Rund 70 Länder hat Thorsten Dentges, Redakteur bei der Zeitschrift "Motorrad", schon bereist - viele davon mit seinen drei Kindern. Seine schönsten und beeindruckendsten Trips kann man jetzt in einem Buch nachlesen: "Einfach machen - Reiseabenteuer und Roadtrips mit Kindern".
Von der ersten Idee bis zur Auswahl des passenden Reiseziels liefert er einen praktischen Leitfaden für junge Familien mit Fernweh. "Die Elternzeit ist fürs Reisen prädestiniert", sagt er. Im Interview mit Men's Health Dad gibt der Reise-Journalist einen ersten Einblick in sein neues Buch.
Warum plädierst du überhaupt für Reisen in der Elternzeit?
Die Elternzeit ist ein staatliches Angebot – mit finanzieller Unterstützung und Jobgarantie. Das kann man sehr unterschiedlich nutzen. Ich erlebe: Auf Reisen gelingt es vielen Vätern und Müttern leichter, sich wirklich auf ihr Kind einzulassen. Der Alltag zu Hause ist häufig von To-dos geprägt – von Renovieren bis Geschäftstermine. Unterwegs entsteht ein anderes Klima: Aufmerksamkeit, gemeinsame Routinen, viel Zeit draußen. Das stärkt Bindung. Elternzeitreisen sind kein Lustgewinn, sondern ein intensiveres Kennenlernen des Kindes – nur ohne die übliche Alltagsablenkung.
Du unterscheidest zwischen Urlaub und Reise. Was heißt das für Eltern mit Baby?
Urlaub ist planbar, bequem und oft vorhersehbar – perfekt, wenn man einfach mal durchschnaufen will. Eine Reise lässt Ungewissheit zu: Begegnungen, Umwege, kleine Abenteuer. Mit Baby bedeutet das vor allem, das Tempo zu drosseln und Sicherheit bewusst einzuplanen, ohne alles zu verregeln. Unsere Erfahrung: Eine Pauschalwoche mit Pool kann nett sein, aber vielen fehlt nach kurzer Zeit das, was haften bleibt. Die Erinnerungen, die wirklich eingetätowiert sind, entstehen meistens auf Reisen – in Situationen, die nicht perfekt sind, sich aber positiv auflösen.

Welches Transportmittel empfiehlst du für Elternzeit mit etwa 12 Monaten altem Kind?
Ganz klar vorn: Camper, Wohnmobil oder Wohnwagen. Das Kind hat ein konstantes Mini-Zuhause – gleiche Gerüche, gleiche Schlafumgebung, vertraute Dinge. Das senkt Reizüberflutung und erspart tägliches Umziehen. Uns gefiel der Wohnwagen besonders: Man lässt ihn am Platz stehen und ist mit dem Auto flexibel, auch mal abseits der Hauptstraßen. Backpacking mit Kleinkind geht natürlich auch, ist aber eher etwas für Fortgeschrittene mit hoher Stresstoleranz. Wer schon beim Gedanken an improvisierte Quartiersuche nervös wird, sollte es lassen.
Wie viel Planung ist sinnvoll – und wo beginnt Überplanung?
Redet früh und ausführlich miteinander: Erwartungen, Budget, Rollen, Komfortgrenzen. Ein paar Monate Vorlauf schaden nicht, konkret wird’s dann einige Wochen vorher. Mein wichtigster Rat: Radikal entschlacken. Ein Land statt drei, eine Region statt einmal um den Kontinent. Lasst Puffer für Flaute-Tage und Krankheit. Bucht nicht jede Nacht vor und bitte keine Restaurant-Reservations für Tag 14 um 19:30 Uhr – das nimmt Beweglichkeit und erzeugt Druck. Checklisten sind okay, solange sie kurz bleiben: Dokumente, Medizin, Schlafsetup, Sonnenschutz, Tragesystem/Kinderwagen – fertig.
Podcast-Tipp: Unser Experte war übrigens auch schon mal zu Gast in unserem Papa-Podcast, hier geht's zum Gespräch:
Kritiker sagen: Elternzeit ist für den Alltag, nicht fürs Reisen. Was entgegnest du?
Alltag ist kein Selbstzweck. Ziel der Elternzeit ist Bindung und Raum für die berufliche Neu-Organisation – meist der Mutter. Beides kann Reise fördern: Wer als Vater mit Kind reist, ist präsent, aufmerksam, entspannt – das Kind profitiert unmittelbar. Und provokant gesagt: Wenn der Vater mit dem Nachwuchs unterwegs ist, hat die Partnerin zu Hause auch mal ungestörten Fokus für den Wiedereinstieg. Ja, Elternzeit ist privilegiert; trotzdem bleibt es ein legitimes Angebot, das man sinnvoll nutzen kann. Entscheidend ist das Wie, nicht das Wo.
Wohin fährt man als Familie am besten und welches Land gilt als kinderfreundlich?
Kinderfreundlichkeit ist weniger ein Länder-Ranking als eine Haltung. Wer freundlich und gelassen auftritt, wird fast überall positiv aufgenommen. Besonders warmherzig haben wir muslimisch geprägte Länder erlebt sowie Lateinamerika – dort ist Familie sichtbar Teil des öffentlichen Lebens. Europa hat großartige, unkomplizierte Ziele: Sardinien außerhalb der Hochsaison ist Traumkulisse mit leereren Stränden. Bei Fernzielen achtet auf Klima, medizinische Versorgung, Wegezeiten. Mit Camper zählt eher Infrastruktur als Sehenswürdigkeiten-Dichte: sichere Stellplätze, kurze Etappen, Spielflächen, Wasser.
Was sind deine drei prägende Erfahrungen – und was können andere Eltern daraus mitnehmen?
Toll war zum Beispiel Borneo mit meinem Sohn: Ein knochenharter Dschungelmarsch zu Pfahlbauten, mit einfachem Essen, Blutigel und viele Lacher unterwegs. Nichts war komfortabel, aber tief verbindend. Meine Lehre aus diesen Trip: Kinder wachsen an echten Aufgaben, wenn wir sie ernst nehmen. Ewig in Erinnerung wird mir auch Westaustralien mit meiner Tochter bleiben: Wir haben nachts im Auto ungeplant in der Wüste ohne Decken gefroren, der Sonnenaufgang am Morgen hat uns wahrlich gerettet. Die Lehre daraus: Fehler passieren. Ruhe bewahren, gemeinsam lösen – daraus werden Lieblingsgeschichten. Und dann war da noch Marokko mit meiner Jüngsten: Es war Ende Ramadan, erst herrschte reservierte Stimmung, dann aber große Herzlichkeit bei unseren Gastgebern. Das Kind wurde letztendlich herumgetragen. Meine Lehre: Vorurteile verlieren ihre Kraft, wenn man Menschen begegnet.