dass das Kind das macht, wie ich es möchte? Oder bedeutet es, dass ich mir sicher bin, dass mein Kind seinen Weg findet? Manche Kinder brauchen engere Führung, andere nicht. Wichtig ist die Beziehung: Wenn ein Kind Angst hat, Fehler zu machen oder um Hilfe zu bitten, weil es oft gehört hat "Das müsstest du doch schon können", dann wird es zu uns nicht kommen. Dann denken wir, wir müssen den Druck erhöhen – aber das Gegenteil ist der Fall. Je mehr das Kind spürt, dass die Eltern da sind und ihm vertrauen, desto weiter können die Grenzen geöffnet werden.

Wie wird und bleibt man eine schulische Vertrauensperson für sein Kind?

Wenn Eltern sagen "Du kannst immer zu mir kommen, wenn du ein Problem hast", das Kind dann aber mit einer schlechten Note kommt und die Reaktion ist "Aber du hast doch gelernt! Hast du es nicht verstanden?" – dann passt das nicht zusammen. Oder wenn wir uns bei einem Konflikt automatisch auf die Seite der Lehrer stellen, ohne vorher zu fragen: "Erzähl mal, wie ist das aus deiner Sicht passiert?" Oft haben Kinder das Gefühl, sie stehen auf der einen Seite und Lehrer und Eltern auf der anderen. Wichtig ist, erst mal die Seite des Kindes zu sehen und die Gefühle zu akzeptieren. Wenn ein Kind sagt "Ich habe Angst vor der Klassenarbeit", hilft ein "Brauchst du nicht" überhaupt nicht. Besser ist: "Erzähl mal, warum hast du die Angst? Was würde dir helfen?" Eltern sind auch keine Hilfslehrer. Wenn die Kinder von sich aus fragen "Kannst du mir das mal erklären?", kann man gerne helfen. Schwieriger wird es, wenn wir sagen "Wir setzen uns jetzt hin und du lernst das mit mir."

Darf ich als Elternteil auch mal sagen: "Mein Kind konnte heute keine Hausaufgaben machen"?

Natürlich! Wenn ich sehe, dass mein Kind völlig fertig aus der Schule kommt und die Hausaufgaben nur mit maximalem Druck funktionieren würden, muss ich es nicht mit der Brechstange zum Lernen zwingen. Auch das hat etwas mit Vertrauen zu tun. Ich bin auch kein Freund davon, wenn ein Kind den Fünferturm beim Einmaleins schon kann, aber noch zwei Seiten rechnen muss. Dann darf man der Lehrkraft sagen: "Ich finde es prima, dass Sie die Möglichkeit zum Üben geben, aber mein Kind kann das schon. Wir haben entschieden, dass es das nicht machen muss, bevor es keinen Bock mehr auf Lernen hat."

Haben Sie Ratschläge für Eltern, deren Kinder in die Grundschule oder die weiterführende Schule kommen?

Seid der sichere Hafen, nicht der Antreiber. Interessiert euch ehrlich für euer Kind, fragt nach, hört zu. "Sag mal, was war heute anstrengend? Erzähl mal, was war heute los? Worüber hast du dich besonders gefreut?" Und die Angst vor Fehlern nehmen: "Was war heute dein bester Fehler?" Dann vielleicht von eigenen Fehlern erzählen und was man daraus gelernt hat. Und vor allem: Vertraut darauf, dass euer Kind seinen Weg gehen wird – auch wenn es nicht eurer ist – gerade, aber nicht nur in der Grundschule.

Wie wichtig ist der Kontakt zu den Lehrern?

Sehr wichtig! Wir sind ein Dreiergespann: Lehrer, Kinder und Eltern. Wenn Eltern sagen "Das Schulsystem ist blöd, die Lehrer sind doof", ist klar, dass das Kind nicht gerne in die Schule geht. Ich finde es super, wenn man ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Lehrkräften hat und sich austauscht. Bei meinem Sohn hatte ich mal nach einer Fünf gefragt: "Gibt es Handlungsbedarf für mich?" Die Lehrerin sagte: "Nee, das war ein Ausreißer, das passt schon." Wichtig ist die gleiche offene Haltung wie beim Kind: Der Lehrer wird wissen, was er macht. Dann unterhalten wir uns und gleichen ab: Passt das? Ich bin nicht dafür, alles blind zu übernehmen, aber auch nicht dafür, alles zu kritisieren.

Wie kann man Kindern vermitteln, dass Lernen Spaß macht?

Es gibt genügend Beispiele im Alltag, wo das Kind gerne lernt: sich mit der Freundin vertragen, etwas Neues backen, einen Fußballtrick, Klavier. Wichtig ist, die Erfolge zu sehen – nicht die Zensur, sondern den Prozess. Man kann mit dem Kind reflektieren: "Was weißt du heute, was du gestern nicht wusstest? Was hast du dafür gebraucht?" Auch bei Computerspielen: Die Kinder sind super in Minecraft oder beim Pokémon-Karten-Auswendiglernen. Ein Junge sagte mir: "Ich kann kreativ sein, meine Ideen einbringen, bin mit Freunden zusammen, wir feiern Erfolge." Das sind drei Sachen, die man auch in den Alltag bringen kann.

Fazit: Auch Papa kann bei den Hausaufgaben noch viel lernen

"Wichtig ist zu verstehen: Lernen hat nicht nur mit Schule zu tun", sagt Lern- und Elterncoach Trixi Tumert. "Es passiert auch in der Schule, aber eben nicht nur dort." Schreib dir das in dein Hausaufgabenheftchen.