Schwangerschaftsabbruch: So gehen Väter mit einer Abtreibung um

Abtreibung aus Sicht des Mannes
Schwangerschaftsabbruch: Was du als Vater darüber wissen solltest

Inhalt von
Zuletzt aktualisiert am 12.11.2024
Man sieht eine Frau und einen Mann im Anschnitt, die einen Schwangerschaftstest in den Händen halten.
Foto: Shutterstock.com / Prostock-Studio

Abtreibung ist Frauensache, jedenfalls rein rechtlich gesehen: Die Frau entscheidet letztlich darüber, die Schwangerschaft abzubrechen oder fortzusetzen.

Doch wie gehen die werdenden Väter mit einer Abtreibung um? Welche Rolle spielen sie? Und was ist, wenn sie das Kind eigentlich wollen? Eine Expertin hat Men's Health Dad die wichtigsten Fragen beantwortet.

Das ist die rechtliche Rolle des Vaters bei einem Schwangerschaftsabbruch

"Es besteht ein riesengroßer Unterschied zwischen der gesetzlichen Grundlage, der Pflichtberatung nach Paragraph 218 des Strafgesetzbuchs und der Praxis", sagt Elke Wischmann, die seit 25 Jahren in der Schwangerschaftskonfliktberatung arbeitet und seit 2004 als Beraterin bei pro familia in Hamburg tätig ist. "Rein rechtlich spielen werdende Väter in Deutschland eine sehr untergeordnete Rolle bei der Entscheidung."

Heißt: Die Frau entscheidet letztlich, ob sie abtreibt oder nicht. In Deutschland kann sie nach der Beratungsregel bis zur 12. Woche nach der Befruchtung abtreiben. Die Expertin: "Es ist gesetzlich festgesetzt, dass ich in der Pflichtberatung parteilich bin, für die Frau. Bei einer Einzelberatung entscheidet die Frau, ob der Partner zur Beratung hinzugezogen werden soll. Sind beide Partner da, berate ich jedoch nicht nur die Frau, sondern beide sehr intensiv und gleichwertig."

Ziel ist es, dass beide zu einem guten Ergebnis kommen, das sie gemeinsam tragen können. "In der Pflichtberatung bewege ich mich also zwischen dem rechtlichen Rahmen und dem Paar, das ich da abhole, wo es steht, damit möglichst zusammen entschieden werden kann", sagt die Diplom-Sozialpädagogin. "In der Praxis ist die Entscheidung der Frau niemals wirklich unabhängig vom Mann. Die Haltung des Partners zur Abtreibung macht vielmehr den gravierenden Unterschied im Denken der Frau."

Abtreibung: So sind die Gefühle des Vaters

Wischmann betont, dass die meisten Paare, die zur Beratung kommen, sich bereits einig über die Abtreibung sind. Bei Uneinigkeit der Paare ist es häufig so, dass die Frau es sich vorstellen kann, ein Kind zu bekommen, der Mann aber (noch) nicht. Nur sehr selten hat sie den Fall, dass die Frau für die Abtreibung ist und der Mann aber eigentlich gerne Vater werden möchte.

Unsere Expertin hält dazu fest: "Der Mann verspürt dann oftmals Ohnmacht und fühlt sich als Opfer. Es entscheidet eine andere Person, die Partnerin, in kurzer Zeit darüber, ob er in einigen Monaten Vater wird oder nicht. Diese machtvolle Position einer Frau über einen Mann gibt es in unserer Gesellschaft sehr selten und dann erlebe ich oftmals Fassungslosigkeit und starke Wut bei den Männern. Auch Schuld ist ein typisches Gefühl. Der Mann fragt sich: Warum habe ich nicht verhütet? Hätte ich anders verhüten müssen, was habe ich falsch gemacht? Warum habe ich diese Frau als Partnerin gewählt?"

Wie Väter mit einem Schwangerschaftsabbruch umgehen

Für die mentale Verarbeitung kann eine Einzel- oder Paarberatung helfen. Wischmann betont: "Wir als Beratungsstelle sehen uns da in einem Auftrag, die Männer in ihrem eigenen Prozess der Entscheidungsfindung zu stärken: Die Männer sollen nicht das Gefühl haben, dass ihre Meinung und Gefühle hinsichtlich der Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch im Vergleich zu der Meinung und den Gefühlen der Frau irrelevant sind und nicht gehört werden. Der Mann sollte wissen, dass er auch zu einer Einzelberatung jederzeit vor, während oder nach der Entscheidungsfindung oder dem Abbruch kommen kann. In der Krisenberatung begleiten wir den Mann dann in einer auf ihn abgestimmten Sitzungsanzahl, wo er selbst entscheidet, was er jetzt am ehesten braucht, und deren Abstände er selbst wählt. Diese Selbstbestimmung kann für den Mann bereits heilsam wirken."

Was nach einer Abtreibung die Beziehung kittet

Oft belastet die Abtreibung natürlich die Beziehung. Dann gilt, wie so oft: Reden hilft, am besten mit Unterstützung. "Will man als Paar zusammenbleiben, ist eine Außenperspektive in der Paarberatung nötig", sagt die Expertin. "Bei Uneinigkeit über eine solche existenzielle Frage scheinen unterschiedliche Lebenskonzepte und Vorstellungen zugrunde zu liegen. Miteinander sprechen ist hier essenziell. Ein Fokuswechsel, lernen, der anderen Person zuzuhören und zu verstehen, ist zentral." Es muss dabei nicht gleich zu einem Einverständnis kommen, das Nachvollziehen der Perspektive des bzw. der Partner:in ist zunächst ein wichtiger Schritt.

Die Paarberaterin: "Danach kann man überlegen, wie man gemeinsam als Paar vorangeht. Es kann natürlich auch in Betracht gezogen werden, dass man sich gegen die Abtreibung entscheidet und die Erziehung des Kindes dann aber in unterschiedlicher Gewichtung erfolgt. Wenn eine Person, der Vater, das Kind dringender will und sich zuständiger für das Kind fühlt, wenn er mehr Verantwortung übernehmen will, dann ist das auch okay. Das Gespräch zu suchen ist die Lösung! Wenn die Frau jedoch das starke Gefühl hat, 'ich kann nicht, ich will (noch) kein Kind haben', dann ist es für den Mann wichtig, sich klarzumachen, dass sie sich das nicht einfach so ausdenkt, sondern sie triftige Gründe hat. In dieser Situation ist es ebenso gut, wenn der Mann das Gefühl hat, dass er die Entscheidung in bestimmter Weise nachvollziehen und mittragen kann, wenn auch nicht genauso stark."

Dipl. Sozialpädagogin und Beraterin bei pro familia Hamburg, Elke Wischmann
Privat

Das gesetzliche Mitspracherecht für Väter beim Schwangerschaftsabbruch

In Zeiten der Gleichberechtigung eine gesetzliche Regelung zu formulieren, die den Vater bei der Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch einbezieht, hält Wischmann nicht für wünschenswert: "Ein klares Nein. Rechtlich sollte die Frau die letztliche Entscheidung über ihren Körper haben. Es gibt beispielsweise einzelne, sehr wenige hartnäckige Fälle, in denen der Mann die Frau nahezu dazu nötigt, das Kind zu bekommen. Gäbe es da juristisch eine Regelung, die dem Vater ein Recht gibt, mitzuentscheiden, müsste die Frau dann das Kind austragen, was sie aber eigentlich nicht möchte und dazu gezwungen werden würde."

Eine juristische Regelung zur Miteinbeziehung des Vaters geht aber nicht nur am Wertesystem, der Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper, sondern auch an der Praxis vorbei. Denn die Frauen beziehen die werdenden Väter in ihre Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch in der Praxis meist ohnehin mit ein. Die Expertin: "Wenn ich eine Paarberatung habe, dann sind sich die Paare in den meisten Fällen bereits vorab einig, fest entschlossen und die Abtreibung ist eine gemeinsame Entscheidung, eine Paarentscheidung. Auch wenn die Frau alleine kommt, geschieht das oft, weil vorher mit dem Partner schon einstimmig entschieden und gar keine Notwendigkeit mehr dafür gesehen wurde, dass er mitkommt."

Dieses Verhalten des Vaters ist ungünstig beim Schwangerschaftsabbruch

Im Vorfeld als Mann der Partnerin die Entscheidung zu überlassen, ihr zu sagen, dass sie machen kann, was sie will und die Entscheidung einfach mitzutragen, ist laut Wischmann von vielen Männern zwar liebevoll gemeint, aber nicht hilfreich: "In der Konsequenz heißt das nämlich, dass die eigene Entscheidung nicht von ihm getroffen wurde, die Frau muss beide Entscheidungen für sich und den Mann treffen und kommt dadurch leicht in die Position der Alleinverantwortlichen und gegebenfalls auch Schuldigen."

Hinterher kann es dann zu Konflikten kommen, die in Vorwürfen gipfeln wie: "Du hast es ja so gewollt, du hast so entschieden, ich habe mich da rausgehalten, du bist schuld." Wischmann: "Das heißt: Ein klares Ja zum Abbruch auf Seiten des Vaters ist sehr wichtig, da die Entscheidung dann gemeinsam getroffen wird." Sonst gerät man schnell in eine Schräglage in der Beziehung und es heißt: "Damals hast du auch schon alleine entschieden." Dass beide Verantwortungen übernehmen und miteinander reden, ist zentral.

So unterstützt du deine Partnerin beim Schwangerschaftsabbruch

Wenn gemeinsam entschieden wird, die Schwangerschaft abzubrechen, ist es ratsam, die Partnerin in diesem Prozess zu unterstützen. Wichtig ist, dass der Mann die Frau nach ihren Bedürfnissen fragt: "Was brauchst du jetzt in dieser Lebenssituation?"

Dazu Wischmann: "Die Antwort darauf kann ganz unterschiedlich sein. Manche Frauen wünschen sich, dass der Partner sie nach operationellem Eingriff abholt. Bei medikamentösem Abbruch fühlen sich manche Frauen oft wegen der Abbruchblutungen wohler, wenn sie zuhause nicht alleine sind oder wollen, dass man sie ablenkt, andere wollen hingegen genau das nicht, sondern wollen alleine sein." Auch das Wording sei zentral. Sinnvoll sei es, von "Schwangerschaft abbrechen" oder "Abtreibung" zu sprechen und nicht davon "das Kind abzutreiben".

Fazit: So finden Väter ihre Rolle beim Schwangerschaftsabbruch

Aus rein rechtlicher Perspektive entscheidet letztlich die Frau über die Schwangerschaft. In der Praxis ist ihre Entscheidung jedoch stark durch die Haltung des Partners mitbestimmt. Insgesamt ist die Kommunikation der Partner miteinander deshalb das A und O. In Beratungszentren wie pro familia finden Paare dazu geeignete Ansprechpartner:innen. Selbstverständlich können Väter - genauso wie Mütter - vor, während oder nach dem Abbruch auch Einzelberatungen in Anspruch nehmen. Außerdem gibt es auch viel Literatur zum Thema, wir empfehlen zum Beispiel dieses Buch.