Sterbebegleitung: Wenn der eigene Vater stirbt

Vater-Sohn-Beziehung
Wieso ein Mann seinen Vater auf seiner letzten Reise unbedingt begleiten sollte

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 17.12.2025
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Ein Vater und sein erwachsener Sohn schauen aufs Meer
Foto: Getty Images / Oliver Rossi

Ein Abschied für immer! Im August 2019 verstarb der Vater von Andreas Seltmann nach kurzer, schwerer Krankheit. In den Monaten zuvor hat der Autor angefangen, Briefe an seinen Vater zu schreiben, die er jetzt in dem Buch "Das Krokodil fährt nicht mehr" veröffentlicht hat.

Es ist eine berührende Sammlung über Endlichkeit, gemeinsame Lebenszeit, väterliche Herzlichkeit und die letzte Reise des eigenen Vaters. Im Interview mit Men's Health Dad erzählt Andreas Seltmann, wie der Abschied vom eigenen Vater am besten gelingt.

Wie würdest du dein Verhältnis zu deinem Vater beschreiben?

Herzlich und doch distanziert, pragmatisch ohne Schnörkel ... aber auch ohne große Worte, er war einfach da – immer zur Stelle.

Wann hast du erfahren, dass es mit ihm zu Ende geht?

Als die Heilung, nach einer Operation nicht voranschritt, es ihm gesundheitlich immer schlechter ging und er ins künstliche Koma versetzt wurde. Erfahren, dass es mit ihm zu Ende geht, habe ich, als auf der Intensivstation seine Werte immer schlechter wurden, die Medikamentengabe erhöht werden musste und die Ärzte sagten, dass er nie mehr ohne Unterstützung von Geräten atmen würde.

Autor Andreas Seltmann
Privat

Wie waren die letzten Wochen zwischen euch?

Äußerlich ruhig, da er im künstlichen Koma lag – innerlich sehr emotional, bewegt und laut. Dadurch, dass ich die letzten Wochen im Zimmer meiner Kindheit bei meiner Mutter übernachtet habe, konnte ich viele Erinnerungen zulassen und reflektieren. Auch im Austausch mit meiner Mutter und meinen beiden Geschwistern, waren die letzten Wochen sehr intensiv, da wir über Vieles gesprochen haben, was lange nicht der Fall war. Wir sind als Familie in dieser Zeit noch enger zusammengerückt und verbrachten alle viel Zeit miteinander – und an seinem Bett.

Wie hast du dich von ihm verabschieden können?

Schritt für Schritt – bei jedem Verlassen des Krankenbettes etwas mehr. Durch das Halten seiner Hand und mit einem letzten Kuss auf seine noch warme Wange, nachdem er gestorben war.

Was half dir beim Loslassen?

Dass ich Zeit hatte, mich Schritt für Schritt darauf vorzubereiten, und geschäftlich den Rücken freihatte, um ihn auf seiner letzten Reise zu begleiten. Ich habe erleben dürfen, dass mir das Reden mit anderen Menschen sehr gut getan hat, denn ich habe sehr, sehr oft gespürt "Ich bin nicht allein". Ich habe mir selbst Zeit zum Trauern gegeben und mir bewusste Zeit zum Trauern genommen – aber auch Trauerpausen im Tagesablauf eingeplant. Tatsächlich habe ich Bücher über Abschiede und Tod gelesen und mir einen Traueraltar in meinem Büro eingerichtet. Eine Märklin Lokomotive mit drei Waggons. Auf einem der Wagen steht ein Passbild von meinem Vater, das ihn so zeigt, wie ich ihn gerne in Erinnerung habe.

Wann vermisst du deinen Vater am meisten?

Wenn ich etwas Schönes erlebe, das eine Verbindung zu ihm hat, was ich gerne mit ihm teilen würde. Oder auch, wenn ich an einem Ort bin, an dem wir gemeinsam etwas Schönes erlebt haben, zum Beispiel beim Skifahren, im Zimmer, wo seine Märklin-Eisenbahn heute noch steht, oder auf dem Sportplatz meiner Kindheit. Das Gefühl, dass ein Stück in meinem Leben fehlt, ist am stärksten, wenn ich nach Hause zu meiner Mutter komme und sein Stuhl am Tisch leer ist.

Was rätst du Männern, die auch keine letzte Aussprache mit ihrem Vater hatten, aus welchen Gründen auch immer?

Die Situation annehmen und zu sich sagen: "Es ist, wie es ist". Wenn es irgendwie geht, verzeihen, was war, und versuchen, das Leben des Vaters aus seinen Augen zu sehen und es wertzuschätzen. Mir hat es geholfen Tagebuch und Briefe an ihn zu schreiben (einfache Sätze! Einfache Worte – Herz über Kopf). Wertvoll war für mich auch immer, mit anderen Menschen – vor allem Männern – zu reden, zum Beispiel bei einem Spaziergang in der Natur, am Lagerfeuer oder bei einem Glas Whiskey am Kaminfeuer. Was ich damals noch nicht wusste: Es gibt großartige Trauerbegleiter für Männertrauer – auch wir Männer müssen nicht alles mit uns allein ausmachen und stark sein. Wir dürfen die Hilfe anderer – auch anderer Männer annehmen!

Wie schließt man Frieden mit seinem toten Vater, auch wenn man einiges zu Lebzeiten nie hatte klären können?

Das Gute sehen, das man selbst von seinem Vater in sich trägt, und respektvoll über ihn reden. Aber auch sich klar machen, dass was immer ich von meinem Vater nicht bekommen habe, er kann es jetzt nicht mehr geben. Es ist, wie es ist.

Fazit