
Wer stark aussehen will, der muss leiden. Nur das konsequente Befolgen eines Ernährungsplans hilft, ein hart erkämpftes Sixpack nicht gleich wieder unter einem Wohlfühlbäuchlein verschwinden zu lassen. Oder sind Sie vielleicht zu streng mit sich? Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie hätten mittags die Wahl zwischen zwei Gerichten: Omelette mit Gemüse und Süßkartoffeln oder eine große Portion Pasta mit Schinken-Sahne-Soße. Der erste Gedanke: Gericht eins ist gesund, das zweite nicht und macht dick. Doch in Sachen Kalorien und Makronährstoffe schenken sich beide Mahlzeiten nichts: Sie kommen je auf 850 Kalorien, 40 Gramm Protein, 100 Gramm Kohlenhydrate und 30 Gramm Fett – nur aus unterschiedlichen Nahrungsmitteln. Warum also auf die Nudeln verzichten, wenn doch die Verteilung der Makronährstoffe identisch ist? Spielt es für den Körper überhaupt eine Rolle, welches der Gerichte Sie essen? Oder ist das alles nur ein Mythos? Diese Fragen gelten auch dem neuen Ernährungstrend "If It Fits Your Macros" (kurz: IIFYM), der unter Kraftsportlern und Bodybuildern immer beliebter wird. „Anhänger des Prinzips sagen, dass mit dem Hauptaugenmerk auf die Verteilung des individuellen Bedarfs an Mikro- und Makronährstoffen beinahe die gleichen Ergebnisse bei Muskelaufbau oder Abnehmen möglich sind wie mit der eher einseitigen und oft sehr strengen Bodybuilding-Ernährung“, sagt Personal Trainer und Ernährungscoach Gordon Wriedt aus Hamburg. Bedeutet: Alles, was Sie mögen, dürfen Sie essen, solange die nötigen Makronährstoffe und Mikronährstoffe enthalten sind. Wer also alle Nährstoffe zählt und erfasst, kann ab und zu freien Speicherplatz mit Junkfood auffüllen.
Was sind überhaupt Makros?
Makronährstoffe – oder kurz Makros – ist der Oberbegriff für Kohlenhydrate, Fett und Proteine (Eiweiß). Ohne diese drei Hauptnährstoffe läuft im Körper gar nicht. Sie sind genauso essentiell wie Mikronährstoffe (etwa Vitamine) – aber eben auch aus Junkfood beziehbar. Theoretisch.
So funktioniert IIFYM NICHT
Absolute Hardliner des Prinzips der "flexiblen Diät", wie IIFYM auch gerne genannt wird, gehen häufig noch einen Schritt weiter und achten nur auf die Makronährstoffe – und vernachlässigen die Mikronährstoffe: Kalorien sind Kalorien, Kohlenhydrate sind Kohlenhydrate, ob aus Gummibärchen oder Kartoffeln spielt da keine Rolle. „Das ist ein Schritt in die falsche Richtung“, urteilt Wriedt, „denn wer sich ausschließlich von Junkfood ernährt und seine Proteine nur durch Shakes aufnimmt, führt kaum Mikronährstoffe zu, die der Körper nicht selbst bilden kann.“ Ein Mangel an Mikronährstoffen kann zu Heißhunger-Attacken und Schlafstörungen führen und das Krebsrisiko erhöhen.

Daher ist der Frischefaktor auch bei IIFYM wichtig: Die für den Körper erforderlichen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente stecken in unverarbeiteten Nahrungsmitteln. Experte Wriedt rät daher, auch bei IIFYM-Ernährung hauptsächlich zu frischen Lebensmitteln zu greifen: „Die täglichen Kalorien und Makronährstoffe sollte man zu 80 bis 90 Prozent durch naturbelassene Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Fleisch, Fisch oder Eier zuführen, die alle reich an Mikronährstoffen sind.“ Die restlichen 10 bis 20 Prozent ließen sich durch vitamin- und nährstoffarme Nahrung ergänzen. Einzige Regel: Auch die mikronährstoffarmen Lebensmittel wie Süßgetränke oder Junkfood müssten in die individuelle Makronährstoff-Verteilung passen. Haben Sie über den Tag beispielsweise genug Obst und Gemüse gegessen (500 Gramm sind ein guter Richtwert), Ihren Bedarf an Kohlenhydraten jedoch noch nicht gedeckt, können Sie sich guten Gewissens statt zwei Bananen auch ein, zwei (alkoholfreie) Bier gönnen.
Der Fokus sollte aber auch bei IIFYM stets auf vollwertiger, fester Nahrung liegen, denn für die Gesundheit spielen auch die Ballaststoffe eine wichtige Rolle. Diese stecken ebenfalls in Lebensmitteln mit hoher Nährstoffdichte – erstklassige Lieferanten sind Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Rohkost. Es sollten jeden Tag mindestens 25 Gramm Ballaststoffe sein, besser 40 bis 50 Gramm. Aber Vorsicht, zu viel oder zu wenig an Ballaststoffen kann ebenso zu Verdauungsproblemen führen wie große Mengen Junkfood. Hier liegt ein Vorteil von IIFYM — die Flexibilität: Haben Sie über den Tag bereits viele Ballaststoffe aufgenommen, benötigen aber noch Kalorien, können Sie auf ballaststoffarme Lebensmittel ausweichen, zum Beispiel Weizen- statt Vollkornnudeln oder Cornflakes statt Haferflocken futtern.
"If It Fits Your Macros" in der Praxis – so funktioniert's

IIFYM setzt Zahlenhandwerk voraus: Nährwerte zählen, den Nährstoffbedarf decken, all das schränkt die Flexibili-tät ein und kostet einiges an Zeit. Neben dem Wissen über den Kalorienverbrauch brauchen Sie vor allem ein Gefühl dafür, welche und wie viel der jeweiligen Makronährstoffe in Mahlzeiten oder einzelnen Lebensmitteln stecken. Zwei Dinge sind Pflicht: eine Küchenwaage und ein Kalorien-Tracker (gibt’s als App), damit Sie über die Nährstoffe Tagebuch führen können. Ihren Kalorienbedarf können Sie beim Arzt oder vom Ernährungscoach ermitteln lassen. Oder Sie führen 2 bis 4 Wochen Tagebuch über Ihre Ernährung und Ihr Körpergewicht und tasten sich schrittweise heran. Wriedt: "Klappt das mit dem Nährstoff-Tracking, können Sie mit IIFYM mittel- und langfristige Leistungsziele erreichen, ohne sich gänzlich zu kasteien."

Zwei Sportler, zwei Meinungen
Pro IIFYM: Daniel Loidl
Daniel Loidl, der 25-jährige Sportökonom und Personal Coach aus Regensburg trainiert als Bodybuilder 5-mal pro Woche, wiegt im Aufbau 120 Kilo (auf 1,82 Meter). Mehr unter www.danielloidl.de.
"Nach dem IIFYM-Prinzip ernähre ich mich seit 3 Jahren, erweitere es aber seit dem ersten Tag um Mikronährstoffe und Ballaststoffe. Bei IIFYM nur auf Makronährstoffe zu achten, ist ein Fehler, den viele machen. IIFYM bedeutet nicht, dass man alles essen kann, solange am Ende des Tages das Kalorienziel erreicht ist – das wird leider fälschlicherweise oft behauptet. Die Gesundheit des Körpers steht immer im Vordergrund. Nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema Ernährung schien mir IIFYM logisch: Man führt seinem Körper alle Ballast- und Mikronährstoffe zu, die er benötigt, um gesund und fit zu bleiben. Dann füllt man die restlichen Makronährstoffe mit Lebensmitteln auf, die einem schmecken. Dadurch rücken die Faktoren Spaß und Genuss wieder in den Mittelpunkt. Ein klares Argument für IIFYM ist für mich darüber hinaus, dass ich auf nichts verzichten muss und ein gesellschaftsfähiges Leben führen kann, das heißt: Ich muss keine Einladungen zu einem Abendessen ablehnen oder am Tisch „der mit der Tupperdose“ sein. Am Anfang ist das alltägliche Kalorienzählen vielleicht ein bisschen umständlich, aber nach einer Weile geht’s einem leicht von der Hand."

Contra IIFYM: David Kramme
Der Bielefelder Fitness-Studio-Leiter David Kramme (27) war Finalist beim Men’s-Health- Cover-Model-Contest, trainiert 5-mal pro Woche, wiegt 92 Kilo (1,98 Meter). Mehr Infos unter facebook.com/krammedavidd.
"Als ich mich auf den Cover-Model-Contest 2016 vorbereitete, wurde ich zum Clean Eater und ernährte mich nur noch von qualitativ hochwertigen Produkten. Bei allen Mythen um Lebensmittel und Diättrends geht nach meiner Meinung das Allerwichtigste verloren: wirklich gesunde Ernährung. Beim Clean Eating kommt es vor allem auf Qualität und Hochwertigkeit der Produkte an. Viele Nahrungsmittel werden industriell verarbeitet, mit synthetischen Süß-, Farb- und Aromastoffen sowie Geschmacksverstärkern, Zucker, ungesunden Transfetten und anderen Stoffen versehen. Die Menschen fragen sich oft nur: Macht es dick oder nicht? Die Hochwertigkeit der Produkte ist ihnen egal. Darin sehe ich auch einen Nachteil von IIFYM: nicht darauf zu achten, welche Qualität die Nahrungsmittel haben, mit denen man seine Nährstoffspeicher füllt. Meiner Meinung nach dient IIFYM nur dazu, ein ungesundes Essverhalten zu rechtfertigen. Mein Prinzip ist ganz einfach: so biologisch gesund wie möglich. Das heißt nicht, dass es nie Ausnahmen gibt. Aber meist sollte es so natürlich wie möglich sein."
Fazit zu IIFYM
Die IIFYM-Strategie hilft ambitionierten Sportlern, die Probleme haben, einen strikten Ernährungsplan durchzuziehen. Sie müssen nicht jeden Tag vorkochen – in der Kantine oder auswärts zu essen ist erlaubt. Außerdem kann es Hardgainern helfen, trotz ihres hohen Stoffwechsels Muskeln aufzubauen und zuzunehmen – etwa, wenn sie ihre täglichen Kalorien zum Teil aus Nahrung mit hoher Kaloriendichte aufnehmen. Ohne Ballast- und Mikronährstoffe kann IIFYM allerdings zu Mangelerscheinungen, Krankheiten und gestörtem Essverhalten führen. Es ist also kein Freifahrtschein für Junkfood! Sie können damit aber Heißhunger-Attacken umgehen, da Sie täglich Puffer für Unvernünftiges haben und somit nicht Gefahr laufen, sich an einem Cheat-Day pro Woche total zu versündigen.
Tipp: Für iPhone-User gibt es mit dem "Makronährstofftracker" eine clevere IIFYM-App, die Ihnen hilft, den Kalorien-Überblick zu behalten.