Partnerin besser verstehen
Muttertät: Wie sich die Frau verändert, wenn sie ein Kind zur Welt gebracht hat

Ein Kind verändert eine Frau, physisch wie psychisch. Aber auch nach der Geburt tut sich im weiblichen Körper (und im Kopf) noch viel, oft über Jahre. Das als Mann zu wissen, kann für die Beziehung sehr hilfreich sein. Plus: kleiner Exkurs zur Vatertät
Im Kreisssaal: Eine Mutter bekommt ihr neugeborenes Kind in die Arme gelegt, der Vater sitzt daneben
© Shutterstock.com / Gorodenkoff
In diesem Artikel:
  • Woher stammt das Wort Muttertät?
  • Was ist Muttertät genau?
  • Wann beginnt die Muttertät?
  • Welche körperlichen Veränderungen bringt die Muttertät mit sich?
  • Welche Persönlichkeitsveränderungen gehen mit der Muttertät einher?
  • Welche Auswirkungen hat die Muttertät auf die Paarbeziehung?
  • Was sollte ich als Mann und Partner zur Muttertät wissen?
  • Wie verändert ein zweites Kind die Frau?
  • Gibt es eigentlich auch eine Vatertät?
  • Fazit: Muttertät vs. Vatertät

Ein Kind wird geboren. Eine Mutter dagegen nicht. Es ist vielmehr ein langer Prozess, der aus einer Frau eine Mutter macht. Lange Zeit gab es für diese Transformation keinen Begriff, inzwischen schon: Müttertät. Die Wortschöpfung etabliert haben die beiden Münchner Doulas Natalia Lamotte und Sarah Galan, die auch als Schwesterherzen Doulas bekannt sind. Ihre Expertise ist schon in einige Bücher eingeflossen, zum Beispiel in "Mythos Mutterinstinkt". Im Interview mit Men's Health Dad erklären die beiden, wie sie auf das Wort gekommen sind, was man unter Muttertät genau versteht und vor allem, wie es die Paarbeziehung beeinflusst. Außerdem haben wir natürlich gefragt, ob es auch eine Vatertät gibt - versteht sich ja von selbst.

Woher stammt das Wort Muttertät?

Natalia Lamotte: "Im Englischen wird der Begriff Matrescence verwendet, angelehnt an Adolescence, um über diese Entwicklungsphase zu sprechen. Wir haben versucht, das Thema im deutschsprachigen Raum voranzutreiben und zunächst mit Matreszenz, also der deutschen Übersetzung gearbeitet. Leider stellten wir schnell fest, dass viele Menschen Schwierigkeiten hatten, sich unter diesem Begriff etwas vorzustellen oder sich ihn überhaupt zu merken."

Sarah Galan: "Bei einem Spaziergang kamen wir dann auf Muttertät, eine Kombination aus Mutter und Pubertät. Sofort war klar, dass dieses Wort viel besser für die Kommunikation und Verbreitung geeignet war. Jeder hatte sofort eine Idee, was damit gemeint sein könnte, und wir konnten uns direkt mit anderen darüber austauschen."

Was ist Muttertät genau?

Natalia Lamotte: "Muttertät beschreibt die Entwicklungsphase des Mutterwerdens und umfasst dabei den normalen Wandel der Identität, des Körpers und zwischenmenschlicher Beziehungen."

Die Schwesterherzen Doulas: Natalia Lamotte und Sarah Galan
privat
Die beiden Doulas Sarah Galan (links) und Natalia Lamotte von schwesterherzen-doulas.de

Wann beginnt die Muttertät?

Sarah Galan: "Meistens tritt die Muttertät im Zusammenhang mit der Schwangerschaft auf, da hormonelle Veränderungen Auswirkungen auf die Strukturen unseres Gehirns haben, ähnlich wie auch in der Pubertät. Allerdings ist mittlerweile auch bekannt, dass nicht nur biologische Mütter diese Phase erleben, sondern zum Beispiel auch Adoptivmütter ähnliche Entwicklungen durchlaufen oder von ähnlichen Erfahrungen berichten. Bei ihnen beginnt diese Phase jedoch erst ab dem Zeitpunkt, ab dem sie sich aktiv um das Kind kümmern."

Welche körperlichen Veränderungen bringt die Muttertät mit sich?

Natalia Lamotte: "Am deutlichsten sichtbar sind wohl die äußerlichen körperlichen Veränderungen, wie zum Beispiel Brust und Bauch, aber auch das Gehirn selbst erfährt eine Wandlung. Tatsächlich sind diese Veränderungen so signifikant, dass MRT-Bilder von Müttern im Vergleich zu Nicht-Müttern in Studien von Computern eindeutig erkannt werden können. Besonders betroffen sind dabei jene Bereiche des Gehirns, die für die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, von großer Bedeutung sind."

Welche Persönlichkeitsveränderungen gehen mit der Muttertät einher?

Natalia Lamotte: "Mit der Mutterschaft entsteht eine neue Identität, die in die bisherige integriert werden muss. Viele Frauen bemerken auch, dass sich ihre Gefühlsskala erweitert. Die Höhen werden intensiver erlebt, während die Tiefen tiefer empfunden werden."

Sarah Galan: "Zudem berichten viele von ambivalenten Gefühlen, die gleichzeitig auftreten oder sich schnell aufeinanderfolgen. Dies kann verwirrend sein und Verunsicherung auslösen. Oft entsteht dadurch der Eindruck, dass mit einem selbst etwas nicht stimmen könnte, wenn diese Empfindungen auftreten. Gesellschaftlich wird bei Müttern nämlich meist nur eine bestimmte Art von Gefühlen toleriert, nämlich das Gefühl, überglücklich zu sein und immer Zeit mit dem Kind verbringen zu wollen."

Welche Auswirkungen hat die Muttertät auf die Paarbeziehung?

Sarah Galan: "Ähnlich wie in der Pubertät werden in der Muttertät sämtliche Beziehungen einer Neubewertung unterzogen. Dies betrifft die Beziehung zu den eigenen Eltern, Geschwistern sowie zu Freunden und Freundinnen. Die Elternschaft verändert den Alltag von Paaren und stellt sie oft vor völlig neue Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die anfallende Care-Arbeit, die bewältigt und idealerweise gerecht aufgeteilt werden sollte."

Natalia Lamotte: "Schlafmangel, Zukunftsängste und Zeitmangel können zudem das Nervenkostüm stark belasten. Auch darf nicht vergessen werden, dass sich Interessen oder Vorlieben in dieser Zeit ändern können und somit auch die Persönlichkeit des Partners oder der Partnerin nicht mehr wie zuvor ist. Daher ist oft eine Neuausrichtung, Toleranz und wahrscheinlich auch neue Problemlösungsfähigkeiten erforderlich, um als Team weiterhin gut funktionieren zu können."

Was sollte ich als Mann und Partner zur Muttertät wissen?

Natalia Lamotte: "Die Existenz dieser Übergangsphase und ihre grobe Charakterisierung als normale und wichtige Erfahrung, um den neuen Lebensabschnitt erfolgreich zu meistern, sind entscheidend. Es handelt sich um eine echte Entwicklungsstufe, vergleichbar mit einem Update. Wir wissen auch aus Untersuchungen, dass diese Zeit eine besondere Verletzlichkeit (oder Anfälligkeit für psychische Krankheiten wie Depression oder Angststörungen) mit sich bringen kann und dass Unterstützung sowie Mitgefühl von entscheidender Bedeutung sind, um Frauen dabei zu helfen, diese Phase gut und möglichst reibungslos zu durchlaufen. Ähnlich wie wir bei Jugendlichen mittlerweile auch mehr Verständnis für diese Prozesse zeigen als früher."

Wie verändert ein zweites Kind die Frau?

Sarah Galan: "Aktuell werden noch Untersuchungen ausgewertet, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist daher zum aktuellen Stand noch nicht wissenschaftlich geklärt, obwohl es tendenziell den Anschein hat, dass eine weitere Schwangerschaft weniger starke Veränderungen in der grauen Substanz des Gehirns mit sich bringt als die erste. Dabei lässt sich jedoch nicht pauschal sagen, wie sich dies konkret auf das Empfinden der Mütter auswirkt. Jedes weitere Familienmitglied verändert die bestehende Familiendynamik und stellt die Mitglieder vor neue Herausforderungen. Allerdings werden bestimmte Situationen mit der Erfahrung und Übung sicherlich einfacher bewältigt und dadurch weniger anspruchsvoll."

Gibt es eigentlich auch eine Vatertät?

Sarah Galan: "Tatsächlich haben Studien aus dem Jahr 2022 auch bei Vätern Veränderungen in der Hirnstruktur festgestellt. Diese sind jedoch nicht so ausgeprägt und signifikant wie bei den Müttern. Außerdem wurde beobachtet, dass Väter sich aktiv dafür entscheiden müssen, sich um das Kind zu kümmern und gemeinsam Zeit zu verbringen, um den Veränderungsprozess in Gang zu setzen. Eine aktive und engagierte Vaterschaft ist daher eine wesentliche Voraussetzung."

Fazit: Muttertät vs. Vatertät

Zu wissen, dass die Geburt eines Kindes bei einer Frau ähnliche Umbauprozesse im Gehirn in Gang setzt wie bei der Pubertät ist hilfreich, nicht nur für die Frau, sondern auch für den Mann. Denn die Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die Partnerschaft. Aus diesem Grund sollte man auch die Vatertät immer im Blick behalten. Größter Unterschied zwischen Muttertät und Vatertät übrigens: Es braucht eine aktive Beteiligung des Vaters, weil er keine Schwangerschaft und somit keine starken hormonellen Trigger erfährt.