Der Kaiserschnitt ist im wahrsten Sinne des Wortes ein einschneidendes Erlebnis. "Er ist für viele Frauen die erste große Operation überhaupt und dann auch noch gleichzeitig die Geburt des eigenen Kindes", sagt Dr. Richard Krüger, Assistenzarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, der mehrere Jahre lang Geburten in Deutschlands größter Geburtsklinik, der Charité in Berlin, begleitet hat. "Bei einem Kaiserschnitt sind also Aufregung und Freude, aber auch Angst, Unsicherheit und Besorgnis absolut verständlich", so der Mediziner, der gerade ein Buch zum Thema Geburt veröffentlicht hat, mit dem Titel "In der Geburtsklinik". Darin verrät der Experte, alles, was man vor, während und kurz nach der Geburt wissen muss. Und das ist nicht nur für die werdende Mutter, sondern auch für den Mann, der sie begleitet, sehr wichtig – erst recht, wenn keine vaginale Geburt möglich ist. Daher richtet sich sein Buch explizit nicht nur an Schwangere, sondern auch an den Vater, mit individuellen Infoboxen für die Begleitperson. Im Interview mit Men's Health Dad erklärt Krüger deshalb, worauf man sich als werdender Vater einstellen sollte, wenn per Kaiserschnitt entbunden wird.
Was ist ein Kaiserschnitt - und wie häufig kommt er vor?
"Die Geburt per Schnittentbindung nennt man umgangssprachlich Kaiserschnitt, in der Medizinsprache Sectio oder neuerdings auch Bauchgeburt. In Deutschland wird fast jedes dritte Kind (31 Prozent) per Kaiserschnitt geboren."
Welche Arten von Kaiserschnitt gibt es?
"Man unterscheidet zwischen einem geplanten Kaiserschnitt – die primäre Sectio – und einem ungeplanten Kaiserschnitt, der sekundären Sectio. Ein solcher ungeplanter Kaiserschnitt wird dann weiter unterteilt in seine Dringlichkeit: sekundäre Sectio, eilige sekundäre Sectio und Notsectio. Erstere, die einfache sekundäre Sectio, wird wie ein geplanter Kaiserschnitt bei Bewusstsein der Gebärenden mit einer rückenmarksnahen Narkose – einer Spinalanästhesie – durchgeführt. Für letztere, die Notsectio, wird in der Klinik ein Alarm ausgelöst, der alles notwendige Personal sofort ruft. Hierbei kann der Wirkungseintritt einer rückenmarksnahen Narkose nicht abgewartet werden und die Schwangere wird im Rahmen einer Allgemeinanästhesie ohne vorherige schriftliche Aufklärung über den Eingriff intubiert. Leider kann sie so die Geburt nicht selbst bei Bewusstsein miterleben, sondern schläft während der Operation – allerdings muss gesagt werden: Eine Notsectio ist in nur sehr seltenen Ausnahmefällen notwendig."
Wann ist ein Kaiserschnitt notwendig?
"Er ist notwendig, wenn die medizinische Situation keine vaginale Geburt (mehr) zulässt. Hierbei kann eine bestehende körperliche oder seelische Erkrankung der Schwangeren oder eine bekannte Erkrankung des ungeborenen Kindes die Ursache sein. Ebenfalls kann sich eine Schwangere auch für einen geplanten Kaiserschnitt entscheiden, weil sie die Schmerzen oder möglichen Komplikationen einer vaginalen Geburt vermeiden möchte. Dann müssen individuell die Vor- und Nachteile einer vaginalen Geburt gegenüber denen eines Kaiserschnitts besprochen werden, sodass die werdende Mutter eine überlegte Entscheidung treffen kann. Bei einem ungeplanten Kaiserschnitt war initial die vaginale Geburt von der Schwangeren gewünscht. Allerdings hat der Geburtsverlauf durch eine Komplikation gezeigt, dass die vaginale Geburt nicht weiter abgewartet, sondern das Kind per Kaiserschnitt geboren werden sollte."

Dr. Richard Krüger
Darf ich als Vater beim Kaiserschnitt dabei sein?
"Es darf immer eine Begleitperson beim Kaiserschnitt dabei sein, wenn die Gebärende bei Bewusstsein ist, also wenn eine Spinal- oder Periduralanästhesie (PDA) angewendet wird. Bei einer Intubationsnarkose ist aus Organisationsgründen keine Begleitperson bei der Operation möglich. Das ist bei etwa 2 von 10 ungeplanten Kaiserschnitten (sekundären Sectiones) der Fall."
Wie ist der typische Ablauf einer Kaiserschnitt-Operation?
"Alles beginnt mit der Aufklärung über die geplante Operation durch die betreuende Gynäkologin und die Aufklärung über das Narkoseverfahren durch die Anästhesistin. Anschließend wird die Schwangere von ihrer Hebamme in den Operationsraum (Sectio-OP) begleitet. Hierzu ist sie vollständig entkleidet und trägt nur noch eine Klinikbluse, die wie ein langer Morgenmantel ihren ganzen Körper bedeckt und nach hinten geöffnet werden kann.
Danach setzt sich die Schwangere mithilfe eines Tritts auf den OP-Tisch mit dem Rücken zu Anästhesistin, die nach vorheriger Desinfektion des Rückens und lokaler Betäubung der Haut mit einer langen dünnen Nadel im unteren Rücken das Betäubungsmittel in die Nähe des Rückenmarks spritzt, um die Bewegungsfähigkeit und das Schmerzempfinden unterhalb des Bauchnabels vollständig zu unterbinden. Dann legt sich die Schwangere auf den OP-Tisch, und die Wirkung der Anästhesie wird überprüft. Anschließend wird über die Harnröhre der Schwangeren ein Harnblasenkatheter gelegt, der während und auch für etwa 6 bis 12 Stunden nach der Operation das Abfließen von Urin ermöglicht. Da zu diesem Zeitpunkt die Betäubung schon wirkt, spürt die Schwangere die Katheteranlage nicht. Sollte der Intimbereich der Schwangeren nicht rasiert sein, wird dies nun von der Hebamme vorgenommen, da sich an Haaren Bakterien festhalten können, die eine Infektion der Kaiserschnittwunde verursachen können – es muss nicht glattrasiert sein.
Dann wird von einer OP-Pflegerin oder der Operateurin der Bauch und der Intimbereich der Schwangeren desinfiziert. Hierbei ist wichtig festzuhalten, dass zwar Berührung, aber kein Schmerz oder Temperatur (kalt/warm) wahrgenommen werden kann. Anschließend wird ein steriles Tuch auf den Bauch geklebt, der nur den Operationsbereich offenlässt. Dieses Tuch wird so befestigt, dass die Schwangere und ihre Begleitperson keinen Blick auf ihren Bauch und die Operation hat (Sichtschutztuch). Nach einer letztmaligen Testung der korrekten Betäubung durch das Kneifen mit einer Pinzette in die Bauchdecke, beginnt die leitende der beiden Operateurinnen mit einem etwa 10 bis 15 Zentimeter langen Querschnitt zwei Zentimeter oberhalb des Schambeins in der Bikinizone. Die tieferliegenden Schichten werden weder geschnitten noch – wie landläufig gesagt wird – unkontrolliert gerissen, sondern unter Sicht langsam aufgedehnt, um das Gewebe zu schonen und verstärkte Blutungen zu vermeiden. Schließlich wird das Baby über einen Einschnitt in die Vorderseite der Gebärmutter ans Tageslicht geholt, abgenabelt und der Mutter auf die Brust gelegt. Diese Kindsentwicklung können die werdenden Eltern durch das Absenken des Blicktuches im Rahmen einer sogenannten Kaisergeburt mitverfolgen. Durch den weiterhin vorgewölben Bauch der Schwangeren kann diese zwar ihr Kind aber nicht die Operationswunde sehen – gleiches gilt für die neben ihr sitzende Begleitperson. Anschließend wird das Tuch wieder hochgezogen und, während die frisch gebackene Mutter mit ihrem Kind auf der Brust sofort bonden kann, die Operation fortgeführt und die Gewebeschichten in umgekehrter Reihenfolge wieder verschlossen. Die OP endet mit der Hautnaht und dem sterilen Verband der Wunde. Anschließend wird zunächst die Begleitperson mit dem Baby in einen Geburtsraum des Kreißsaals gebracht. Die Mutter wird mithilfe eines Rollbretts in ihr Bett umgelagert und folgt dann ihrer Familie in den Geburtsraum."
Wie verhalte ich mich als Vater während der Operation?
"Abhängig von den klinikinternen Regelungen darf der werdende Vater als Begleitperson entweder sofort seine Partnerin in den OP begleiten oder er bleibt zunächst allein im Geburtsraum zurück. Dann vergehen meistens 20 bis 60 Minuten. Mach dich am besten innerhalb von 20 Minuten im Geburtsraum startklar, indem du die OP-Kleidung (inklusive Haube und Mundschutz) anziehst. Dann bist du vorbereitet, wenn du dazugeholt wirst. Keine Angst, die Operation geht nicht ohne dich los und du wirst nicht vergessen.
Achtung: Ein häufiger Fehler ist, dass viele Begleitpersonen morgens gar nichts mehr zu sich nehmen, weder Essen noch Trinken. Einerseits möchte man der nüchternen Schwangeren nicht demonstrativ etwas voressen und -trinken, andererseits ist man selbst aufgeregt und hat gar nicht das Bedürfnis, etwas zu sich zu nehmen. Die Schwangere bekommt jedoch im OP über die Vene Flüssigkeit und bei Bedarf auch etwas Zuckerlösung (Glucoseinfusion) – du nicht! Wenn dann irgendwann das Baby da ist und du unterzuckert umkippst, hilft das niemandem. Also: Bitte iss und trink ganz normal, gern auch im Geburtsraum. Nur in den Operationsraum darf man nichts mitnehmen.
Wenn du nicht ohnehin bereits im Raum bist, wirst du spätestens nach Desinfektion und Abdecken des Bauches deiner Partnerin in den Operationssaal geführt und auf einen Stuhl neben dem Kopf der werdenden Mutter platziert. Du darfst sie am Kopf berühren und mit ihr sprechen. Deine vertraute und beruhigende Nähe ist jetzt besonders wichtig, weil verständlicherweise jeder Mensch vor einer Operation aufgeregt ist. Falls du Fragen hast oder dir selbst irgendetwas unangenehm ist, sag bitte jederzeit Bescheid – am besten der Narkoseärztin, die sich ebenfalls oben am Kopfende der Schwangeren befindet und mit euch beiden gut kommunizieren kann. Falls noch mehrere Namen für das Baby zur Auswahl stehen, ist jetzt ein guter Moment, um sie noch einmal durchzusprechen, an etwas Schönes zu denken und sich auf das Baby zu freuen, das ganz bald bei euch sein wird.
In manchen Kliniken ist übrigens das Fotografieren und Filmen während eines Kaiserschnitts erlaubt, bitte frag bei Interesse vorher nach."
Soll ich als Vater nach dem Kaiserschnitt das Bonding übernehmen?
"Auch der werdende Vater kann sehr gern den ersten Haut-zu-Haut-Kontakt mit dem Baby übernehmen und es sich hierzu oberkörperfrei in einem bequemen Sessel im Geburtsraum gemütlich machen. Die Hebamme legt dir dann das Baby in die Arme und bedeckt euch beide mit ein oder zwei großen, warmen Handtüchern.
Das ist vor allem super sinnvoll, wenn beim Kaiserschnitt eine Vollnarkose notwendig wird und die Schwangere deshalb nicht das erste Bonding übernehmen kann. Aber auch nach einem Kaiserschnitt bei Bewusstsein der Schwangeren, ist das Bonding durch den Vater möglich, wenn er zuerst in den Geburtsraum geführt wird und so den Zeitraum überbrückt, bis die Schwangere nach OP-Ende zurück zu ihrer Familie kommt."
Wie kann ich als Mann meine Frau nach einem Kaiserschnitt unterstützen?
"Häufig reicht es einfach körperlich und mental da zu sein und der Mutter Zeit zu geben, um sich und ihr Baby nach der Geburt erstmal kennenzulernen. Schmerzen nach der Operation dauern für die Mutter noch mehrere Tage, manchmal sogar Wochen an. Als Vater kannst du dann im Wochenbett wunderbare Hilfe leisten.
Ebenfalls wichtig ist es in diesem Zusammenhang, den Babyblues im Blick zu haben. Er startet in der Regel 2 bis 4 Tage nach der Geburt, also pünktlich nach der Entlassung aus der Klinik (wir Ärzte und Ärztinnen bekommen deshalb kaum etwas davon mit). Für deinen Hintergrund: Während der Schwangerschaft werden massenhaft die Hormone Progesteron und Östrogen ausgeschüttet und wirken stabilisierend auf die Psyche der Schwangeren, sodass häufig eine positive Grundstimmung in den Monaten vor der Geburt eintritt – man ist im übertragenen Sinne 'guter Hoffnung'. Mit der Geburt fallen Progesteron und Östrogen natürlicherweise ab. Diese Hormonumstellung kann zu einem Gefühl von Freudlosigkeit, Überforderung und Angst führen, dem sogenannten Babyblues. An ihm leidet die große Mehrzahl der Mütter, nämlich etwa 70 Prozent. Besonders Erstgebärende, die eine hohe Erwartungshaltung an sich selbst in ihrer Mutterrolle und die erste Zeit mit ihrem Kind haben, leiden häufig am Babyblues. Die aktuelle Studienlage kann aber keinen Zusammenhang zwischen dem Geburtsmodus (ob vaginale Geburt oder Kaiserschnitt) und dem Auftreten des Babyblues erkennen. Ebenso scheint der Geburtsort (ob in der Klinik, im Geburtshaus oder zu Hause) keine Rolle zu spielen.
Dauert er jedoch länger an, kann er chronifizieren und sich zu einer Wochenbettdepression entwickeln, auch postpartale Depression genannt. Etwa 10 bis 20 Prozent der Mütter, aber auch etwa 4 Prozent der Väter leiden daran. Risikofaktoren für deren Entstehung sind bereits vor der Schwangerschaft bestehende psychische Erkrankungen, aber auch belastende (neue) Lebenssituationen wie finanzielle Schwierigkeiten, partnerschaftliche Konflikte und soziale Isolation. Dabei kann bereits die Isolation ausreichen, die dadurch hervorgerufen wird, dass sich eine Frau im Mutterschutz zu Hause und nicht mehr im Umfeld ihrer Kolleg:innen befindet. Hinzu kommt: Zusammen mit großer Erschöpfung, Schlaflosigkeit und keiner Zeit zur Erholung kann man sich oft völlig überfordert fühlen, das gilt übrigens auch für den Kindsvater! Daher lautet mein klarer Appell: Zögert bitte nicht, Hilfe einzufordern und anzunehmen, wenn du das Gefühl hast, dass euch die neue Situation überfordert!"
Fazit: Eine Geburt vergisst man sein ganzes Leben lang nicht
"Die richtige Vorbereitung auf den Aufenthalt in einer Geburtsklinik kann helfen, diesen Moment mit etwas mehr Ruhe und Gelassenheit zu erleben", sagt Dr. Richard Krüger. Das gilt immer, aber vor allem, wenn ein Kaiserschnitt ansteht. Der Experte: "Während einer medizinischen Stresssituation verstehen etwa 4 von 5 Personen nichts oder nur wenig von dem, was ihnen erklärt wird." Wir hoffen, dass du jetzt zu den 20 Prozent gehörst, die wissen, was passiert. Und wünschen euch alles Gute für die Geburt.