Vereinbarkeit von Familie und Beruf : So gelingt sie doch noch

Vereinbarkeit? Von wegen!
Warum der Spagat zwischen Kindern und Karriere wehtun muss

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Zuletzt aktualisiert am 05.06.2024
Eine Mutter sitzt am Esstisch in der Küche und arbeitet am Notebook, im Hintergrund sieht man die zwei Töchter und den Mann, der gerade das Essen zubereitet
Foto: Shutterstock.com / Drazen Zigic

"Eltern wünschen sich eine möglichst leichte Vereinbarkeit von Beruf und Familie", sagt Jörg Kundrath aus Biberach, Coach für Unternehmer zum Thema Work-Life-Balance. Aber bei den meisten ist von Leichtigkeit keine Spur. "Und das ist frustrierend", erklärt Kundrath, dessen Programm "Familienmensch" sich an arbeitende Eltern richtet, die sich eine Vereinbarkeit von Beruf, Familie und den eigenen Bedürfnissen wünschen. Der Frust wächst übrigens oftmals noch an, weil man von allen Seiten immer wieder zu hören bekommt, dass alles möglich ist in Sachen Vereinbarkeit. "Ich will diesen Blickwinkel ändern und möchte, dass Mütter und Väter der Wahrheit ins Auge blicken", so der Vater von drei Kindern. "Weil wir gerne den Blick für die Realität verschließen, besonders dann, wenn sie schmerzen kann. Aber wenn man sie anerkennt, dann ist es viel leichter, im Fahrersitz des Lebens zu bleiben und etwas zu verändern." Hier kommen deshalb seine 6 unbequemen Wahrheiten über Vereinbarkeit von Familie und Beruf inklusive Lösungsansätze.

1. Wahrheit: Keiner interessiert sich für deine Work-Life-Balance

"Niemand interessiert sich wirklich dafür, wie gut du Beruf und Familie in Einklang bekommst", sagt Kundrath. "Klar, hast du vielleicht Familie oder Freunde, die dir mal deine Kinder abnehmen oder dich unterstützen. Und ja, vielleicht hast du einen väterfreundlichen Arbeitgeber, der dich mit Vereinbarkeitsmaßnahmen wie Home-Office, flexiblen Arbeitszeiten oder einer Firmen-Kita unterstützt. Aber ob dir eine funktionierende Work-Life-Balance gelingt, liegt ultimativ nur bei dir." Merke: Niemand macht es sich zur Lebensaufgabe, für deine Vereinbarkeit zu sorgen (und kann das auch gar nicht). Was kann man mit diesem Wissen also tun? Kundrath rät dazu, die volle Verantwortung für seine Situation zu übernehmen: "Suche Antworten, wie du unter den gegebenen Bedingungen das Beste aus deiner Situation machen kannst. Und komme ins Tun, um deine Situation entsprechend zu verändern."

2. Wahrheit: Du kannst es nicht allen recht machen

Du hast so viele Rollen in deinem Leben: Du bist Papa, Ehemann, Kollege und vielleicht Mitglied im Sportverein. Der Experte für Work-Life-Balance: "Wenn du jetzt versuchst, allen in deinem Umfeld gerecht zu werden, wem wirst du dann wahrscheinlich nicht gerecht? Genau: dir!" Und das kann zur Folge haben, dass du weniger Energie hast oder frustriert bist. Vielleicht leidet auch deine Gesundheit und deine Beziehungen darunter. "Um wirklich in deinen Rollen die beste Version von dir zu sein, darfst du dich vorher immer um dich kümmern", sagt Kundrath. "Damit du die Energie, Gelassenheit und Gesundheit hast, um für andere wirklich da sein zu können." Manchmal ist also weniger (von dir) mehr (Qualität). In der Konsequenz bedeutet das: Sorge dafür, dass du jeden Tag Zeit für dich hast (15 Minuten am Tag können schon reichen), um deinen Akku aufzuladen und deinen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Jörg Kundrath
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3. Wahrheit: Du nutzt deine Zeit nicht sinnvoll

"Wenn ich nur mehr Zeit hätte, dann würde ich …" Kommt dir dieser Satz bekannt vor? Experte Kundrath kennt ihn nur zu gut. "Ich gebe es zu, ich habe das auch schon mal gesagt und noch häufiger gedacht." Die spannende Frage ist deshalb: Wie nutzt du deine Zeit? Ein Ratschlag unseres Experten: "Nimm dir mal deinen Kalender zur Hand und betrachte deine letzten drei Monate. Sieh genau hin, welche Dinge in deinem Alltag haben dir in letzter Zeit Energie geraubt. Wozu hast du 'Ja' gesagt, aber eigentlich 'Nein' gemeint? Warst du auf der Geburtstagsfeier von Stefan aus dem Sportverein, obwohl du keine Lust hattest? Oder machst du immer noch das Ehrenamt, obwohl es dich viel Zeit und Kraft kostet? Vielleicht ist es an der Zeit, Grenzen zu ziehen, und mal bewusst Nein zu sagen."

Dir fällt es schwer, 'Nein' zu sagen? Dann verrät dir Kundrath einen magischen Satz: "Wenn du eine Anfrage oder Einladung bekommst und du möchtest diese nicht annehmen, den anderen aber nicht vor den Kopf stoßen, dann probiere mal deine Absage mit dem Satz zu versehen 'Es ist kein Nein zu dir, sondern ein Ja zu mir'". Sag also: "Vielen Dank für deine Einladung, das weiß ich sehr zu schätzen. Und ich brauche an dem Abend Zeit für mich. Bitte verstehe meine Absage nicht als ein Nein zu dir, sondern ein Ja zu mir."

Und wie nutzt du deine neugewonnene Zeit jetzt? Wie wäre es mit diesem Plan:

4. Wahrheit: Du lebst mit Erwartungen, die aus einer vergangenen Zeit stammen

Der Experte: "Mit der Geburt des ersten Kindes verändert sich das Leben grundlegend. Vorher hattest du ausreichend Zeit für alles, was dir wichtig war. Und jetzt versuchst du Job und dein Familienleben irgendwie in Einklang zu bekommen." Das Problem: Unbewusst wünschst du dir vielleicht wieder so viel Zeit für Sport, Freunde und Hobbys zu haben wie vor dem ersten Kind. Aber die aktuelle Lebensphase macht das nicht möglich. "Es ist wichtig, dass du akzeptierst, dass du aktuell vielleicht nicht mehr ganz so fit bist wie vorher, die Wohnung etwas unordentlicher ist und du wahrscheinlich nicht mehr so viel Zeit für Freunde haben kannst", sagt Kundrath. "Auch wenn wir es uns wünschen, es ist nicht alles möglich. Du darfst deine Erwartungen der aktuellen Lebensphase anpassen." Frage dich: Wie viel Sport ist wirklich drin? Und wie kannst du die Beziehung zu deinen Eltern oder deinen Freunden aufrechterhalten, auch mit weniger Zeit? Fazit des Experten: "Wenn du deine Erwartungen der aktuellen Lebensphase anpasst, dann reduziert das den Druck und führt zu mehr Gelassenheit."

5. Wahrheit: Du läufst einer Karotte hinterher

Menschen streben danach, zufrieden sein zu wollen. Und doch sind sie manchmal unzufrieden mit ihrem Leben. "Wahrscheinlich, weil sie sehen, was andere haben", mutmaßt der Experte. "Freunde, die fitter oder schlanker sind. Der Nachbar, der mehr Geld verdient. Kollegen, die die Eltern in der Nähe haben, die sich gelegentlich um die Kinder kümmern können. Ja, das wäre alles schön zu haben. Aber sich mit anderen zu vergleichen, ist der beste Weg, um unzufrieden zu sein. Viele haben die Haltung, wenn ein bestimmtes Ereignis – Gehaltserhöhung, mehr Zeit, weniger Bauchumfang – eintritt, dann wären sie endlich glücklich - aber damit belügt man sich nur selbst." Warum? In der Regel ist es so, dass man, wenn das Ereignis eintritt, man nur kurz zufrieden ist, bevor man sich die nächste Karotte sucht, der man nachlaufen kann. Der Experte: "Es ist wichtig, dass du dir immer vergegenwärtigst, was du schon in deinem Leben hast. Gehe die Dinge, die besser werden dürfen, aus einem Gefühl der Fülle an. Daher als kleiner Tipp: Führe ein Dankbarkeitstagebuch und schreibe dir jeden Tag drei neue Dinge auf, für die du dankbar bist."

6. Wahrheit: Du weißt viel, kannst es aber nicht umsetzen

Vielleicht denkst du dir beim Lesen dieses Artikels, dass du das alles schon weißt, aber bei dir die Umsetzung einfach nicht klappt. Unser Experte kennt das nur zu gut: "Ich habe jahrelang alle guten Texte, Buchzitate, Newsletter und vieles mehr abgespeichert. Am Ende hatte ich eine große Wissensdatenbank mit großartigen Tipps und Tricks, wie ich mich weiterentwickeln kann. Gefühlt habe ich zu jedem menschlichen Problem, die Lösung irgendwo in meinem Computer abgespeichert. Aber nur bringt das Wissen alleine nichts. Viel entscheidender ist, was du umsetzt."

Fazit: Vereinbarkeit geht doch. Versuch's einfach mal!

Abschließender Tipp unseres Experten: "Suche dir aus dem Text oben nur eine einzige Sache heraus, die du umsetzen möchtest. Vergiss alle anderen wieder und fang damit an. Erst, wenn du diese neue Routine fest in deinem Leben verankert hast, nimm’ dir das nächste Projekt vor." Viel Erfolg dabei!