Werdende Väter haben es nicht immer leicht, im wahrsten Sinne des Wortes: Sie zeigen ähnliche Symptome wie ihre schwangere Partnerin und legen sogar an Bauchumfang zu. Der entscheidende Unterschied: In ihrem Bauch entsteht kein neues Leben. Die Wissenschaft bezeichnet dieses ungewöhnliche Phänomen als Couvade-Syndrom.
Was hinter diesem mysteriösen Syndrom steckt, erklärt im Interview mit Men's Health Dad der Kölner Väter-Coach Klaus Althoff, der gemeinsam mit Bestsellerautorin Nicola Schmidt vom artgerecht-Projekt den Ratgeber "Vater werden: Dein Weg zum Kind" geschrieben hat.
Was versteht man unter dem Couvade-Syndrom?
Beim Couvade-Syndrom haben werdende Väter ähnliche Schwangerschaftssymptome wie ihre Partnerinnen – ein Phänomen, das inzwischen durch viele Studien bestätigt wurde. Die Männer sind sozusagen mit-schwanger. Das passiert meist in den ersten und den letzten drei Monaten der Schwangerschaft und ist rätselhaft, denn niemand weiß genau, wie es dazu kommt. Fachleute, wie der Wiener Psychologieprofessor Harald Werneck, sagten mir im Interview, dass sich möglicherweise besonders einfühlsame und empathische Männer so weit in ihre schwangere Partnerin einfühlen und mit ihr identifizieren, dass sie auch deren Symptome und körperliche Veränderungen übernehmen. So entwickeln diese werdenden Väter dann eine Art Co-Schwangerschaft.
Mit welchen Symptomen haben co-schwangere Männer am meisten zu kämpfen?
Im Rahmen einer Studie der University of London berichteten die Männer von Übelkeit am Morgen und Heißhungerattacken zu allen Tages- und Nachtzeiten. Einigen Männern wuchs ein regelrechter Babybauch, und ein Vater empfand während der Geburt sogar ein Gefühl ähnlich dem der Wehen seiner Frau. Auch von Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit und Dünnhäutigkeit berichteten die Probanden. Ursprünglich stammt der Begriff Couvade (im Französischen bedeutet "couver" so viel wie "ausbrüten" oder "bemuttern") übrigens von Ethnologen des 19. Jahrhunderts. Sie beobachteten Rituale traditioneller Kulturen, bei denen sich die Männer auf die Geburt eines Kindes vorbereiten. Die Forscher waren gewohnt, dass in ihrer Heimat nicht viel Aufhebens um die Vaterschaft gemacht wurde. Entsprechend überrascht waren sie, als sie sahen, wie sich werdende Väter in Gebärhütten zurückzogen und bemuttern ließen, als seien sie selbst schwanger. Das nannten die verdutzten Völkerkundler dann Couvade. Heute benutzen wir das Wort, wenn werdende Väter Schwangerschaftssymptome wie ihre Partnerinnen entwickeln.
Wie viele Männer sind vom Couvade-Syndrom betroffen?
Bei uns erleben Väter die Couvade-Symptome ungeplant und unbewusst – oft werden sie ihnen erst im Nachhinein klar. Viele verschweigen ihre Co-Schwangerschaft auch, da sie ihnen unangenehm ist. Entsprechend dünn ist die Datenlage. Selbst die Frage, wie viele Männer denn von Couvade betroffen sind, beantworten internationale Studien mit Zahlen zwischen 11 und zu 97 Prozent. Psychologe Werneck geht davon aus, dass im deutschsprachigen Raum etwa jeder fünfte Vater Couvade-Symptome erlebt.
Podcast-Tipp: Experte Klaus Althoff war auch schon mal Gast bei den "Echten Papas", hier geht's zum Gespräch:
Verändern sich auch die Hormonwerte bei werdenden Vätern?
Ja, das tun sie. Der Testosteronspiegel sinkt und die bei Müttern erhöhten Hormone Oxytocin und Prolaktin legen auch beim Vater zu. Das beginnt bereits in der Schwangerschaft. Wissenschaftler vermuten, dass Mutter Natur so sicherstellt, dass sich die werdenden Väter früh auf Fürsorglichkeit gegenüber dem Nachwuchs einstellen – eine Art hormonelles Anti-Aggressionsprogramm also. Aber auch die allgemeine psychische Belastung, die der Übergang vom Mann- zum Vatersein mit sich bringt, könnte auf die empathische Co-Schwangerschaft moderner Väter einzahlen.
Wie erkenne ich, ob ich unter dem Couvade-Syndrom leide?
Die Symptome reichen von Stimmungsschwankungen bis zu Heißhungerattacken und Gewichtszunahme mit väterlichem Babybauch, eine knallharte Diagnose zu bekommen, ist allerdings schwierig.
Was kann man gegen das Couvade-Syndrom tun?
Couvade ist ein normaler Prozess. So plötzlich wie sie kommen, gehen die Couvade-Symptome nämlich auch wieder, wenn das Kind geboren ist. Es ist daher erstmal gut, zu wissen, dass es dieses Phänomen überhaupt gibt, dass auch andere werdende Väter es haben und dass es ein ganz normaler Vorgang ist. Psychologe Werneck empfiehlt, offen darüber zu sprechen, wenn uns die Co-Schwangerschaft betrifft – beispielsweise mit der Partnerin oder mit Freunden. Wir können uns auch fragen, wie es uns als werdendem Vater eigentlich geht. Gibt es Dinge, die uns belasten, die wir aber gewohnheitsmäßig zur Seite schieben? Alle schauen in der Schwangerschaft in erster Linie auf die werdende Mutter und das Kind. Aber auch wir Väter erleben oft eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Wenn wir darüber sprechen, wird vieles leichter. Wenn uns wirklich Dinge schwerwiegend belasten, sollten wir mit unserem Hausarzt reden oder mit einem Coach sprechen.
Wie werden Männer die Schwangerschaftspfunde wieder los?
Die Couvade-Symptome verschwinden mit der Geburt des Kindes – nur die Pfunde, die müssen wir Männer selbst runtertrainieren, wenn wir unseren neuen Vaterjob nicht mit Babybauch antreten wollen. Ihr habt da bei Men’s Health doch bestimmt Rezepte, oder?
Fazit: Geht gemeinsam durch dick und dünn
Couvade ist ein natürlicher Prozess. So plötzlich wie die Symptome kommen, gehen sie auch wieder, wenn das Kind da ist", erklärt Experte Klaus Althoff. Einzige Ausnahme: Das angefutterte Übergewicht (aber auch dagegen lässt sich ja etwas unternehmen, siehe Trainingsplan oben).