Testosteronmangel ist nicht unbedingt nur eine Folge des Älterwerdens. Auch junge Männer können einen Mangel entwickeln, mit gravierenden Folgen. Was den Pegel des Männlichkeitshormons senken kann und wie du gegensteuern kannst, erfährst du hier.
Testosteron ist ein Hormon, das zu den männlichen Sexualhormonen, den Androgenen, gehört und im männlichen Körper zu folgender Verteilung gebildet wird: "95 % entsteht im Hoden und 5 % in der Nebenniere", erklärt Dr. Jann-Frederik Cremers. Er ist leitender Oberarzt des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie der Universitätsklinik Münster und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V.
Produziert der Körper nicht genug Testosteron, spricht man von einem Hypogonadismus.
Wie viel Testosteron wir im Blut haben, hängt mit einem komplexen Regelkreislauf in unserem Körper zusammen. Eine große Rolle spielt hierbei die Hypophyse, ein Organ, das im Bereich des Gehirns liegt und die Testosteronproduktion über die Ausschüttung von Hormonen steuert und reguliert.
Bei einem niedrigen Testosteronspiegel sollte die Produktion von Testosteron angeregt werden. Das klappt jedoch nicht immer.
Wie entsteht ein Mangel an Testosteron?
Eine fehlende oder zu geringe Testosteronproduktion kann unterschiedliche Gründe haben:
"Klare Ursachen sind zum Beispiel, wenn aufgrund eines Unfalls oder eines Hodentumors ein Hoden entfernt werden musste und der andere Hoden die Testosteron-Produktion alleine nicht aufrechterhalten kann", so Dr. Cremers.
Neben Unfällen und Krebserkrankungen gibt es auch angeborene genetische Defekte wie das Kallmann-Syndrom, bei dem es zu einer Entwicklungsverzögerung kommt.
Am häufigsten ist jedoch laut unseres Experten der funktionelle Hypogonadismus, bei dem eine organische Ursache, also "krankhafte" Veränderung im Körper fehlt. Die Erkrankung ist auch unter dem Begriff "Alters-Testosteronmangel" bekannt. Doch der Name ist irreführend: "Mittlerweile ist bekannt, dass nicht das Alter, sondern die mit dem Alter einhergehenden Begleiterkrankungen wie Adipositas und Vermehrung des Bauchfetts dazu führen, dass die Hoden in ihrer Testosteronproduktion etwas nachlassen", erklärt Dr. Cremers. Und darauf können wir selbst Einfluss nehmen.
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"Wir haben in eigenen Studien gesehen, dass Männern, die mobil und gesund sind, über die Altersklassen hinweg, also auch im höheren Alter, normale Testosteronwerte haben. Diese sind niedriger als von jungen Menschen, aber noch im Normbereich", so der Experte.
Das Problem ist also nicht das Alter an sich, sondern, dass im Alter Erkrankungen wie Übergewicht zunehmen.
Wie macht sich ein Testosteronmangel bemerkbar?
Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Libidoverlust und Erektionsstörungen – ein Testosteronmangel ist belastend und kann sich auf viele verschiedene Arten zeigen. "Man kriegt die PS nicht mehr auf die Straße", verbildlicht Dr. Cremers, "Dinge, die einem zuvor leichter gefallen sind, werden schwer und erschöpfend". Dabei können die Beschwerden bei Betroffenen unterschiedlich stark auftreten oder auch fehlen.
Ein Testosteronmangel wird immer ärztlich festgestellt. Hast du den Verdacht, dass du unter zu wenig Testosteron leidest, ist zur sicheren Überprüfung ein Gang zu einem Arzt oder einer Ärztin unabdingbar: Hier erfolgt eine ausführliche Anamnese, Besprechung der Beschwerden und eine Blutentnahme, um deinen Hormonspiegel zu bestimmen. Vor dem Start einer Therapie sollte laut unserem Experten außerdem ein Prostatakarzinom ausgeschlossen werden.
Wann ist die Einnahme von Testosteron-Produkten sinnvoll?
Liegen Beschwerden und ein Leidensdruck vor, und ist darüber hinaus "mindestens zweimal morgendlich ein erniedrigter Testosteronwert gemessen worden", so Dr. Cremers, kann der nächste Schritt die Gabe von Testosteron sein. Hier geht es aber nicht darum, sich wieder jung und fit zu fühlen: "Wichtig ist, dass die Testosteron-Substitution die Behandlung einer Erkrankung ist. Es ist kein Lifestyle-Medikament", betont unser Experte. Der Sinn einer Therapie sei, den Hormonspiegel auf die Höhe eines natürlichen Wertes zu bringen und nicht darüber hinaus.
Nicht selten ist vom Testosteron – Doping in der Sportszene die Rede. Und das kann höchst gefährlich sein: "Die Risiken einer Testosteron-Therapie steigen um ein Vielfaches, da ich die Dosierung nicht entsprechend wählen und anpassen kann, um in einen physiologischen Bereich zu kommen. Dann komme ich unbewusst oder auch bewusst in einen Bereich, in dem Risiken wie Thrombosen und Embolien gehäuft auftreten", warnt Dr. Cremers.
Denn die Einnahme von Testosteron kann dazu führen, dass der Hämatokrit im Blut steigt. Das ist der Anteil an festen Bestandteilen im Blut. Geschieht dies, können schwerwiegenden Komplikationen wie Gefäßverschlüsse die Folge sein. Daher sind regelmäßige Kontrollen sowohl vom Testosteronspiegel als auch vom Blutbild notwendig.
Außerdem könne man auch nicht sicher sein, was genau dem Körper zugeführt wird: "Die Gefahr ist, dass man nicht weiß, was man seinen Körper zuführt, da die Herstellung auf unkontrollierten Wegen mit unkontrollierten Produktionsstätten erfolgt. Man muss sich fragen: Was genau spritze ich mir? Das kann dann auch etwas anderes Anaboles als Testosteron sein, muss es aber nicht", warnt der Experte.
Daher ist es wichtig, zusammen mit einem spezialisierten Arzt oder einer spezialisierten Ärztin über eine Testosterontherapie zu sprechen.
Wie wird Testosteron substituiert?
Es gibt unterschiedliche Arten und Produkte, Testosteron einzunehmen. Diese reichen von Spritzen, die in einen Muskel gegeben werden, über Gele und Kapseln. Ein wichtiger Hinweis vorab: Alle Medikamente sind verschreibungspflichtig und es ist wichtig, Anwendungshinweise und Nebenwirkungen in der Packungsbeilage zu beachten und mit dem ärztlichen Fachpersonal zu besprechen.
Welche Anwendungsarten laut unseres Experten zu empfehlen sind und welche nicht, erfährst du in unserem Überblick:
Testosteronkapseln:
- Handelsname: z.B. Andriol Testocaps (Anbieter: EMRA-MED Arzneimittel GmbH)
- Kosten: je nach Packungsgröße circa 40 – 60 Euro
- Verabreichung: Die Einnahme erfolgt täglich mit ausreichender Flüssigkeit zu einer Mahlzeit
Die Anwendung von Kapseln ist laut unseres Experten nicht zu empfehlen. Das läge daran, dass die Aufnahme des Hormons im Magendarmtrakt sehr variiert und die Kapsel gleichzeitig mit einer fettreichen Nahrung aufgenommen werden sollte. Das sei in der Praxis nicht gut umsetzbar und als Folge schwanke der Wirkspiegel stark.
Testosterongele:
- Handelsname: z.B. Testogel® Dosiergel 16.2mg/g Gel (Anbieter: Besins Healthcare Germany GmbH)
- Kosten: je nach Packungsgröße circa 67 – 180 Euro
- Verabreichung: Das Gel wird morgens täglich auf die Oberarme und Schultern aufgetragen
Testosterongele sind laut unseres Experten zu empfehlen. Wichtig sei, die Anwendung mit in die Morgenroutine zu integrieren und darauf zu achten, dass andere Personen ohne Testosteronmangel, wie beispielsweise Kinder, nicht mit dem Gel in Kontakt kommen. "Da das Gel aber recht schnell einzieht, man nach der Anwendung duschen oder sich ein T-Shirt anziehen kann, stellt das bei gewisser Vorsicht eigentlich kein Problem dar", erklärt Dr. Cremers.
Testosteronspritzen:
Hier stehen zwei Wirkstoffe zur Verfügung, die in die Muskulatur injiziert werden: Testosteronenanthat, alle 2 – 4 Wochen oder Testosteronundecanoat im Abstand von 12 Wochen, wobei letzteres von unserem Experten empfohlen wird.
Testosteronenanthat:
- Handelsname: z.B. Testoviron Depot 250 Spritzampullen (Hersteller: Jenapharm GmbH & Co.KG)
- Kosten: circa 57 Euro
- Verabreichung: alle 2 - 4 Wochen intramuskulär
Testosteronenanthat ist laut Dr. Cremers das älteste Mittel auf dem Markt und wird alle 2 – 4 Wochen in den Gesäßmuskel verabreicht. Das Medikament hat einen Nachteil: "Der Hormonspiegel steigt am Anfang sehr schnell hoch und fällt dann aber relativ zügig wieder ab", erklärt er, "Daraus entstehen große Änderungen im Wirkspiegel, was die Patienten oft als unangenehm beschreiben."
Testosteronundecanoat:
- Handelsname: z.B. Nebido 1000 mg Injektionslösung (Hersteller: GRÜNENTHAL GmbH)
- Kosten: circa 155 Euro
- Verabreichung: alle 12 Wochen intramuskulär
Am Anfang der Behandlung werden die Spritzen in kürzeren Abständen bis zum Erreichen eines bestimmten Wirkspiegels in den Gesäßmuskel verabreicht. Danach erfolgt die Gabe alle 10-14 Wochen. Das stellt auch einen entscheidenden Vorteil dar, da die zu behandelnden Personen seltener gestochen werden müssen.
Gibt es außer Medikamenten andere Möglichkeiten, Einfluss auf den Testosteronspiegel zu nehmen?
"Im optimalen Fall ändert der Patient mit funktionellem Hypogonadismus seinen Lebensstil so, dass Bauchfett ab- und die Muskelmasse zunimmt. Dann kann sich der Testosteronmangel von selbst erledigen", erklärt Dr. Cremers. Nach 1 – 3 Jahren könne dann versucht werden, das Testosteron abzusetzen.
Ein gesunder Lebensstil, regelmäßige Sporteinheiten und ein Trainingsplan, der dich unterstützt, deinen Körperfettanteil zu verringern – all das kann dabei helfen, deinen Testosteronspiegel in einen normalen Bereich zu bringen. Doch dir stehen zusätzlich auch unterschiedliche Medikamente zur Verfügung, die deinen Hormonspiegel wieder ins Gleichgewicht bringen. Sprich mit einem Arzt oder einer Ärztin über deine Beschwerden und findet gemeinsam eine Lösung.