Der wichtigste Tipp gleich zu Beginn: Gib deinem Kind (und auch dir selbst) Zeit, wenn du nach einer Trennung eine neue Partnerschaft eingehst. Kinder brauchen ein Gefühl der Sicherheit, um sich auf die neue Partnerin an der Seite ihres Vaters einzulassen. Überdies gibt es jedoch noch viele weitere Aspekte zu beachten.
Was beim Kennenlernen hilft und was du tun kannst, wenn es in der Patchwork-Familie (noch) nicht ganz rund läuft, haben wir zwei Expert:innen gefragt: Elternberaterin Miriam Maja Gass aus Berlin und Vätercoach Carsten Vonnoh aus Bad Berka, Autor des Buches "Up to Dad (Hörbuch)". Beide unterstützen nicht nur Eltern bei einer Trennung, sondern können auch aus eigenen Erfahrungen schöpfen. Ein ideales Team also für dieses Thema.
Wie stelle ich meinem Kind meine neue Partnerin oder Partner am besten vor?
Carsten Vonnoh: "Wichtig finde ich, das Ganze langsam angehen zu lassen. Plant einen Ausflug, bei dem ihr gemeinsam aktiv werden könnt oder trefft euch bei einer Veranstaltung, bei der ihr eure neue Partnerin oder euren neuen Partner ganz unverkrampft euren Kindern vorstellt. Überfrachtet die erste Begegnung nicht mit Erwartungen und plant nicht zu viel Zeit dafür ein. Euer Kind muss die Möglichkeit haben, sich aus dem Kontakt auch wieder zurückzuziehen."
Miriam Maja Gass: "Aus Bindungssicht hilft es immer, Gemeinsamkeiten zu finden: Wählt also am besten ein Setting, das den Interessen des Kindes entspricht. Das kann der Ponyhof sein, wenn euer Kind Pferde liebt, die Go-Kartbahn oder einfach sein Lieblingsspielplatz. Im gemeinsamen Spiel kann euer neuer Partner oder eure neue Partnerin auf das Kind zugehen und es können erste Parallelen gefunden werden. So baut ihr auf entspannte Weise eine Bindung auf."

Was kann ich als Vater oder Mutter tun, um die Kontaktaufnahme zu erleichtern?
Miriam Maja Gass: "Wichtig finde ich für dich als Elternteil, dass du es als deine Aufgabe siehst, Brücken zu bauen. Also die Verbindung zwischen dem neuen Partner oder der neuen Partnerin und deinem Kind zu begleiten und zu unterstützen. Anfängliche Schüchternheit deines Kindes ist zum Beispiel völlig normal. Es hilft, wenn du seinen Wunsch nach Abstand respektierst und nicht darauf bestehst, dass es sofort auf deinen neuen Partner oder deine neue Partnerin zugeht."
Carsten Vonnoh: "Kinder brauchen einfach ein Gefühl der Sicherheit, dass ihnen also trotz der neuen Partnerschaft die leiblichen Eltern nicht verloren gehen. Wichtig ist auch: Wie sympathisch ist ihnen der neue Partner oder die neue Partnerin? Wie ernst nimmt er oder sie die Grenzen des Kindes? Wir sollten unseren Kindern wirklich Zeit lassen, sich an diesen neuen Menschen in unserem Leben zu gewöhnen. Und nicht vergessen, dass unsere Kinder oft noch um ihre alte Familie trauern, die es in der Form eben nicht mehr gibt. Dieser Trauerprozess kann nach einer Trennung, wie nach einem Todesfall, mehrere Jahre dauern. Wir sollten mit einer neuen Partnerschaft also nichts überstürzen."
Wie reagieren Kinder erfahrungsgemäß auf den neuen Partner oder die neue Partnerin?
Miriam Maja Gass: "Wir dürfen nicht vergessen: Bindung polarisiert auch. Gerade Kindern bis etwa sechs Jahren fällt es aus entwicklungspsychologischer Sicht nach einer Trennung noch schwer, die Bindung zu beiden Elternteilen gleichwertig zu halten. Als Paar haben sie ihre Eltern als Einheit empfunden. Jetzt, nach der Trennung, leben diese meist auch räumlich nicht mehr zusammen. Ein kleines Kind kann gefühlsmäßig da nur entweder hier oder dort sein. Um diese innere Spannung zu reduzieren, wird es sich mal mehr an den einen, mal mehr an den anderen Elternteil binden. Manchmal wehren Kinder in dieser Situation einen Elternteil sogar ganz ab, einfach, weil sie die innere Spannung einer geteilten Bindung überfordert."
Carsten Vonnoh: "Kommt in diese Konstellation eine neue Partnerin oder ein neuer Partner, hilft es sehr, wenn zum Beispiel der andere Elternteil dem Kind vermittelt, dass hier keine Konkurrenz besteht. Mama und Papa werden immer die Nummer eins für ihr Kind bleiben, aber es hat quasi die Erlaubnis, auch zum neuen Partner oder zur neuen Partnerin eine liebevolle Beziehung aufbauen."

Wie gewöhnt sich mein Kind am besten an meine neue Partnerin oder meinen neuen Partner?
Carsten Vonnoh: "Ich finde den Faktor Zeit sehr wichtig. Und dass wir mit unseren Kindern im Gespräch bleiben. Dazu gehört, dass wir die Gefühle unserer Kinder, ebenso wie unsere eigenen Gefühle und die der neuen Partnerin oder des neuen Partners, akzeptieren, ohne sie gleich ändern zu wollen. Alles, was da ist, hat seine Berechtigung. Unseren Kindern sollten wir die Möglichkeit geben, auch ohne den neuen Partner oder die neue Partnerin mit uns Zeit zu verbringen. Wenn wir merken, wir waren zu schnell mit unserer Entscheidung oder würden heute etwas anders machen, sollten wir das klar benennen und können unser Verhalten auch jederzeit ändern. Wichtig ist, dass wir uns als Vater oder Mutter klar werden, was wir eigentlich wollen und das auch kommunizieren."
Miriam Maja Gass: "Ich finde auch wichtig, die Kontinuität zu betonen, was also bei all der Veränderung gleich bleibt. Und wichtig ist sicher auch, dass wir als Eltern die Beziehung zwischen uns und unserem Kind stärken. Das erreichen wir, indem wir unserem Kind immer wieder zeigen: Ich sehe dich! Mit allem, was gerade da ist, also auch mit negativen Gefühlen wie Trauer oder Wut. Hilfreich ist sicher auch, wie Carsten sagt, das eigene Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern."
Podcast-Tipp: Experte Carsten Vonnoh war auch schon mal Gast in unserem Papa-Podcast, hier geht's zum Gespräch:
Was kann ich tun, wenn mein Kind meine neue Partnerin oder meinen neuen Partner bereits ablehnt?
Carsten Vonnoh: "Ich denke, wir sollten uns bewusst machen, dass Kinder immer einen berechtigten Grund für ihre Reaktion haben, auch wenn uns ihr Verhalten nicht gefällt. Der Weg ist also erst einmal, ihre Wut oder Trauer zu akzeptieren und ihnen auch den Raum zu geben, ihre Gefühle auszudrücken. Zugleich sollten wir unsere eigenen Grenzen klar benennen, dass wir zum Beispiel nicht möchten, dass unsere Kinder sich unserem neuen Partner oder unserer neuen Partnerin gegenüber respektlos verhalten. Was ich in Patchwork-Konstellationen auch wichtig finde, ist die bewusste Pflege der neuen Partnerschaft. Wenn wir uns als Paar nicht einig sind, spüren das unsere Kinder und es macht die Situation für alle komplizierter. Darüber hinaus sollten wir – ich kann es nicht oft genug sagen – uns klar darüber sein, dass dieser Prozess Zeit braucht. Fließende Übergänge wie die, dass wir zum Beispiel drei Monate nach der Trennung bereits mit unserer neuen Partnerin oder unserem neuen Partner zusammenziehen, sind für alle Beteiligten schwierig."
Miriam Maja Gass: "Ich denke, es ist verständlich, dass bei uns Erwachsenen, wenn wir eine neue Beziehung eingehen, der Wunsch nach einem neuen Wir sehr groß ist. Zugleich sollten wir nicht vergessen, dass unser Kind vermutlich an einem ganz anderen Punkt steht: Es trauert vielleicht noch um seine alte Familie, die es in der Form nicht mehr gibt, und ist gar nicht offen für diese Veränderung. Unsere Aufgabe als Erwachsene ist also, die Bindung anzubieten und zwischen unserem Kind und dem neuen Partner oder der neuen Partnerin zu vermitteln. Das gelingt am besten, indem wir die Gefühle aller Beteiligten – also auch die unseres Kindes – respektieren. Darüber hinaus hilft es, die Bindung zu unserem Kind zu stärken und nicht zu viel Druck zu erzeugen. Ob unser Kind das Beziehungsangebot unseres neuen Partners oder unserer neuen Partnerin annimmt, ist letztlich seine Sache. Aber wir können den Rahmen schaffen, um Verbindung zu ermöglichen!"
Fazit: Patchwork braucht Zeit
Coach Vonnoh fasst zusammen: "Gerade Vätern empfehle ich: Akzeptiert, dass ihr bei diesem Prozess nicht so viel Kontrolle habt, wie ihr vielleicht denkt. Geht offen damit um und beobachtet immer wieder, was diese Begegnungen mit euch machen. Erst einmal ist es wichtig, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Manchmal braucht es einfach Zeit, damit sich alles entwickelt."