Scheidung entschieden? So sagt ihr den Kindern am besten, dass ihr euch trennt

Scheidung ansprechen
Wie sagen wir den Kindern, dass wir uns trennen?

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Veröffentlicht am 04.06.2025
Mutter und Vater sitzen auf dem Sofa und trösten ihre traurige Tochter
Foto: Shutterstock.com / La Famiglia

Aus! Schluss! Vorbei! Eine Trennung ist schmerzhaft und oftmals kompliziert, besonders wenn Kinder im Spiel sind. Das erste Mal tut es wahrscheinlich so richtig weh, wenn man die Kinder in die Entscheidung einbezieht. Aber kann man eigentlich etwas falsch (oder richtig) machen, wenn man es den Kindern sagt? Und wie würde das optimale Gespräch ablaufen?

Die Bestsellerautorin Nicola Schmidt ("Trennung ohne Drama") weiß, was den Kindern in diesem Moment gut tut und welche Fehler Eltern lieber vermeiden sollten. Im Interview mit Men's Health Dad verrät sie ihre besten Tipps.

Was ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, um es den Kindern zu sagen?

Zunächst mal möchte ich allen Eltern Folgendes ans Herz legen: Sagen Sie es den Kindern erst, wenn Sie es entschieden haben. Also nicht, wenn Sie es nur überlegen. Das würde in Kindern große Ängste und eine große Unsicherheit auslösen. Bevor Eltern mit der für Kinder wirklich einschneidenden Nachricht zu ihren Kindern gehen, sollten sie sich erst einmal darüber klar geworden sein, was sie wollen und wie sie es umsetzen wollen. Erst, wenn der erste Krisenmoment vorbei ist, sich der Eifer des Gefechts gelegt hat, sollte man es den Kindern sagen. Es ist nie gut, Dinge im Affekt zu verkünden, sei es in der Trauer oder Wut.

Braucht es einen besonderen Rahmen dafür? Oder sollte nicht zu viel Aufhebens darum gemacht werden?

Kinder bekommen weniger Stress, wenn man ihnen Dinge in einer entspannten Atmosphäre verkündet. Alles, was Drama erzeugt, macht den Stress nur noch größer, deshalb ist es besser, wenn man dafür einen bekannten Rahmen wählt. Die Entscheidung kann zum Beispiel bei einem normalen Familienritual berichtet werden, nicht unbedingt, wenn am nächsten Tag die Schule ansteht oder gar eine Arbeit geschrieben wird. Das Wochenende eignet sich besser dafür, eine eh ritualisierte Familienkonferenz oder das gemeinsame Abendessen.

Nicht immer zieht direkt jemand nach der Trennung aus! Dann merken Kinder ja vielleicht erst einmal gar nicht, dass man sich getrennt hat – oder merken sie es doch und man sollte es lieber gleich sagen, bevor sie sich in ihrer Fantasie etwas ausmalen?

Kinder merken mehr, als man denkt, und ganz oft ahnen sie ja schon, dass eine Trennung ansteht. Wenn es für die Eltern klar ist, dass man sich trennt, sollte man es sagen und nicht weiter aufschieben. Wenn der Partner im Haus zunächst wohnen bleibt, bis er etwas Neues gefunden hat, ist das auch eine Chance für einen soften Übergang, wie eine Treppenstufe zur nächsten Veränderung. Man sollte den Kindern erklären, was sich ändern wird, auch wenn Papa oder Mama erst einmal in der Wohnung wohnen bleiben und dass man erst einmal langsam in die neue Wochenend-Situation und so weiter hineinwachsen möchte.

Nicola Schmidt
PR (Malina Ebert)

Aber nicht immer verstehen sich Paare noch so gut, dass man eine Wohnung teilen kann – was macht man, wenn man das Zusammenleben schlicht nicht mehr erträgt?

Wenn zu viel Spannung herrscht, weil zum Beispiel einer zu sehr leidet, dann sollten Eltern eine schnellere Lösung finden, also dass einer zum Beispiel übergangsweise in eine Ferienwohnung zieht, zu Freunden oder den eigenen Eltern. Die Spannungen merken Kinder ja und wenn sie zu groß sind, sind sie auch für die Kinder negativ. Es gibt kein Patentrezept für alle Familien, in einer Trennung muss sehr viel austariert, ausprobiert und diskutiert werden.

Die Entscheidung, sich zu trennen, ist gefallen, die Partner sind sich auch einig, wie es in Zukunft ablaufen soll: Wie sagen sie es denn nun den Kindern?

"Wir Erwachsenen haben es entschieden und ihr habt nichts damit zu tun": Diese Botschaft sollten Eltern klar an ihre Kinder kommunizieren. Wichtig ist es, die Trennung nicht als Scheitern darzustellen, also nicht "wir haben es nicht geschafft". Kinder denken immer zuerst, sie seien schuld, da kommen bei den meisten Kindern Gedanken wie "wenn ich braver gewesen wäre, dann hätten sie nicht so oft gestritten. Wenn ich mehr im Haushalt geholfen hätte, wäre Mama nicht so müde gewesen und hätte Papa nicht immer so angeschrien, dass er mehr helfen soll." Das sind sehr typische Gedanken, die sich die meisten Kinder machen.

Wenn die meisten Kinder unweigerlich diese Gedanken haben, können Eltern dem denn irgendwie vorbeugen?

Am besten ist es, wenn die Eltern das erste Gespräch über die Trennung gemeinsam mit den Kindern führen und ihnen dabei klarmachen, dass es eine gemeinsame Entscheidung ist und sie weiterhin Eltern bleiben und für die Kinder da sein werden. Wichtig ist es, dass man nicht den Fokus darauf legt, was verloren geht, sondern auf das, was kommt.

Podcast-Tipp: Unsere Expertin war auch schon mal zu Gast in unserem Papa-Podcast, hier geht's zum Gespräch:

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Also nicht zurückschauen und das Gespräch mit "wir sind nun keine Familie mehr und werden keine Ausflüge zu viert mehr machen" beginnen?

Genau, stattdessen nach vorn schauen und Ängste vor der Zukunft abbauen. Kinder brauchen Sicherheit und das Gefühl, dass die Eltern immer da sind und die Dinge regeln – und eben das sollte in diesem Gespräch, dem ja noch weitere folgen werden, vermitteln.

Das heißt, Eltern sollten sich bei dem Gespräch mit ihren Kindern schon abgestimmt haben, wie sie es in Zukunft mit der Kinderbetreuung machen?

Zumindest für die erste Zeit, damit man auf die Fragen der Kinder vorbereitet ist. Man muss und sollte aber nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und schon gar nicht sofort nach Trennungsentscheidung, wenn die Verletzung noch groß ist, zum Jugendamt gehen oder den Klageweg einschlagen. Eine Trennung ist immer ein Prozess, der bis zu zwei Jahre dauern kann. Es ist hilfreich, wenn man den Kindern das Betreuungsmodell so erklärt: "Wir probieren es jetzt einmal so aus und schauen, wie es euch und uns dabei geht." Denn die Lösungen sollten sich ja immer an die Begebenheiten und die Entwicklung der Kinder anpassen. Dabei ist es wichtig, den Kindern auch zu zeigen, dass ihre Meinung auch zählt und man diese ernstnimmt: "Wenn es nicht geht, dich etwas bedrückt und es nicht für dich passt, dann sprich mit uns."

Größere Kinder, die vielleicht schon selbst ihre erste Liebe erlebt haben, verstehen sicherlich eher, wieso sich Eltern trennen. Aber welche Erklärung verstehen kleinere Kinder?

Am besten aus der Welt des Kindes heraus! Es geht ja darum zu zeigen, dass man sich trennt, weil man nicht mehr dieselben Bedürfnisse hatte, sich auseinanderentwickelt hat. Das geht mit Beispielen aus der Welt der Kinder: "Stell dir vor, dein beste Freundin würde sich nur noch für Nagellack interessieren und nicht mehr für Karate." Oder bei kleineren Kindern "stell dir vor, dein Freund möchte nur noch mit ferngesteuerten Autos fahren und findet dein Lego furchtbar doof, würdest du den dann noch so gerne zum Spielen treffen?"

Nun ist es aber vielleicht so, dass die Partnerin fremdgegangen ist, sich verliebt hat und sich deshalb trennt: Sollte man den Kindern das als Grund nennen?

Das ist ja nicht der Grund, weshalb man sich trennt – sondern eher ein Symptom des Trennungsgrundes! Deshalb hat so etwas auch in dem Gespräch mit den Kindern nichts zu suchen, ebenso wenig wie Vorwürfe, wer denn nun schuld ist oder nicht schuld ist. Sachen wie "Papa ist fremdgegangen" oder "Mama will nicht mehr mit mir schlafen" sind irrelevante Dinge, die Kinder nicht verstehen. Sich auf den wahren Grund, nämlich das Auseinanderentwickeln, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu konzentrieren, hilft auch den Erwachsenen, die Trennung zu reflektieren.

Was brauchen Kinder in diesem Moment?

Kinder brauchen zwei Elternteile, die sich in diesem Moment nicht in ihrer Verletzung Vorwürfe an den Kopf werfen und gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben, sondern sich wie Erwachsene verhalten und ihnen versichern, dass sie weiter für das Kind da sein werden. Kinder brauchen diese Rückversicherung von beiden, dass sie keinen verlieren und weiter zu beiden Kontakt halten dürfen und werden. Das sollten Eltern ihren Kindern auch explizit immer wieder klarmachen.

Manche Kinder haben in dem Moment viele Fragen, andere wollen erst einmal alleine sein. Wie reagiert man auf diesen Rückzug?

Auch hier ist es wichtig, immer wieder zu zeigen, dass man da ist. Das Gespräch sollte man eher beiläufig suchen, also beim Autofahren, beim gemeinsamen Kochen oder auch im Spiel mit kleineren Kindern. Bloß keine Ausfrage-Situation! Das löst Panik aus. Gute Einstiegsfragen sind Sätze wie "Wie geht es dir damit, dass Papa bald auszieht?" oder "Ich habe den Eindruck, dass du Mama gerade vermisst". Das ist ganz wichtig, den Kindern zugestehen, dass sie den anderen Elternteil vermissen können.

Wie verhält sich ein Elternteil am besten, wenn der andere Elternteil einfach nicht mitspielen will und einen Kleinkrieg anfängt, womöglich noch vor den Kindern?

Es ist kein Krieg, wenn ich nicht hingehe: Das heißt, nicht auf Beleidigungen mit Beleidigungen reagieren, sondern das Gespräch immer auf die Sachebene zurücklenken. Sachlichkeit siegt, deshalb sollte man auf Provokation am besten nicht reagieren.

Wenn das Gespräch mit den Kindern völlig aus dem Ruder gelaufen ist, hat das langfristige Folgen bei den Kindern?

Nein, wie ich sagte, ist Trennung ein Prozess. Deshalb sollten sich Eltern bei diesem Gespräch nicht zu sehr unter Druck setzen. Es bleibt ja auch nicht nur bei einem Gespräch, sondern es werden viele weitere Gespräche mit den Kindern folgen, viele davon mit nur einem Elternteil. Dinge dürfen heilen, Beziehungen dürfen heilen.

Fazit: Eine Trennung ist nicht das Ende von allem

"Ich schreibe in meinem Buch, dass eine Trennung nicht das Leben der Kinder definiert", sagt Autorin Nicola Schmidt. "Es gibt gute Untersuchungen zu diesem Thema wie eine Studie mit 1400 teilnehmenden Familien von E. Mavis Hetherington, die zeigen, dass in den meisten Familien nach zwölf Monaten Ruhe eingekehrt ist und dass drei Viertel der Kinder aus dieser Studie ein ebenso normales Verhalten wie Kinder aus nicht getrennten Elternhäuser an den Tag legten." Heißt: Nicht die Trennung stellt die Weichen für das weitere Leben, sondern der Umgang damit. Schmidt: "Wichtig ist es, dass die Kinder mindestens einen einfühlsamen, engagierten Elternteil haben." Wie wär's mit dir?