Geburtsvorbereitung: Was Eltern vor der Geburt klären sollten

Geburtsvorbereitung
Diese 5 Fragen solltest du mit deiner Partnerin vor den Wehen besprechen

Inhalt von
Zuletzt aktualisiert am 24.04.2024
Eine Wöchnerin liegt mit ihrem Baby auf dem Bauch in einem Krankenhausbett, der Vater des Kindes sitzt daneben und umarmt die beiden
Foto: Shutterstock.com / Ground-Picture

Die Geburten meiner beiden Kinder hätten unterschiedlicher nicht sein können. Die eine verlief nach meinen Vorstellungen, die andere war sehr traumatisch für mich. Und damit bin ich nicht alleine: Nahezu die Hälfte der Gebärenden macht belastende Erfahrungen im Kreißsaal: Eingriffe werden über ihren Kopf hinweg entschieden, sie erleben psychische und physische Gewalt, Vernachlässigung und Fremdbestimmung – und werden danach mit diesem verstörenden Erlebnis alleingelassen. Deshalb habe ich zu diesem Thema ein Buch geschrieben: In "So wollte ich mein Kind nicht zur Welt bringen!" erzähle ich nicht nur von meinen eigenen Erfahrungen (und denen meines Mannes), ich habe für das Buch auch mehr als dreißig Väter und Mütter interviewt und sie gefragt, was sie bei der Geburt erlebt haben. Ich zeige in meinem Buch deutlich: Im System Geburtshilfe läuft einiges schief. Viele Frauen bekommen oft nicht die Betreuung und Unterstützung, die sie sich wünschen, es wird sogar aus der Krankenhausroutine heraus in die Geburt eingegriffen. Umso wichtiger ist es, sich gut auf die Geburt vorzubereiten. Und diese Vorbereitung sollte nicht alleine bei der Frau liegen, denn in der Regel ist der werdende Vater ja an ihrer Seite, wenn es losgeht. Diese Fragen solltet ihr beide deshalb unbedingt im Vorfeld klären, möglichst schon in den ersten Monaten der Schwangerschaft.

1. Wo soll euer Kind zur Welt kommen?

Es gibt grundsätzlich drei mögliche Orte, an denen dein Kind zur Welt kommen kann: Zuhause, mit der Hilfe einer Hausgeburtshebamme, im Geburtshaus oder in der Klinik. In Deutschland entscheiden sich über 98 Prozent aller Paare für eine Geburt im Krankenhaus. Jeder Ort hat seine Vor- und Nachteile. Geburten außerhalb der Klinik finden viel öfter natürlich statt, also ohne medizinische Eingriffe. Dafür gibt es im Geburtshaus keine Periduralanästhesie (kurz PDA), mit der die Geburtsschmerzen gelindert werden sollen. Für die Klinik spricht auch, dass im seltenen Fall von Komplikationen die Frau direkt vor Ort medizinisch versorgt werden kann. Bei einer Hausgeburt oder im Geburtshaus muss die Frau im Notfall erst in die Klinik verlegt werden.

Es lohnt sich, die Geburtsorte in der Nähe anzuschauen und als Frau zu überlegen: Möchte ich hier mein Kind zur Welt bringen? Es ist ganz wichtig, dass die werdende Mutter sich wohl und geborgen fühlt. Du als Partner solltest sie unterstützen und kannst deine Bedenken äußern. Dir sollte aber klar sein: Das Wichtigste ist, dass die Frau sich wohlfühlt. Sie wird die Arbeit leisten und dein Kind auf die Welt bringen. Für die Entscheidung für oder gegen einen Geburtsort, sprecht mit Freunden darüber, was sie erlebt haben, fragt die Hebamme um Rat, lest Google-Bewertungen.

2. Wie möchtet ihr euch auf die Geburt vorbereiten?

Die Krankenkasse bezahlt deiner Partnerin einen Geburtsvorbereitungskurs. Du musst wahrscheinlich einen Extrabeitrag zahlen, um dabei zu sein. Im Geburtsvorbereitungskurs erzählt eine Hebamme, wie eine natürliche Geburt läuft. Die Hebamme erklärt euch, welche Phasen eine Geburt hat und wie du deine Frau unterstützen kannst. Das ist gut zu wissen, denn eine Geburt kann lange dauern. Gerade bei der ersten Geburt sind viele Stunden Wehen nicht ungewöhnlich. Du solltest dich und vor allem deine Partnerin dann nicht stressen, sondern dem Prozess Zeit geben, auch wenn du natürlich aufgeregt sein wirst, dein Kind endlich kennenzulernen.

Das, was ihr im Kurs lernt, kann sehr unterschiedlich sein, weil die Hebamme die Inhalte selbst bestimmt. Daher sollte es dabei nicht bleiben. Es gibt viele Bücher zur Geburt. Neben meinem Buch "So wollte ich mein Kind nicht zur Welt bringen!", empfehle ich "Das Geburtsbuch" von Nora Imlau oder "Dein Weg zur selbstbestimmten Geburt" von Susanne Pahler, weil es in diesen Büchern um selbstbestimmte Geburten geht. Das ist das, was viele Frauen wünschen: Sie möchten selbst gestalten und entscheiden, wie sie das Kind zur Welt bringen. Denn die Vorstellung, dass eine Geburt immer gleich abläuft, ist veraltet. Geburten sind so unterschiedlich, weil jede Frau anders ist und andere Bedürfnisse hat.

Viele Frauen bereiten sich auch mental auf die Geburt vor. Eine Form davon ist das Hypnobirthing. In dieser Art der Vorbereitungen hören Frauen Hypnosen und lernen, sich in eine Art Trance zu versetzen, damit sie bei der Geburt weniger Schmerzen empfinden. Das kann funktionieren, muss es aber nicht. Wenn deine Partnerin sich so vorbereitet, lass dir erklären, was es damit auf sich hat und unterstütze sie auf ihrem Weg.

3. Wie soll die Geburt laufen?

Macht am besten einen Geburtsplan. Darin schreibt ihr auf, was euch bei der Geburt wichtig ist. Das kann sein, dass du als Partner immer bei der Frau sein möchtest, auch bei einem möglichen Kaiserschnitt. Deine Partnerin kann auch aufschreiben, dass sie keine medizinischen Eingriffe wie einen Wehentropf oder Dammschnitt möchte. Wichtig ist aufzuschreiben, dass sie allen Eingriffen zustimmen muss – das ist nicht in jeder Klinik selbstverständlich. Ein Eingriff, über den ihr euch vorher informieren solltet, ist der sogenannte Kristeller-Handgriff. Der ist hochumstritten, weil dabei Ärzt:in oder Hebamme während einer Wehe auf den Bauch drücken. Viele Frauen empfinden das als sehr schmerzhaft. Auch diesen Eingriff kann man mithilfe des Geburtsplans ausschließen – oder zumindest angeben, dass er nur bei Zustimmung durch deine Partnerin erfolgen darf. Im Internet gibt es diverse Vorlagen für Geburtspläne. Es lohnt sich sehr, den für euch richtigen Plan zuschreiben.

Ein Geburtsplan heißt nicht, dass die Geburt auf jeden Fall so laufen wird. Aber er zeigt den Ärzt:innen und Hebammen, dass ihr euch Gedanken gemacht habt, wie ihr euch die Geburt wünscht. Den Geburtsplan besprecht ihr schon bei der Anmeldung mit jemandem von der Klinik. Bei der Geburt ist es dann deine Aufgabe als Vater, mehrere Kopien des Geburtsberichtes dabei zu haben, und jede neue Hebamme oder Ärzt:in, die den Kreißsaal betritt, darauf hinzuweisen, dass ihr einen Geburtsplan habt.

4. Welche Rolle spielst du als Vater im Kreißsaal?

Ihr habt einen Geburtsort gefunden, in dem ihr euch wohlfühlt und einen Geburtsplan geschrieben. Jetzt ist es noch wichtig, zu klären, welche Rolle du bei der Geburt übernehmen sollst. Mein Partner erinnert sich genau daran, dass ich ihm vor der Geburt meiner ersten Tochter klipp und klar gesagt habe: "Das Letzte, was ich bei der Geburt gebrauchen kann, sind deine Ratschläge." Ich wollte einfach, dass mein Partner da ist und meine Hand hält. Während einer Wehe wollte ich auch nichts hören, ich habe geatmet und in seine Augen geschaut. Das war das, was ich brauchte.

Jede Frau ist auch da anders. Vielleicht möchte deine Partnerin abgelenkt werden oder unterhalten? Vielleicht findet sie eine Massage am unteren Rücken angenehm? Sie entscheidet, was sie bei der Geburt braucht.

Der bereits erwähnte Geburtsplan wird übrigens nicht einfach so umgesetzt. In vielen Kliniken braucht es jemanden, der bei angekündigten Eingriffen nachfragt, ob diese medizinisch notwendig sind, denn viele Interventionen werden aus Routine gemacht. Umso wichtiger ist es, miteinander zu besprechen, ob deine Partnerin möchte, dass du ihren Geburtsplan durchsetzt oder ob sie sich das selbst zutraut. Auch du musst überlegen, ob du es dir zutraust, einem Arzt oder einer Ärztin zu widersprechen und nachzufragen, ob der Eingriff wirklich medizinisch notwendig ist. Es gibt werdende Väter, die sich das nicht zutrauen. Das ist total okay. Dann wäre es – gerade wenn deine Partnerin möglich natürlich gebären möchte – sinnvoll, eine weitere Person mit in den Kreißsaal zu nehmen. Das kann eine Freundin, Schwester oder Mutter sein. Es gibt auch sogenannte Doulas, die extra dafür ausgebildet sind, Frauen bei der Geburt zu unterstützen.

5. Was, wenn es nicht so läuft, wie wir es wollen?

Trotz noch so guter Vorbereitung, Geburtsplan und wunderschönem Geburtsort kann es sein, dass die Geburt nicht so läuft, wie ihr es euch vorgestellt habt. Es gibt einfach Kinder, die nicht natürlich geboren werden können, weil sie sich zum Beispiel nicht richtig ins Becken drehen. Auch, wenn die Kaiserschnittrate mit über 30 Prozent in Deutschland viel zu hoch ist, gibt es durchaus Fälle, in denen ein Kaiserschnitt medizinisch notwendig ist. Auch andere Eingriffe können medizinisch notwendig sein. Wenn deine Partnerin nach der Geburt enttäuscht oder traurig ist, darf sie das sein. Es ist ganz wichtig, ihr den Raum für ihre Trauer zu geben. Das Schlimmste, das Frauen nach belastenden und traumatischen Geburten erleben, ist, dass man ihnen sagt: "Jetzt ist es ja vorbei. Hauptsache, das Kind ist gesund!" Bitte sag das niemals zu deiner Partnerin und achte darauf, dass es auch sonst niemand tut. Mit diesem Satz wird der Frau ihre belastende Geburtserfahrung abgesprochen und, wenn es keinen Raum für das Erlebte gibt, kann sie es auch nicht verarbeiten.

Eine Frau nach einer traumatischen Geburt wird oft erzählen wollen, was ihr passiert ist. Sie kann das mit dir tun, aber auch mit ihrer Hebamme, in einer Gruppe mit anderen Müttern nach belastenden Geburten oder mit einer Therapeutin. Im Übrigen können auch Väter mit den Folgen traumatischer Geburten zu kämpfen haben. Auch du darfst dir dann Hilfe holen.

Fazit: Wehe, wehe!


Auch wenn meine erste Geburt anders verlief als gewünscht: Mit der Zeit hat das Glück, Eltern zu sein, überwogen. Bei mir hat es aber tatsächlich einige Jahre gebraucht, meine traumatische Geburt zu verarbeiten. Heute nutze ich das Erlebte, um andere Eltern ehrlich auf die Geburt vorzubereiten. Denn Eltern zu werden, verändert unser Leben sehr. Ich wünsche es allen werdenden Eltern, dass dieser Schritt – die Geburt ihres Kindes – ein schöner und stärkender wird.