E-Bike-Tour
Statt Auto: mit dem E-Bike ans Meer

Der Wochenend-Ausflug ans Meer funktioniert auch nachhaltig – mit dem E-Bike. Wir haben's getestet und sind mit einem E-MTB an die Ostsee geradelt. Die besten Tipps und Tools für deine E-Bike-Tour
Der Wochenend-Ausflug ans Meer funktioniert auch nachhaltig – mit dem E-Bike
Foto: Anna Laudan
In diesem Artikel:
  • Eine E-Bike-Tour ans Meer: ein nachhaltiges Mikroabenteuer?
  • Welches E-Bike eignet sich für meine Tour?
  • Wie plane ich eine E-Bike-Tour?
  • Welche Ausrüstung brauche ich?
  • Fazit: wenig Aufwand, viel Abenteuer

Plötzlich stehe ich im Wald. Mein Fahrradnavi sagt "rechts abbiegen". Da ist allerdings nur ein von Gras überwucherter Trampelpfad. Egal, denke ich, wozu fahre ich ein Mountainbike, genau genommen sogar ein sehr komfortables E-Mountainbike. Wird schon gut gehen. Nach einigen Hundert Metern führt der überwachsene Trampelpfad über eine kleine Böschung tiefer in den Wald – direkt auf einen Single Trail. Den habe ich – wie so vieles auf meiner Tour – hier gar nicht erwartet. Obwohl der Weg noch leicht matschig vom Regen ist, spüre ich nach ein paar Kurven durch die Bäume so was wie einen Flow. Völlig euphorisch rolle ich die nächsten Minuten über Wurzeln, kleine Wellen, über umgestürzte Bäume und sogar durch einen winzigen Bach. Das kleine Abenteuer gefällt mir so gut, dass ich kurz mein eigentliches Ziel vergesse: das Meer. Und das ist noch mindestens 30 Kilometer entfernt. Also, zurück auf die Route.

Eine E-Bike-Tour ans Meer: ein nachhaltiges Mikroabenteuer?

Nahezu jedes Sommerwochenende schieben sich Tausende Pkws in Kolonne auf den Autobahnen Richtung Ost- und Nordseeküsten. Zugegeben, gehöre ich bisweilen auch dazu. Als ich Anfang Juni mal wieder im Stau auf der A1 stand, kam mir leicht genervt die Idee: Man könnte fast mit dem E-Bike fahren, das wäre schneller. Wäre es, offen gesagt, natürlich nicht. Selbst mit Stau. Aber warum eigentlich nicht? Nachhaltiger wäre es allemal. Laut Umweltbundesamt ist ein übliches E-Bike 12-mal klimafreundlicher als das Auto. Natürlich könnte ich die Strecke von 80 bis 100 Kilometern (von Hamburg aus) auch mit einem Rennrad oder normalen Mountainbike zurücklegen. Allerdings wäre das – zumindest für mich – eine ernst zu nehmende Sporteinheit, bei der Erholung etwas zu kurz käme. Und ans Meer fahre ich normalerweise, um zu entspannen, mal rauszukommen. Wie entspannt (und nachhaltig) das mit einem E-Bike wirklich ist, will ich testen. Plus: Ich wähle nicht einfach den schnellsten oder direktesten Weg, sondern will ein kleines Abenteuer erleben, ein E-Bike-Mikroabenteuer. Bei einem Mikroabenteuer geht es schließlich darum, die eigene Komfortzone zu verlassen, etwas in der Natur zu erleben. Sich aus dem Alltagstrott zu reißen. Alle Ausreden (keine Zeit, schlechtes Wetter etc.) zu ignorieren. Das Erlebnis sollte möglichst kurz und vor allem lokal sein. Das passt hervorragend, also starte ich mit der Planung.

Welches Bike sich für eine 1 bis Mehr-Tages-Tour eignet, hängt von Strecke und Gepäck ab
Anna Laudan

Welches Bike sich für eine Ein- bis Mehr-Tages-Tour eignet, hängt von Strecke und Gepäck ab

Welches E-Bike eignet sich für meine Tour?

Outdoor-Fans behaupten oft, das Abenteuer beginne bereits, wenn die Haustür hinter einem zufällt. Das stimmt tatsächlich. Nachdem meine Tür ins Schloss fällt, startet für mich das Abenteuer, das von mir auserkorene 27-Kilo-schwere Gefährt aus dem 3. Stock auf die Straße zu hieven. Als ich dort dann Gepäck und Bike-Computer festmache, beugt sich unvermittelt ein Polizist über das große, glänzende Rad, das hier mitten im Großstadtverkehr etwas deplatziert wirkt. "Das sieht ja aus wie direkt aus dem Laden, oder?", erkundigt er sich. Ich hoffe, dass es eher privates als berufliches Interesse ist. Als ich erkläre, was ich vorhabe, will er wissen, warum ich denn ausgerechnet diese Art von Fahrrad gewählt habe. Gute Frage.

Welches Bike sich für eine 1- bis Mehr-Tages-Tour eignet, hängt von Strecke und Gepäck ab. Wer mit leichter Ausrüstung unterwegs ist, braucht nicht mehr als ein Rennrad oder Gravelbike. Touren- und Trekking-Bikes können vorn und hinten deutlich mehr und schwereres Gepäck unterbringen. Voraussetzung: Du fährst auf asphaltierten oder ebenen Straßen. Da ich auch mal auf unbefestigten Wegen oder quer durch den Wald radeln will, ist für mein Vorhaben ein vollgefedertes E-Mountainbike ideal.

Das Tero X 6.0 von Specialized: ein vollgefedertes E-Mountainbike, mit dem man auch komfortable durch die Stadt pendeln soll
Marco Demuth
Das Tero X 6.0 von Specialized: ein vollgefedertes E-Mountainbike, mit dem man auch komfortable durch die Stadt pendeln soll

Das Tero X von Specialized im Test

Meine Wahl fällt auf das Tero X 6.0 von Specialized, ein vollgefedertes E-Trekkingrad, mit dem man auch komfortable durch die Stadt pendeln soll. Ein SUV unter den E-Mountainbikes, könnte man sagen. City-Cruiser und Offroad-Fully in einem, das hört sich erst einmal nach einem gewagten Spagat an. Immerhin: Bei Schaltung, Bremse und Fahrwerk sind erstklassige Mountainbike-Komponenten an Bord. Die breiten Reifen bieten viel Grip. Und dank einer Federgabel mit 130 mm und einem Dämpfer mit 120 mm Federweg am Heck bügelt das Bike bei meinen ersten Ausflügen ins Gelände im Eichtalpark Hamburg alle Unebenheiten, Steinchen und Schlaglöcher aus. Das heißt, leichte Trails, Schotterstraßen, Waldwege sind damit kein Problem und komfortabel zu meistern. Für den extremen Geländeeinsatz ist das E-MTB nicht gemacht.

Mein Highlight: der am Lenker per Knopfdruck absenkbare Sattel. Ideal fürs steile Gelände. Und wenn ich anhalte, komme ich mit den Füßen bequem auf den Boden. Nach ein paar Kilometern, auch auf unbefestigten Wegen, bin ich positiv überrascht: Das Tero X 6.0 läuft sehr leise. Hier klappert nichts. Auch nicht die breiten Schutzbleche, die mich sehr effektiv vor Matsch und Dreck schützen. Selbst mit Gepäcktasche hinten fährt das Bike dank Vollfederung entspannt über Stufen, Absätze und Baumwurzeln. Der abschließbare Akku, der bei mittlerer Unterstützungsstufe etwa 100 km reichen soll, ist im Unterrohr verbaut und kann dort sehr leicht zum Laden rausgenommen werden. Der Motor hat mit 90 Nm Drehmoment ordentlich Power. Licht ist auch mit an Bord, das in 2 Stufen regelbar ist (vorn bis zu 1000 Lumen). Zudem hat das Tero X eine Diebstahlsicherung: Die lässt sich in der dazugehörigen Mission-Control-App auf dem Smartphone aktivieren und löst einen Alarm aus, sobald das Bike (knapp 27 kg) bewegt wird.

Wie plane ich eine E-Bike-Tour?

Die erste Stunde meiner Tour ist voller unerwarteter, magischer Momente. Ich fahre durch Auen, kreuze kleine Holzbrücken und befinde mich immer noch mitten in der Stadt. Ich bin erstaunt, dass es in einer Millionenstadt wie Hamburg tatsächlich noch so etwas wie Wildnis und Natur gibt. Bis auf einige Ausnahmen vermeide ich die Hauptverkehrsadern, folge Flussläufen und Parks Richtung Stadtrand. Schließlich ist der Weg das Ziel.

Und so solltest du auch deine Route planen. Nachdem du weißt, wie viel Zeit du zur Verfügung hast, ist es ratsam, auch spontane Umwege oder Pausen einzuplanen. Der Trip soll ja nicht in Stress ausarten. Wähle daher ein moderates Tageskilometerziel. Wichtigste Rahmenbedingung: die Reichweite deines Bikes. Genau lässt sich die leider nicht errechnen. Denn nicht nur der Akku selbst, auch Fahrstil, Reifendruck, Gepäck, Trittfrequenz, Untergrund und vor allem Höhenmeter bestimmen die Tagesreichweite. Das Tero X 6.0 hat zwischen Eco-Modus und mittlerer Einstellung eine Reichweite von 100 bis 140 Kilometern. Also wähle ich als Ziel von Hamburg die Ostsee bei Timmendorfer Strand. Das sind etwa 100 Kilometer und 550 Höhenmeter. Als Nächstes gilt es, die Route zu planen. Dabei helfen Onlineportale wie etwa outdooractive.com, komoot.com oder gps-tour.info. Die Seiten bieten häufig auch eine eigene (teilweise kostenlose) App an, mit der du deine Route auch aufzeichnen, navigieren (mit Online- oder Offline-Kartenmaterial) oder eben an das von dir benutzte Gerät (Bike-Computer) senden kannst. Auf den Portalen kannst du dich an vorgegebenen Routen orientieren, einen Vorschlag erstellen lassen oder auch komplett selbst planen. Schließlich ist es ein Abenteuer. Und Teil der Erfahrung ist auch die Ungewissheit. Probiere also gerne etwas Eigenes, Neues aus.

Welche Ausrüstung brauche ich?

Etwas Neues erlebe ich bereits bei Kilometer 30. Meine Fahrt endet vor einem geschlossenen Bahnübergang, der sich leider nicht von selbst öffnet. Nach kurzem Check der Lage stellt sich heraus, dass ich vor einer Anrufschranke stehe, von denen es in Deutschland offenbar nur noch wenige Hundert gibt. Erst als ich einen Knopf an einer im Gebüsch angebrachten Box betätige und mit dem zuständigen Wärter spreche, gehen die Schranken hoch. Kurz darauf öffnet auch der Himmel seine Pforten und es beginnt zu regnen. Zum Glück bin ich vorbereitet. Folgende Ausrüstung solltet ihr unbedingt bei einer Bike-Tour dabeihaben.

Temperaturen und Wetter bestimmen natürlich hauptsächlich die Kleidung. Folgende Kleidungsstücke solltest du trotzdem immer dabeihaben:

Für schweres Gepäck sind Gepäckträgertaschen, wie die Ortlieb Back-Roller Free, die beste Lösung. Praktisch: eine Lenkertasche für Portemonnaie, Snacks und Handy, z.B. die Handlebar Pocket von Fjällräven.

Wer mit leichtem Gepäck unterwegs ist, dem reicht ein Fahrradrucksack, wie der Escapist von Osprey
Anna Laudan
Wer mit leichtem Gepäck unterwegs ist, dem reicht ein Fahrradrucksack, wie der Escapist von Osprey

Wer mit leichtem Gepäck 1 bis 2 Tage unterwegs ist, dem genügt eventuell auch ein Fahrradrucksack, wie der Escapist von Osprey: Der leichte Toploader (das 30-Liter-Model wiegt 1,3 Kilo) ist in der Rückenlänge verstellbar, hat eine integrierte Regenhülle und praktische Taschen an den Hüftgurten. Das Rückenpolster sorgt für eine gute Belüftung. Praktisch sind auch das Trinkblasenfach und die LidLock-Helmhalterung an der Vorderseite.

Für die Navigation empfiehlt sich eine Handy-Fahrradhalterung, wenn du mit dem Smartphone navigierst (je nach Länge der Strecke musst du vielleicht per Powerbank nachladen) oder gleich ein Bike-Computer, wie der Edge 830 von Garmin oder der Elemnt Roam von Wahoo.

Weitere essenzielle Tools:

Mein Rad-Computer zeigt 100,5 km: geschafft!
Anna Laudan
Mein Rad-Computer zeigt 100,5 km: geschafft!

Fazit: wenig Aufwand, viel Abenteuer

Nachdem ich die Großstadt verlassen habe, verläuft meine Tour wie im Rausch. Ich radele durch gelb leuchtende Kornfelder, auf einer ehemaligen Trasse der preußischen Staatsbahn, an Apfelplantagen und Schlössern vorbei. Und bin immer wieder gespannt, was mich hinter der nächsten Abbiegung Neues erwartet. Andere Menschen sehe ich kaum. Nach ein paar Runden auf den Single Trails eines kleinen Wäldchens vor Lübeck wird es belebter. Je näher ich der Küste komme, umso mehr Siedlungen und Orte durchfahre ich. Und dann nach knapp 5 Stunden bin ich mittendrin im Trubel des Ostseebades Timmendorfer Strand, bahne mir langsam einen Weg vorbei an den vielen Sommer-Urlaubern mit Strandtaschen, Luftmatratzen und Bollerwagen Richtung Wasser. An einem kleinen, leeren Strandabschnitt ohne Strandkörbe bleiben die breiten Reifen im Sand stecken. Mein Rad-Computer zeigt 100,5 km. Ich lehne das Bike gegen einen Pfahl, gehe zum Wasser und lasse mich in den weichen Sand fallen. Geschafft. Mit Blick aufs Meer versuche ich ein spontanes Resümee zu ziehen. Ja, die Fahrt war toll und tatsächlich sehr entspannend. Aber vor allem aufregend, da ich in so kurzer Zeit, mit so wenig Aufwand so viel erleben konnte. Plus: Der Akku hat sogar noch 20 % Rest-Ladung. Nach ein wenig Nachladen fahre ich am nächsten Tag wieder zurück, mit dem festen Vorsatz, dass dies nicht mein letztes spontanes E-Bike-Abenteuer gewesen ist.

Die aktuelle Ausgabe
10 / 2023

Erscheinungsdatum 20.09.2023