Aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung lassen aufhorchen: Mit Blood-Flow-Restriction-Training soll es möglich sein, seinen Körper mit deutlich geringeren Gewichten als bisher angenommen, in Bestform zu bringen. Klingt unspektakulär, ist aber eine echte Revolution. Denn: Das American College of Sports Medicine rät Fitness- und Gesundheitssportlern, keine Lasten unterhalb von 70 % ihres persönlichen 1-Wiederholung-Maximums beim Krafttraining zu stemmen. Unterschreitet man diesen kritischen Wert, so die Befürchtung, bliebe ein kontinuierliches Muskelwachstum aus. Das belegen die Ergebnisse einer Studie. Okklusionstraining krempelt die alten Fitnessdogmen nun um – Sportler können maximale Resultate auch dann erzielen, wenn sie mit weniger Gewicht hantieren.
Was ist Blood-Flow-Restriction-Training?
Okklusionstraining tauchte in den 90ern erstmalig in der fachwissenschaftlichen Literatur auf – bereits Jahrzehnte vorher haben Fitnesspioniere Blood-Flow-Restriction-Training im Selbstversuch entwickelt. So geht’s: Ein Sportler unterbindet die Blutzufuhr mit einer Schlinge, zum Beispiel am Bizeps, und beginnt anschließend, eine Übung zu absolvieren. Gemäß Studien aus der sportwissenschaftlichen Forschung reichen beim Okklusionstraining bereits 20 % des 1-Wiederholung-Maximums, um die gleiche Muskelquerschnittszunahme zu erreichen wie beim herkömmlichen Krafttraining.
Kraft-Coach Andreas Pürzel weiß um die phänomenalen Effekte der Abquetsch-Übungen und baut diese regelmäßig in seine Workouts ein. Bevor er an die Langhantel geht, bindet er um seine beiden Oberarme jeweils einen Plastikschlauch. "Wer seine Arm- und Beinmuskulatur abbindet, reduziert den venösen Rückstrom stark. Dadurch entsteht sehr schnell der sogenannte Pump", erklärt der Experte. Arme und Beine mit Schlingen abbinden? Das klingt doch nach Folter. Ganz schmerzfrei ist Okklusionstraining tatsächlich nicht, dafür aber umso effektiver.
Wie funktioniert Okklusionstraining?
Es gibt unterschiedliche Theorien, weshalb das Unterbinden der Blutzufuhr beim Krafttraining die genannten Ergebnisse beschert. Geklärt ist das Ganze jedoch nicht. Selbst Experten sind sich uneinig, welche biochemischen Abläufe beim Blood-Flow-Restriction-Training genau wirken. Klar ist: Wer viele Wiederholungen absolviert, während eine Manschette den venösen Blutfluss abquetscht, häuft Stoffwechselzwischenprodukte wie beispielsweise Laktat und Wachstumshormone im Muskel an. Aufgrund des Sauerstoffdefizits bewirkt die metabolische Belastung dann ein Muskelwachstum. "Ein Reiz durch hohe Stoffwechselbelastung sorgt außerdem für eine schnellere Regeneration von Muskeln und Nerven", erklärt Experte Pürzel. Das Ergebnis: eindrucksvolle Muskelberge. Allerdings sei die Wirkung eines reinen Stoffwechsel-Reizes im Vergleich zu einer bei hohen Lasten auftretenden mechanischen Schädigung der Muskelfasern (beim klassischen Hypertrophie-Workout) eher gering – beim Blood-Flow-Restriction-Training müssen also noch weitere Mechanismen wirken.
Studien zeigen, dass der Körper die Produktion von sogenannten Satellitenzellen beim Okklusionstraining intensiviert. Diese Zellen spielen nach einem anstrengenden Workout beim Wiederaufbau beschädigter Muskelfasern eine zentrale Rolle – sie reparieren das lädierte Gewebe ähnlich wie Handwerker ein undichtes Rohr. Zudem steigt beim Okklusionstraining der Druck in der Membran der Muskelzellen und die Konzentration von Myostatin ist reduziert. Das Protein ist für die Hemmung des Muskelwachstums zuständig. "Tatsächlich ist es die Summe der ganzen Effekte – also Metabolitanhäufung, Hormonausschüttung, Zellschwellung und Sauerstoffmangel – die den Muskel zum Wachsen bringt", erklärt Simon Gavanda, Doktorand an der Sporthochschule Köln und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der IST-Hochschule für Management Düsseldorf.
Welche Vorteile hat Okklusionstraining?
Ganz klar: beachtliche Muskelzuwächse. Dabei ist der Effekt an den Beinen größer als an den Armen – vermutlich aufgrund der dort befindlichen üppigeren Muskelmasse. Ebenfalls erstaunlich ist der Effekt beim Aktivieren der Muskelfasern: Es scheint, als würden die Abquetsch-Übungen die natürliche Reihenfolge durcheinander bringen. Im Normalfall kontrahieren bei Bewegungen zunächst die langsamen, ausdauernden ST-Fasern (Slow-Twitch-Fasern) und erst darauf die schnellen FT-Fasern (Fast-Twitch-Fasern). Ist der Muskel mangelhaft durchblutet, wie im Fall des Okklusionstrainings, übernehmen selbst bei leichten Intensitäten die FT-Fasern das Ruder. Die großen motorischen Einheiten, welche die schnellen Fasern zum Zucken bringen, sind also viel früher aktiv. "FT-Fasern haben ein größeres Potenzial zu wachsen. Selbst mit leichten Gewichten ist es beim BFR-Training daher möglich, maximale Erfolge zu erzielen", erklärt Gavanda.
Für wen ist Blood-Flow-Restriction-Training geeignet?
- Für Gesundheitssportler: Manschette umbinden, Druck erhöhen und leichte, anstatt schwere Gewichte in die Hände nehmen – so können Trainings-Wiedereinsteiger das Verletzungsrisiko minimieren.
- Für Leistungssportler: Physiotherapeuten setzen die Trainingsform ein, um einem schnellen Verlust der Muskulatur nach einer Verletzung entgegenzuwirken. Auf diese Weise können die Sportler mit geringer Intensität Übungen absolvieren – und dadurch schneller zu alter Form zurückfinden.
- Für fortgeschrittene Kraftsportler: Studien zeigen, dass gut trainierte Kraftsportler, die bei leichten Gewichten normalerweise eher schwächer als stärker werden, ihre Kraft schon bei niedrigen Lasten mit BFR-Training steigern können.
So wendest du die Okklusionsmethode richtig an



Welche Tools eignen sich zum Abbinden?
Manschetten, die Ärzte beim Blutabnehmen verwenden, eignen sich am besten fürs Okklusionstraining. Grundsätzlich kannst du aber jede Art von Bändern, Schläuchen oder Manschetten verwenden, solange sie nicht in die Haut schneiden. "Ob Kniebandagen, Venenstauer, Blutdruckmanschetten, Blutsperren, Flossing-Bänder oder Luftdruckmanschetten – letztendlich verfolgen sie alle das Ziel, den venösen Blutfluss zu unterbinden", erklärt Gavanda.
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Das solltest du beim Okklusionstraining beachten
"Derzeit gibt es keine Hinweise, dass Okklusionstraining risikobehafteter ist als normales Krafttraining", beruhigt Gavanda. Wie beim Einstieg in jede sportliche Aktivität solltest du jedoch unbedingt einen ärztlichen Rat einholen, bevor du mit Blood-Flow-Restriction-Training beginnst. Vorsicht ist bei Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (Bluthochdruck, Thrombose, Herzinsuffizienz), bei offenen Wunden und einer Schwangerschaft geboten. Unser Rat: Lieber einen Gang zurückschalten und keine gesundheitlichen Risiken in Kauf nehmen.
Fazit: BFR-Training lässt deine Muskelmasse schnell wachsen - mit wenig Gewicht
Okklusionstraining bringt frischen Wind ins Krafttraining. Mit weniger Gewicht kannst du maximale Muskelzuwächse erzielen. Durch das Abbinden der Blutzufuhr werden Metaboliten und Wachstumshormone im Muskel angereichert, wodurch deine Muskeln auf Hochtouren arbeiten. Zudem reduziert BFR das Verletzungsrisiko und liefert trotzdem top Ergebnisse. Klingt schmerzhaft, ist aber sehr effektiv!
Erwähnte Quellen:
Anthony K. May et al. (2022): Muscle Adaptations to Heavy-Load and Blood Flow Restriction Resistance Training Methods. Frontiers in Physiology, https://doi.org/10.3389/fphys.2022.837697, zuletzt abgerufen am 22.07.2024
American College of Sports Medicine (2009): American College of Sports Medicine position stand. Progression models in resistance training for healthy adults. Medicine and science in sports and exercise, https://doi.org/10.1249/MSS.0b013e3181915670, zuletzt abgerufen am 22.07.2024
Felipe C Vechin et al. (2015): Comparisons between low-intensity resistance training with blood flow restriction and high-intensity resistance training on quadriceps muscle mass and strength in elderly. Journal of strength and conditioning research, https://doi.org/10.1519/jsc.0000000000000703, zuletzt abgerufen am 22.07.2024
Nina Saatmann et al. (2021): Effects of Blood Flow Restriction Exercise andPossible Applications in Type 2 Diabetes. CellPress: Trends in Endocrinology & Metabolism, https://doi.org/10.1016/j.tem.2020.11.010, zuletzt abgerufen am 22.07.2024