Im Sommer wird das Thema Sonnenschutz bei Kindern wieder heiß diskutiert: Besonders Eltern von Babys und Kleinkindern sind verunsichert, wie viel Sonne sie ihrem Nachwuchs überhaupt noch zumuten dürfen und ob sie, wie manchmal empfohlen, wegen der starken UV-Strahlung nur frühmorgens und abends nach draußen dürfen. Ist der Tag am See damit passé? Worauf kommt es beim Sonnenschutz für Kinder wirklich an? Braucht man Sonnencreme, UV-Schutzbekleidung und Sonnenbrille für die Kleinen? Men's Health Dad hat zwei Experten die brennendsten Fragen gestellt.
Warum reagieren Babys und Kleinkinder empfindlich auf Hitze?
"Bei Erwachsenen bewirkt der Schweiß auf der Haut, dass der Körper bei Hitze abkühlt – gewissermaßen als Klimaanlage des Körpers", sagt Dr. Burkhard Rodeck, Kinder- und Jugendarzt sowie Neugeborenenmediziner in Berlin. Doch Babys und Kleinkinder schwitzen noch nicht viel und weniger effektiv, ihre Schweißdrüsen entwickeln sich erst in der Pubertät vollständig. "Je jünger Kinder sind, desto stärker sind sie gefährdet, zu überhitzen", sagt Mediziner Rodeck, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) ist. Hinzu komme, dass Kinder einen höheren Stoffwechselumsatz haben als Erwachsene. Bei Bewegung produzieren ihre Körper mehr Wärme. "Erwachsene sollten nicht erst an die Kinder denken, wenn sie selbst anfangen, unter der Hitze zu leiden", sagt der Kinderarzt. Eine schnelle Möglichkeit, die Körpertemperatur eines Babys zu ermitteln, sei das Fühlen mit der Hand im kindlichen Nacken. Dieser sollte warm, aber nicht schwitzig sein. Weitere Warnsignale seien ein roter Kopf, häufiges Quengeln und ausgeprägter Durst. Spätestens wenn die Eltern eines oder mehrere dieser Warnzeichen bemerken, sollten sie schnell für Abkühlung sorgen.
Welche Gefahren bestehen bei Sonne und Hitze für Kinder?
"Ist ein Kind ungeschützt der prallen Sonne ausgesetzt, bestehe grundsätzlich die Gefahr eines Sonnenstichs", sagt Rodeck. "Damit ist eine Reizung der Hirnhäute durch Hitze gemeint. Das verursacht Kopfschmerzen, kann zu Krämpfen führen und ist sehr unangenehm." Deshalb sollten Eltern Säuglinge möglichst gar nicht der Mittagssonne aussetzen und die heißesten Stunden des Tages lieber in kühlen Innenräumen verbringen. Draußen sollten Kinder immer einen Sonnenhut tragen, am besten mit Nackenschutz und einer Krempe vorn, damit der Kopf gut geschützt ist. Eine weitere unterschätzte Gefahr im Sommer ist der Hitzschlag: Die Kinder überhitzen so stark, dass die Wärmeregulation ihres Körpers versagt. Die Körpertemperatur steigt über 40 Grad. "Im schlimmsten Fall droht dann ein Multiorganversagen", sagt Rodeck. Vorbeugen können Eltern, indem sie Sport in der Hitze vermeiden und darauf achten, dass Kinder viel trinken. Eindringlich warnt der Kinderarzt davor, Kinder bei Hitze allein im Auto zu lassen, auch nicht für kurze Zeit. In der Sonne kann sich das Auto innerhalb von Minuten aufheizen und für Babys zur Falle werden. Zum Glück wissen die meisten Eltern über diese Gefahr Bescheid. Zeigt ein Kind Anzeichen einer Überhitzung, dann sollten Eltern ihm schnell etwas zu trinken anbieten und es abkühlen, zum Beispiel mit kühlen, feuchten Tüchern. Gelingt das nicht und geht es dem Kind sichtbar schlecht, dann im Zweifel lieber den Notruf wählen.
Warum ist Sonnenschutz bei Kindern so wichtig?
"Kinderhaut ist schlechter als die Haut von Erwachsenen gegen Sonneneinstrahlung geschützt", sagt der Dermatologe Dr. Uwe Kirschner aus Mainz. Denn anders als Erwachsenenhaut hat Kinderhaut bisher nicht die Fähigkeit, schützende Lichtschwielen zu bilden. Sie produziert noch zu wenig Melanin und ist um ein Vielfaches dünner. "Der Eigenschutz der Haut baut sich erst langsam ab dem zweiten Lebensjahr auf", erklärt Kirschner. UV-Strahlen können bei Kindern deshalb leichter in die Haut eindringen, bleibende Schäden hinterlassen – und das Risiko für Hautkrebs im späteren Alter erhöhen. Aufgrund des Klimawandels nimmt die Zahl der Sonnentage zu. Zudem ist die Belastung mit UV-Strahlung heute stärker als in der Kindheit der heutigen Elterngeneration. "Deshalb sollten Eltern ihre Kinder im Sommer immer vor der Sonne schützen, auch an kühleren oder bewölkten Tagen", sagt Kirschner.
Welche Sonnencreme ist für Kinder am besten geeignet?
"Bei Babys unter einem Jahr sollten Eltern noch auf Sonnencreme verzichten", rät Kirschner. Bisher ist nicht ausreichend untersucht, wie chemische UV-Filter auf die empfindliche Säuglingshaut wirken. Lieber sollten Eltern Babys mit langärmeliger Kleidung und einem Sonnenschirm oder Sonnensegel schützen und sie nach Möglichkeit im Schatten halten. "Bei Kindern ab einem Jahr spricht nichts dagegen, Gesicht und Hände mit einer Sonnencreme zu schützen", sagt Kirschner. Ältere Kinder dürfen ohne Bedenken auch Cremes mit chemischen UV-Filtern verwenden. Kirschner empfiehlt dermatologisch getestete Cremes und Lotionen ohne Duftstoffe, mit einem hohen Lichtschutzfaktor, also 50 oder höher. Beim Eincremen gilt das Motto: Viel hilft viel. Alle zwei Stunden und immer nach dem Baden oder Planschen sollten Eltern nachcremen, auch bei wasserfesten Sunblockern. Und auch wenn viele Kinder vom ständigen Eincremen genervt sind: Eltern sollten keine Hautpartie aussparen.
Was sollte man dem Baby bei Hitze anziehen?
Bei allem Wissen um die Bedeutung von Sonnenschutz – manchmal möchten Eltern einfach unbeschwert den Sommer mit ihren Kindern genießen. Müssen Kinder immer weiß eingecremt im Schatten sitzen, immer langärmelige UV-Schutzkleidung tragen? "Jetzt lassen wir mal die Kirche im Dorf", sagt Rodeck. Wenn ein Kind mit einem hohen Lichtschutzfaktor gut eingecremt sei und nicht gerade in der prallen Mittagssonne spiele, dann dürfe es im Garten auch mal nackt herumlaufen. "Das Kind soll sich schließlich auch wohlfühlen." Zu UV-Schutzkleidung rät der Kinderarzt vor allem bei einem Strandurlaub, wenn die Kinder am Meer eine Sandburg bauen oder am Wasser spielen und dabei nicht permanent unter dem Sonnenschirm sitzen. Babys sollten an heißen Tagen vorzugsweise dünne, luftige Bekleidung tragen, aus Baumwolle oder Wolle-Seide, um einer Überhitzung vorzubeugen. Zum Schlafen reicht dann in der Regel ein Kurzarmbody und ein dünner Sommerschlafsack aus Baumwolle.
Brauchen Kinder schon eine Sonnenbrille?
Wollen Eltern auf Nummer sicher gehen oder ist ihr Kind besonders lichtempfindlich, dann können sie ihm ruhig eine Sonnenbrille aufsetzen. Dermatologe Kirschner rät dazu, ein hochwertiges Modell zu kaufen, mit CE-Siegel und einer UV-400-Kennzeichnung. Nur dann ist der Schutz wirklich gewährleistet. Zwingen müssten Eltern ihre Kinder zur Sonnenbrille aber nicht, sagt Kinderarzt Rodeck: "Aber wenn die Kinder das akzeptieren und schick finden, dann gerne."
Sollten Babys an heißen Tagen zusätzlich Wasser trinken?
Viele Eltern fragen sich, ob sie ihrem Baby bei Hitze zusätzlich Wasser zu trinken anbieten sollten. Davon raten Mediziner jedoch strikt ab. Bis sechs Monate können Säuglinge noch kein Wasser vertragen und davon sogar krank werden – ihre Nieren vertragen Wasser bisher nicht in größeren Mengen. "Voll gestillte Babys bekommen in der Regel genug Flüssigkeit über die Muttermilch", sagt Rodeck. Meistens melden sich Babys von allein, wenn sie Durst haben. Wichtig ist, dass auch die Mutter an heißen Tagen ausreichend trinkt, laut offizieller Empfehlung mindestens zwei Liter Wasser am Tag. Auch bei Flaschenkindern ist die Milch so konzipiert, dass sie den Flüssigkeitsbedarf des Babys decken soll. Erst ab dem Beikostalter dürfen und sollten Säuglinge Wasser trinken. Ob ein Baby dehydriert ist, zeigt sich unter anderem durch eine eingefallene Fontanelle. Auch trockene Haut, Weinen ohne Tränen und wenig Urin in der Windel können Symptome für einen Flüssigkeitsmangel bei Kindern sein. Im Zweifel sollten Eltern dann lieber einen Kinderarzt aufsuchen. "Kleinkindern und älteren Kindern sollten Eltern regelmäßig kleine Mengen Wasser oder ungesüßten Tee anbieten und den Inhalt von Trinkflaschen regelmäßig austauschen, damit er frisch bleibe", sagt Rodeck. Auch nachts sollte stets ein Trinkbecher Wasser für Kinder in Reichweite stehen.
Wie hält man Auto und Wohnung mit Kindern kühl?
Draußen sind es 30 Grad, doch in der Wohnung herrscht dank Klimaanlage frostige Eiszeit? "Man sollte natürlich nicht von einem Extrem ins andere verfallen", sagt Kinderarzt Rodeck. Eine Klimaanlage ist grundsätzlich in Ordnung. Die Raumtemperatur sollte aber immer den Bedürfnissen des Kindes entsprechen und idealerweise zwischen 18 und 21 Grad liegen. Raumthermometer können helfen, die Temperatur zu kontrollieren. Auch ein Ventilator ist eine gute Möglichkeit, an heißen Sommertagen für Abkühlung zu sorgen. Schlafzimmer sollte man tagsüber verdunkeln und in den Morgen- und Abendstunden stoßlüften, um sie kühl zu halten. Im Auto können Eltern neben den Kindersitzen dunkle Sonnenblenden mit UV-Schutz an den Fenstern anbringen. Das Kinderzimmer liegt unter dem Dach? "Dann ist es vielleicht ratsam, wenn das Baby an heißen Tagen in einem kühleren Zimmer schläft", sagt Kinderarzt Rodeck. Den Kinderwagen sollten Eltern bei Hitze besser nicht mit Tüchern bedecken, sondern Babys möglichst offen lagern.
Fazit: Ganz heiße Tipps
Am schönsten an heißen Sommertagen ist für Kinder übrigens ein Planschbecken. "Alternativ kann man Kinder auch mit kalten, feuchten Tüchern abtupfen, um den Schweißfilm zu simulieren", sagt Kinderarzt Rodeck. Für Babys können Eltern ein nasses Badetuch oder eine feuchte Plane im Garten ausbreiten, als Anreiz ein paar Spielzeuge darauf verteilen und es darauf herumkrabbeln lassen. Wichtig ist aber auch hierbei: Mittagshitze meiden, Kinder regelmäßig eincremen und einen Hut aufsetzen. Aber das sollte ja jetzt sonnenklar sein.