Weltmeister Andi Obst über Druck und Resilienz im Profi-Sport

Olympia 2024 Basketball Frankreich-Deutschland
Olympia-Basketballer Andi Obst: "Ich genieße diesen Druck"

Veröffentlicht am 02.08.2024
Basketball-Nationalspieler Andreas Obst
Foto: Sebastian Arlt

Ob in der Liga, bei der WM oder jetzt bei Olympia: Wie geht man damit um, wenn alle von einem nur das Beste erwarten? Wenn man sich keine Niederlagen leisten kann? Wie berappelt man sich, wenn es – wie zwischenzeitlich bei der Olympia-Partie gegen Brasilien – mal nicht so gut läuft? Die Erwartungen an Profisportler:innen sind hoch: Ständige Verbesserung, optimaler Fitnesszustand, das Gewinnen von Spielen und Meisterschaften sowie das Erreichen persönlicher Bestleistungen können immensen Druck ausüben.

Der Umgang mit Leistungsdruck erfordert daher nicht nur physische Stärke und Ausdauer, sondern auch mentale Widerstandsfähigkeit und Strategien zur Stressbewältigung, um langfristig erfolgreich und gesund zu bleiben.

Wir haben Basketball-Profi Andi Obst eine Weile vor den Olympischen Spielen im Interview gefragt, wie er mit Ups und Downs umgeht, wie wichtig es als Sportler ist, sich nicht mit anderen zu vergleichen und wie man seinen eigenen Rhythmus findet. Hier sind seine Antworten.

Ob im Training oder bei Spielen, inwiefern spielt die mentale Stärke eine Rolle, um sich in einem so anspruchsvollen Sport wie Basketball zu behaupten?

"Ich denke, das ist sehr wichtig. Es steht und fällt mit der mentalen Stärke und mit dem mentalen Selbstbewusstsein, was man einfach braucht. Wenn man dieses Hobby, diese Leidenschaft, diesen Spaß an dem Sport hat, ihn aber auf hohem Niveau spielen und ausleben möchte, muss man natürlich ein gewisses Selbstvertrauen und mentale Stärke haben.

Man darf sich dann nicht von Rückschlägen oder kleinen Downs aus der Bahn werfen lassen, genauso wie man sich bei einem High nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte. Wie sagt man so schön: Man sollte never too high und never too low sein und eine gewisse Konstanz einbringen.

Die mentale Stärke kommt auch viel vom Training und der Routine, wenn man diese ganzen Abläufe gewohnt ist und schon mal im Kopf oder auf dem Feld durchgespielt hat. Dann hilft es, eine gewisse Abklärung in den Kopf reinzubringen!"

Welche Methoden oder Routinen nutzt du, um deine körperliche und mentale Gesundheit während der Saison zu erhalten?

"Viel Training. Sei es beim Basketball oder im Kraftraum. Einfach schauen, was brauche ich oder was tut mir gerade gut. Was ist für meinen Körper gut? Man lernt auch nie aus und findet immer neue Sachen über seinen Körper heraus. Man wird auch immer älter und muss dann auch in gewissen Maßen vorsichtiger sein und schauen, was einem guttut. Mit 18 kann man noch alles wegstecken und ist belastbarer als mit beispielsweise 30, weshalb man da natürlich auch etwas vorausschauend denken muss.

Mentale Stärke kann man auch über Mental-Training lernen. So wie man 100-mal auf den Korb wirft oder Gewichte stemmt, kann man auch seinen Kopf mental trainieren. Ich mache gerne im Kraftraum präventive Übungen für meinen Körper, etwas Krafttraining oder bringe neue Routinen ein, um aus meiner Komfortzone herauszukommen. Das ist für den Kopf eben auch anspruchsvoll und man hat Challenges, um den Kopf ein bisschen zu fordern. Das hilft mir immer ziemlich gut."

So schaltet Andi Obst am liebsten ab

Welche Bedeutung hat für dich die Balance zwischen Training, Spielen und Erholung, und wie findest du diese Balance in deinem Alltag als Profisportler?

"Es ist wichtig, sich gut zu ernähren. Klar hat man öfter mal Lust auf Pizza oder Burger und ich muss auch sagen, dass ich eine große Schwäche für Süßigkeiten habe, zum Beispiel was Schokolade angeht. Man pickt sich dann immer Tage heraus, wo man sich was gönnt, aber man hat auch immer im Kopf, dass man dem Körper auch etwas Gutes zuführen muss.

Ansonsten gehe ich gerne mit dem Hund raus, gehe an die frische Luft und bewege mich. Schlafen ist wichtig und auch mal abschalten, auf die Couch und eine Serie oder Film schauen. Mal ein bisschen weg vom Basketball, was einem dann auch mal sehr guttut."

Für Andi Obst ist der Leistungsdruck ein Privileg

Wie gehst du mit Druck und Erwartungen um, sowohl von außen als auch von dir selbst, insbesondere in Phasen, in denen die Leistungskurve nicht so steil verläuft?

"Ich enjoye diese Momente sehr, diesen Druck verspüren zu können. Weil ich als Kind wenig damit gerechnet habe, in solchen Situationen sein zu können, dass so ein Druck auf mir lastet. Man hat es zwar mal durchgespielt, dass man dasteht, bei einem Spiel in den letzten Minuten und diesen entscheidenden Moment hat. Dass man dann auf einmal diese Momente wirklich erlebt, da stehe ich schon mit einem Lächeln da und denke mir: Geil, ich bin gerade in diesem Moment, wo es hier um eine Menge geht. Der Druck ist da, man spürt ihn, aber ich nehme ihn gelassen wahr und freue mich darauf.

Ich versuche, mich auf meinen Stärken zu beruhen und im Moment zu leben und nicht zu sehr auf das zu konzentrieren, was passiert ist oder was passieren könnte, wenn wir gewinnen oder verlieren. Ich schaue nicht voraus, sondern versuche den Moment zu leben und was sich daraus ergibt."

Ich kann mir gut vorstellen, dass viele nicht so gelassen mit diesem Druck umgehen können. Hut ab! Hast du vielleicht einen Tipp, wie man das lernen kann?

"Ich denke, das ist für jeden unterschiedlich, man muss einfach seinen eigenen Weg und eine eigene Routine finden.

Mal angenommen, es ist 30 Sekunden vor Abpfiff, man liegt mit zwei Punkten zurück, man hat zwei Freiwürfe und muss beide treffen, um das Spiel auszugleichen: Klar verspürt man dann einen gewissen Druck und Anspannung, aber ich versuche es dann nicht zu sehr zu überdenken. Ich versuche in den Moment reinzukommen und atme tief durch. Ich habe dann einen bestimmten Gedanken in meinem Kopf, an den ich gerne zurückdenke, also ein Bild im Kopf, das mich runterfahren lässt, den Puls senkt und mich ruhiger werden lässt.

So sehr man die Freiwürfe trainieren kann, kann man auch seinen Kopf trainieren, um sich selbst herunterzufahren und den Druck auszublenden."

Richtig gut, dass das für dich funktioniert. Vielleicht sollten wir alle an so einem Bild festhalten. Bleiben wir beim Thema Herausforderung. Hast du schon ein Down in deiner Karriere erlebt und wenn ja, wie hast du es überwunden?

"So ein richtig krasses Down noch nicht. Klar, so Rückschläge oder Etappen, wie 2018, als wir mit Erfurt in der Bundesliga abgestiegen sind. Am Ende war es trotzdem ein gutes Jahr, weil wir ein sehr junges Team hatten und uns im Spiel weiterentwickeln und zeigen konnten, dass wir auch mit einer jungen deutschen Truppe was reißen können.

Am Ende konnte ich aber positiv auf die Saison gucken, hatte eine Menge Möglichkeiten, was zu zeigen. Ich bin danach nach Spanien gegangen, was für mich auch so ein Traum war. Ansonsten war die WM 2019 auch nicht so toll. In den Vorrunden auszuscheiden, war sehr überraschend für viele Leute.

Aber so einen richtigen Downer hatte ich noch nicht. Ich zähle auch nicht so viele Downer, die mich runterziehen könnten. Stattdessen versuche ich, eine Erkenntnis daraus zu ziehen und diese in neue Energie umzuwandeln, die mich voranbringt."

Sollten sich Sportler mit anderen Profis vergleichen?

Schauen wir mal auf andere Sportler:innen. Vergleichst du dich mit anderen in Bezug auf Leistung und Werdegang?

"Nicht unbedingt, nein. Klar schaut man manchmal, wie es in der NBA oder auch im Fußball so ausschaut, aber jeder hat seinen eigenen Weg und seine eigene Geschichte oder Veranlagung. Ich schaue nicht auf andere Spieler, um mich zu vergleichen und sage: Ah, der hat das, das habe ich nicht, oder so. Ich gönne es den Leuten, denn ich kenne meinen Werdegang und meinen eigenen Wert in der Hinsicht und bin da, wo ich bin, auch extrem zufrieden und versuche mich nicht zu vergleichen."

Wie hört man auf, sich mit anderen zu vergleichen, um sich auf den eigenen Weg zu konzentrieren?

"Sich einfach auf sich selbst konzentrieren und das kontrollieren, was man kontrollieren kann. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Gehe ich heute zum Training? Gehe ich aus dem Grund zum Training, weil ich besser werden oder an Sachen arbeiten möchte? Man sollte einfach keine Zeit verschwenden.

Man kann sich gerne vergleichen, aber man sollte sich davon nicht runterziehen lassen, sondern daraus Schlüsse ziehen und eine gewisse Motivation mitnehmen oder daraus Vorbilder entwickeln. Wichtig ist, dass man Spaß an dem Sport hat und die Zeit nutzt, um zielstrebig an sich zu arbeiten und besser zu werden. Ich denke, wenn man hart an sich selbst arbeitet, eine gewisse Einstellung, Disziplin und mentale Stärke hat, dann geht jeder seinen eigenen Weg und dieser Weg wird dann auch der Richtige sein."

Das ist auf jeden Fall ein schöner Tipp. Hast du noch einen Ratschlag für junge Menschen, die ihren Weg in der Sportkarriere anstoßen wollen?

"Das Wichtigste ist, Spaß zu haben. Eigentlich ist das schon das A und O am Sport. Ohne Spaß geht in der Regel nichts."

Andi Obst spielt gerade mit der DBB-Auswahl im Olympischen Turnier in Paris. Mit Siegen über Japan und Brasilien hat man das Viertelfinale vorzeitig klargemacht, das letzte Gruppenspiel gegen Gastgeber Frankreich (2.8.2024 um 21 Uhr) ist das Highlight der Gruppenphase und ein Gradmesser für den weiteren Turnierverlauf. Viel Erfolg für Andi und das Team!