Trennungsväter: Wie lebt man mit dem Abschiedsschmerz?

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Wie lebe ich mit dem regelmäßig wiederkehrenden Abschiedsschmerz?

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Zuletzt aktualisiert am 30.10.2024
Ein Vater verabschiedet sich vor der Wohnungstür von seiner Tocher, die Mutter steht abwartend an der Seite
Foto: Shutterstock.com / fitzkes

Viele kleine Abschiede: Die Tochter von Björn Krause war zweieinhalb Jahre alt als es zur Trennung kam. "Ganz am Anfang haben meine Frau und ich erstmal so weitergemacht, wie bisher, damit sich für unsere Tochter Ava so wenig wie möglich veränderte", erzählt er. Heißt: Der eine hat sie morgens in die Kita gebracht, der andere hat sie am Nachmittag abgeholt, und dann am nächsten Tag wieder hingebracht - ein täglicher Wechsel, eine tägliche Verabschiedung. "Das haben wir dann aber geändert in ein wöchentliches 50/50-Wechselmodell." In dieser Phase hat sich der Hamburger übrigens auch professionelle Hilfe gesucht. Heute hilft er selbst anderen - als systemischer Männer-Coach. Im Interview mit Men's Health Dad erklärt der Experte, was Abschiede leichter macht und wie man mit dem Gefühl des Vermissens als Trennungsvater besser umgeht.

Wie bist du zu Beginn der Trennung mit dem Gedanken umgegangen, deine Tochter nicht mehr täglich zu sehen?

Das war eine schwierige Zeit, in der es mir die Kehle zugeschnürt hat. Mir war regelrecht schlecht, das war unvorstellbar. Zeitgleich hatte ich ja auch noch mit der beendeten Partnerschaft an sich zu kämpfen. Was mir aber in Bezug auf Ava geholfen hat, war, dass ich mir bewusst gemacht habe, dass es ihr bei ihrer Mutter gut geht.

Wie war nach der räumlichen Trennung für dich die erste Zeit ohne deine Tochter?

Auch sehr schwierig. Wenn Ava bei Anna war, bin ich durch die Gegenden gelaufen, wo ich hoffte, ihnen 'zufällig' zu begegnen. Das war eine Zeit, in der ich mich selten gut gefühlt habe. Wenn Ava nicht bei mir war, habe ich sie sehr vermisst. Und war sie dann bei mir, fühlte ich mich oft überfordert. Vor allem emotional war das sehr herausfordernd, weil ich für meine Tochter voll und ganz da sein wollte, und gleichzeitig die Trennung von Anna zu betrauern hatte, mit der ich über 12 Jahre zusammen gewesen war – und mit der es nun ja auch weitergehen musste, nur eben irgendwie anders. Beides gleichzeitig hinzubekommen, fiel mir am Anfang sehr schwer.

Björn Krause
Privat

Was lösen die regelmäßigen Abschiede von deiner Tochter in dir aus?

Heute komme ich meistens sehr gut damit klar. Seit zirka zwei Jahren kann ich die Zeit ohne Ava auch genießen, das war früher unvorstellbar, fühlte sich falsch an, erzeugte ein schlechtes Gewissen. Als dürfte ich das nicht, aber das ist Quatsch. Ava ist inzwischen 10 Jahre alt und das Verhältnis zu Anna könnte kaum besser sein.

Fällst du danach eigentlich in ein Loch? Und wenn ja: Wie kommst du da wieder raus?

So richtig tiefe Löcher gibt es zum Glück nicht mehr. Klar, melancholisch bin ich schon immer wieder mal, aber auch heute führe ich mir immer noch vor Augen, dass es Ava gut geht bei Anna.

Habt ihr zwei ein Abschiedsritual?

Am Abend zuvor gucken wir immer gemeinsam 'Die Sendung mit der Maus' und essen Pizza. Ein Ritual, das konkret auf den Abschied abzielt, haben wir aber nicht.

Wie erleichterst du deiner Tochter den Abschied?

Vor allem, indem ich mir ihre Situation bewusst mache, was mir hilft, besser auf sie einzugehen. Manchmal ist sie an dem Morgen der Trennung richtig motzig oder reagiert sehr sensibel. Das hat dann oft gar nichts mit der jeweiligen Situation zu tun, sondern mit unserem Abschied. Weil ich das inzwischen weiß, kann ich in diesen Momenten ruhig und verständnisvoll bleiben und bin nicht reaktiv, indem ich zum Beispiel selbst an die Decke gehe. Sie darf alle Gefühle haben, die gerade da sind. Das halte ich für enorm wichtig.

Und was machst du, wenn deine Tochter bei dir ist und sie anfängt, ihre Mama zu vermissen?

Ava hat jederzeit die Möglichkeit, ihre Mutter anzurufen oder auch mal bei ihr vorbeizugehen, wir wohnen nah beieinander – letzteres ist aber noch nie vorgekommen. Ich glaube aber, dass es für Ava schön ist, diese Sicherheit zu haben.

Was rätst du Vätern in einer ähnlichen Situation, deren Trennung vielleicht noch ziemlich frisch ist?

An erster Stelle steht für mich ganz klar, sich gut um sich selbst zu kümmern. Vor allem emotional. Denn ein Beziehungsende ist ein enorm harter Einschlag, vor allem dann, wenn Kinder involviert sind. Das heißt auch, sich Hilfe zu holen, wenn es nötig ist: bei Coaches, Therapeuten, Selbsthilfegruppen. Oder sich Freunden zu öffnen.

Du als Männer-Coach: Was denkst du, womit sich Männer mehr beschäftigen sollten?

Mit dem veralteten Rollenbild von Männlichkeit, mit dem wir aufgewachsen sind. Ich glaube, dass nichts männlicher ist, als die Angst davor, unmännlich gefunden zu werden. Viele Männer denken, stark sein zu müssen, loyal, tapfer. Dass sie Erfolg brauchen. Erfolg im Beruf, Erfolg im Sport. Erfolg in der Liebe. Was für viele nicht zu Männlichkeit passt: das ist Schwäche. Schwäche darf nicht sein. Oder das, was allgemein als Schwäche definiert wird. Emotionen zu zeigen, sich verletzlich zu geben, steht ganz oben auf der Liste. Deswegen werden Gefühle in sich hineingefressen, nicht zum Ausdruck gebracht oder es wird so getan, als seien sie nicht da. Aber genau das ist es dann, was am Ende die Männer schwächt. Denn gegen die eigenen Emotionen zu kämpfen, ist so, als wolltest du eine Bowlingkugel mit einem Golfschläger weghauen.

Fazit: Begrüße den Abschiedsschmerz!

"Ich glaube, dass es ganz viel darum geht, eine Sprache für die eigenen Bedürfnisse und Emotionen zu finden", sagt Experte Björn Krause. Wenn uns das gelingt, dann spielen wir die komplette Klaviatur und führen ein authentisches Leben mit mehr Kraft, mehr Gefühl und mehr Freude." Und mit Abschieden können wir dann auch besser umgehen. In diesem Sinne: Tschüss!