Breaking: Wie Tanzen Olympia erobert

Breaking bei Olympia
Diese coole Sportart ist Olympia 2024 das erste Mal dabei

Zuletzt aktualisiert am 07.08.2024
Mann beim Breakdance
Foto: Shutterstock/Master 1305

Antanzen bei Olympia, bitte! In diesen Tagen tritt zum ersten Mal eine Tanzsportart bei den Olympischen Spielen an. Schon 2021 in Tokyo wurden 3 angesagte neue Sportarten etabliert, um auch die jüngere Zielgruppe für die Olympischen Spiele zu begeistern: Auf Klettern, Skateboard und BMX Freestyle folgt nun also Breakdance. Die B-Boys und B-Girls nennen ihre Sportart aber lieber Breaking. Wir erklären dir, was du über Athletik und Akrobatik der Breaker wissen musst – und wie das fast jeder lernen kann.

Kaum eine Sportart vereint Partykultur, Lifestyle und Leistungssport so perfekt. "Breaker sind Künstler und Athleten", sagt Marco Baaden, Bundestrainer der deutschen Breaker. Seinen Ursprung hat der junge Sport auf der Straße. Was in den 1970ern in New York begann, ist im Kern gleich geblieben: Breaking findet da statt, wo laute Musik ist und gefeiert wird. Die Tänze vereinen Athletik und Akrobatik auf höchstem Niveau – obwohl die meisten Breaker keine Profi-Sportler sind.

Die Olympia-Premiere in Paris ist dementsprechend ein wichtiger Schritt nach vorn. Was du sonst noch wissen musst, um bei den Battles (fast schon) mittanzen zu können, erklären wir hier.

Unser Experte Marco Baaden (39) ist in Paris als Bundestrainer der deutschen Breaker dabei. Das Interview haben wir im Vorfeld geführt. Baden ist gespannt, wer die ersten Medaillen bei Olympischen Spielen ertanzen und damit Geschichte schreiben wird. Zu den Favoriten zählt er die Breaker aus Korea und Japan, die Athleten aus Frankreich und den USA.

Marco Baaden
Marco Baaden

Breaking – was versteht man unter diesem Begriff?

"Im Kern ist es Tanzen, die Athletik kommt obendrauf", sagt Baaden. Getanzt wird zu Hip-Hop, Bewegungen (oft über Kopf) sind schnell und akrobatisch. Der Sport fügt Elemente aus Tanzen, Turnen und Calisthenics zusammen. "Jeder einzelne Tanz schult, spontan und gut improvisieren zu können", erläutert der Experte. Dementsprechend ist es mehr als ein Sport, es ist ein Mindset, das sich durch das ganze Leben zieht. "Das Tanzen ist oft ein Ventil, man ist dann nur in seiner Bubble. Vor Publikum zu tanzen oder in Battles zu gehen, gibt dir enormes Selbstbewusstsein, hilft, Vertrauen in sich selbst zu erlangen", erklärt Baaden. "Man erreicht dadurch auch Jugendliche, die gerade nichts mit sich anzufangen wissen."

Wie funktioniert Breaking als Sport und Wettbewerb?

Breaker treten immer gegeneinander an, einzeln oder als Crew. Die Musik beginnt, ein Tänzer fängt an, der andere antwortet. "Die Tänzer sind bei ihren Battles komplett frei, es gibt keine Vorgaben, wie eine Figur auszusehen hat", sagt Baaden.

Dabei sind Musikalität, Kreativität und Ausstrahlung auf der Bühne ebenso entscheidend wie der Faktor Akrobatik. "Das alles ist keine Show, sondern eine klare Battle-Situation, so wie in einem Boxring: Jeder will dort gewinnen, und es ist ein wahnsinnig taktisches Spiel", erläutert der Bundestrainer.

Zusätzliche Herausforderung: Keiner kennt die Musik, die der DJ spielt. Jeder Breaker reagiert spontan mit Moves auf das, was der Kontrahent vorher gezeigt hat. Die Moves sind in Kategorien eingeteilt:

  • Top Rocks: Darunter versteht man Bewegungen im Stehen.
  • Footwork: Das sind Schritte mit den Beinen am Boden.
  • Freezes: die statischen Figuren, die zu halten sind.
  • Power Moves: Zu ihnen gehören Drehbewegungen.
  • Go Downs: alle Übergänge vom Stehen auf den Boden.

Entsprechend umfangreich ist das athletische Repertoire, das sich Tänzer individuell in ihrem Training aneignen.

Was ist beim Breaking die größte Herausforderung?

Spektakuläre Bewegungen gibt es viele, fürs Publikum am beeindruckendsten sind rotierende Moves über Kopf. Beispiel: der Ninety, bei dem sich ein Tänzer auf einen Arm stützt, sich dreht und das über viele Runden durchhält. „Seit Social Media hat sich da sehr viel gewandelt“, sagt Experte Marco Baaden. "Früher war es so: Wenn man nicht dabei war, hat man's nicht gesehen. Heutzutage wird das kleinste Detail gefilmt. Geht die Show oder ein Move viral, beurteilt dies die gesamte Szene."

Daher sind Musikalität und Spontaneität deutlich entscheidender geworden: Einen bestimmten Move auf bestimmte Musik setzen zu können, ist wichtiger, als eine Bewegung bis zur Perfektion zu trainieren. "Um ein guter Breaker zu sein, muss man ein gutes Gespür besitzen – und eine echte Tänzerseele."

Wie trainieren Breaker, um solche beeindruckenden Moves hinzubekommen?

In der Hinsicht hat Olympia vieles professionalisiert. „Die Tänzer trainieren inzwischen nach Trainingsplänen, der Stellenwert von Mobilitäts- und Stabilitätstraining, Kraft und gezielter Regeneration ist höher“, so Bundestrainer Baaden. Mentales Coaching kommt vor allem vor großen Turnieren hinzu, um in den Wettkampfsituationen jederzeit die Nerven zu behalten.

Viele Herangehensweisen sind aber wie früher, so etwa: einfach Dinge machen. "Der Körper gewöhnt sich an alles. Je länger man auf dem Kopf steht, desto besser stellt man sich darauf ein", weiß Baaden aus seiner eigenen Erfahrung. Bei Moves wie dem Headspin etwa steht man nicht nur auf dem Kopf, sondern dreht sich dabei – 20 Runden sind keine Seltenheit. Aus diesem Move herauszuspringen und ohne Schwindel weiterzumachen, ist vor allem Übungssache.

Kann wirklich jeder Mensch das Breaken lernen?

Ja. Beginne am besten damit, dem Rhythmus zu folgen. Wie das? "Durch Klatschen in die Hände, dann auf den Körper. Mach die Bewegung Stück für Stück größer, füge Schritte hinzu. Es geht relativ schnell, die ersten Grundschritte zu lernen", sagt der Experte. Am Anfang fehlt es sicher noch an Ästhetik, aber du kannst schon eine komplette Runde tanzen. Dann wagst du dich an die ersten Moves.

Shutterstock/Arthur Didyk

Baaden empfiehlt Hand- oder Kopfstand: „Wenn man im Handstand ein Bein einknickt, hat man eine andere Figur. Oder verschieb das Körpergewicht, das ergibt einen Freeze. Eine gewisse Grundfitness musst du mitbringen, aber du hast schnell Erfolgserlebnisse.“

Welche Bedeutung hat die erste Olympia-Teilnahme für die Breaking-Szene?

"Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille", sagt Baaden. "Unsere Tänzer werden jetzt von der Deutschen Sporthilfe unterstützt, sie bekommen finanzielle Mittel und Trainer gestellt, das ist schon enorm hilfreich." Gleichzeitig aber führt die neue Organisation in Vereinen und Verbänden zu weniger Freiheiten und zu mehr Leistungsdruck. Und alles ist politischer geworden. Daran muss sich die Szene gewöhnen.

Insgesamt jedoch ist es ein Meilenstein, das geschafft zu haben, was noch kein Tanzsport geschafft hat. "Jetzt haben wir die Chance zu zeigen, dass Breaken nicht nur irgendein Jugendtanz, sondern Kunst ist, hinter der harte Arbeit steckt."

Breaking bekannt zu machen und für andere Tänze Türen zu öffnen, das ist das Ziel bei Olympia.

Wie sehen die olympischen Battles aus?

Normalerweise läuft es so: Judges entscheiden sich per Handzeichen, durch einen einfachen Fingerzeig nach rechts oder links, für einen der Tänzer. Oder es gibt ein Unentschieden. So ist es einfach und nachvollziehbar. "Olympia aber will ein klares Regelwerk haben, warum ein Tänzer A gewonnen hat, obwohl B die krasseren Moves gemacht hat", sagt Baaden.

Ein Regelwerk zu erstellen für eine neue Sportart, bei der es um komplexe Tänze geht, die nicht messbar sind, war kompliziert. Für Olympia einigte man sich schließlich auf 5 Bewertungskategorien. Jedes Jurymitglied hat dann ein Tablet vor sich, auf dem Regler, sogenannte Fader, nach rechts oder links (zur roten oder blauen Seite) zu ziehen sind. Jeder Fader bedient eine Kategorie, etwa Musikalität, Abwechslung, Ausführung, Kreativität. Die Judges vergeben bestimmte Prozentwerte, und am Ende errechnet das System, wer besser war und der Sieger ist. "Spannend bleibt es bis zum Schluss", sagt Baaden, "denn auch die besten Tänzer haben mal einen schlechten Tag. Battles werden im Moment des Battles entschieden."

Die beste deutsche Vertreterin der neuen Olympia-Sportdisziplin ist unter dem Künstlernamen Jilou bekannt, hat die Qualifikation für die Olympischen Spiele aber leider verpasst. Die B-Boys aus Deutschland waren schon bei der Weltmeisterschaft 2023 in Belgien ausgeschieden. Ob die deutschen Breakerinnen und Breaker bei den nächsten Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles erneut eine Chance bekommen, ist derzeit ungewiss, denn bisher steht Breaking nicht im Programm, zugunsten von Lacrosse, Flag Football, Baseball und Softball. Trotzdem bewegt sich viel in der Breaking-Szene: Seit diesem Frühjahr gibt es den ersten offiziellen bundesweiten Trainerlehrgang (Trainer C Leistungssport - Breaking).

Am 9. und 10. August startet die Breaking-Historie bei Olympia: Dann werden 16 Tänzer und 16 Tänzerinnen in Paris jeweils gegeneinander antreten. Wir sind gespannt auf starke Moves und harte Battles. Let the B-Games begin!