Ziel von Rufus Rieder, Redakteur für Gesundheit: 50 Meter tauchen
Für erfolgreiches Apnoetauchen gibt es eine besonders wichtige Voraussetzung: Sie sollten sich im Wasser wohlfühlen. Anders ist es niemandem möglich, im Schwimmbecken, See oder Meer vollkommen ruhig und entspannt zu bleiben. Und das wiederum ist die wichtigste Voraussetzung für eine niedrige Pulsfrequenz und entsprechend lange Tauchgänge.
Als waschechte Wasserratte konnte ich bereits tauchen, bevor ich schwimmen lernte. Ich sprang vom 5-Meter-Turm und wurstelte mich unter Wasser zum Beckenrand durch. Später legte ich die Prüfung für den Tauchschein ab. Die Stille unter Wasser empfand ich als beruhigend. Eine Flasche voll Atemgas hielt lange, weil ich unverkrampft dahinglitt, fast wie eine Kegelrobbe. Wenn Freunde den Tauchgang abbrechen mussten, war meine Flasche meist noch zu zwei Dritteln gefüllt.
Streckentauchen ohne Atemgasflasche habe ich nie ernsthaft in Angriff genommen, habe aber gemerkt, dass die Luft für eine 25 Meter-Bahn immer ausreicht. Doch was ist mit längeren Distanzen? Wenn Top-Apnoetaucher 200 Meter schaffen, dann müssten bei einem Ottonormalschwimmer wie mir doch wenigstens 50 Meter drin sein. Doch so einfach ist es nicht. Ein erster Versuch endet kurz nach der Wende bei 30 Metern. Völlig ausgepumpt muss ich auftauchen.
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Vom Weltrekordler lernen
Da hilft nur Einer: Tom Sietas, Deutschlands erfolgreichster Apnoetaucher aller Zeiten und mehrfacher Weltrekordhalter im Streckentauchen. Wir treffen uns in einem Schwimmbad im Hamburger Stadtteil Wandsbek, wo Tom mir die Basics erklärt. Gleich beim ersten Tauchgang erkennt er Haltungsfehler: „Streck deinen Kopf nicht so hoch. Den Nacken gerade halten und auf den Beckenboden blicken.“ Natürlich hat er Recht. Nach vorn zu gucken kostet Kraft und damit Sauerstoff. Außerdem macht es nervös, weil das andere Ende des Beckens meist sehr weit entfernt scheint. Gleich beim nächsten Versuch packe ich die 40 Meter-Marke!
An diesem Punkt ist die Atemnot aber so heftig, dass sie mich zum Auftauchen zwingt. Dabei dauert der Tauchgang weniger als eine Minute. Keine Ahnung, wie Tom Sietas das 7 Minuten lang aushält. Seine Erklärung erstaunt mich einigermaßen. „Nach 2 Minuten leide ich auch unter Atemnot, aber dann tauche ich trotzdem noch 5 Minuten weiter“, erklärt er, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich probiere es aus! Mit reiner Willenskraft bleibe ich nach 40 Metern immer noch unten. So wie die letzten 10 Meter, so ähnlich muss sich Waterboarding anfühlen. Jede Körperzelle schreit nach Sauerstoff, das Atemzentrum im Gehirn befiehlt aufzutauchen, aber Rest des Gehirns spult weiter das Tauchprogramm ab.
Und das klappt wirklich bis zum Anschlag. Ich bin heilfroh, dass ich bei Bewusstsein geblieben bin. Erfahrene Taucher tasten sich langsam an die Schwelle heran, bei der es tatsächlich gefährlich wird, aber das möchte ich mir gerne ersparen. Wichtig: Niemals vor dem Start hyperventilieren, also schnell und tief ein- und ausatmen. Denn dabei atmet die Lunge viel Kohlendioxid ab. Die Folge: Beim Tauchgang bleibt die Kohlendioxidkonzentration relativ niedrig. Das suggeriert dem Gehirn, dass keine Atemnot besteht, auch wenn die Sauerstoffkonzentration gleichzeitig gefährlich niedrig sinkt. Die Gefahr: Sie werden ohnmächtig, bevor das Gehirn deutliche Signale zum Auftauchen registriert.
Aus Fehlern lernen
Einen Fehler habe ich immer noch gemacht. Ich habe zu viel gefrühstückt. „Apnoetaucher nehmen 4 Stunden vor dem Tauchgang kein Essen zu sich“, sagt Tom Sietas. „Ich esse sogar 6 Stunden lang nichts.“ Dadurch ist mehr Platz für Luft im Rumpf, und weniger Blut zirkuliert im Verdauungstrakt. Bei meinem letzten Versuch verzichte ich auf mein obligatorisches Müsli und gehe nüchtern an den Start. Das Ergebnis: 61 Meter. Neuer persönlicher Rekord! Mission erfüllt, ich habe sogar mehr erreicht als mein persönliches Ziel. Ich bin sicher, 70 Meter wären drin, wenn man längere Zeit trainiert. Aber jetzt halte ich erst mal die Luft an und lehne mich im Liegestuhl am Beckenrand zurück.