Nie mehr müde und schlapp
Besser schlafen

Sie liegen nachts wach und können nicht einschlafen? Wir nehmen zwölf Mythen unter die Lupe, damit Sie am Ende wieder besser schlafen. Guten Nacht!
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"Schlafen kann ich auch noch, wenn ich tot bin." Mit diesem Zitat des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder betont mancher, dass er viel produktivere Sachen machen könnte, als stundenlang bewusstlos unter kuscheligen Decken zu dümpeln.

Fassbinder ist jedoch mit 37 gestorben, vielleicht hätte er seiner Nachtruhe doch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Denn Schlaf ist alles andere als unproduktiv. So gehört es zu den nächtlichen Jobs, Erfahrenes und Gelerntes vom Tage im Langzeitgedächtnis zu festigen, Wachstumshormone für Zellerneuerung und Wundheilung zu produzieren und das Immunsystem für die Jagd auf Viren und Bakterien anzuheizen.

"Anders als viele denken ist der Energieverbrauch des Körpers im Schlaf fast so hoch wie tagsüber – der Unterschied entspricht gerade dem Gegenwert einer Scheibe Toastbrot", sagt Professor Jürgen Zulley, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Universität Regensburg. Lassen Sie also einen Experten vom Schlaf erzählen – damit Sie Märchen von echten Gute-Nacht-Geschichten unterscheiden können.

Schlafmythos 1: Vormitternachtsschlaf

"Guten Schlafes ganze Pracht entfaltet sich vor Mitternacht"

Richtig! Allerdings nur dann, wenn Sie darunter wirklich die "Mitte der Nacht" verstehen – und die liegt eher bei etwa 3 Uhr.

"Das ist die eigentliche Geisterstunde des Biorhythmus", sagt Zulley. Wer dann wach sein muss, ist unruhig, verfroren und übellaunig bis zur Schwermut – einer der Gründe, warum Sie niemals nachts Probleme wälzen sollten. In die besonders erholsamen Tiefschlafphasen tauchen Sie fast nur in den ersten 4 Stunden des Schlafes und vor der biologischen Mitternacht ab. Den meisten Tiefschlaf sammeln Sie demnach, wenn Sie regelmäßig um 23 Uhr im Bett verschwinden. "Der Körper kann verpassten Tiefschlaf aber in der folgenden Nacht nachholen", beruhigt Zulley. Machen Sie also ruhig mal durch!

Schlafmythos 2: Morgenmuffel

Wer aus tiefem Schlaf gerissen wird, ist müde und platt
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Morgens gut in den Tag starten? Der Wecker muss richtig gestellt sein

"Wer ist morgens müd und matt, nächtens schlecht geschlafen hat"

Falsch! Oft hat der Wecker nur zur falschen Zeit geklingelt. "Tatsächlich lassen sich vom Zustand beim Erwachen keine Rückschlüsse auf die Schlafqualität ziehen", erklärt Zulley.

Das liegt daran, dass die Nachtruhe in Stadien unterteilt ist, in denen Sie unterschiedlich tief schlafen. Wer aus tiefem Schlaf gerissen wird, ist völlig neben der Spur, während ihm das Aufstehen leicht fällt, wenn er sich natürlicherweise an der Schwelle zum Erwachen befindet. Beides sagt überhaupt nichts darüber aus, ob Sie bereits genug Energie für den nächsten Tag getankt haben. Ob jemand zu wenig schläft oder gar unter einer Schlafstörung leidet, bemessen Schlafforscher deshalb daran, ob er tagsüber die meiste Zeit frisch ist oder sofort einnickt, wenn es langweilig oder gemütlich wird. Wollen Sie morgens leichter aus dem Bett kommen, sollten Sie den Wecker also in einer Leichtschlafphase klingeln lassen.

Das errechnen Sie so: Der 1. Zyklus dauert etwa 60, die folgenden ungefähr 90 Minuten. Hinzu kommt die Einschlafdauer, bei den meisten etwa 15 Minuten. Die optimalen Weckzeiten liegen also 5:45, 7:15 und 8:45 Stunden nach "Licht aus".

Schlafmythos 3: Eine Mütze Schlaf

"Ein paar Stündchen jede Nacht haben noch jeden frisch gemacht"

Falsch! Ignorieren Sie Leute wie Thomas Edison, Erfinder der Glühbirne, die prahlen, mit 4 Stunden Schlaf pro Nacht auszukommen. Denn oft ergänzen diese Menschen ihren Schlaf tagsüber mit diversen Nickerchen und kommen so insgesamt auf völlig normale Schlafmengen. Selbst wenn nicht: Wie viel Schlaf man braucht, um erholt zu sein und langfristig gesund zu bleiben, ist weitgehend genetisch festgelegt.

"Bei den meisten Menschen beträgt das Schlafbedürfnis 7 bis 8 Stunden", sagt Zulley. Ihr eigenes Optimum finden Sie heraus, indem Sie eine Zeitlang stets zur gleichen Zeit ins Bett gehen (nicht zu spät!) und morgens aufstehen, sobald Sie munter sind. Notieren Sie die geschlafenen Stunden, dann erkennen Sie nach einer Weile Ihren persönlichen Durchschnittswert.

Schlafmythos 4: Schlafstörung

"Wer wird nächtens immer wach, tickt nicht richtig unterm Dach"

Falsch! "Es ist keine Schlafstörung, nicht durchzuschlafen, sondern völlig normal", sagt Zulley. Wer 7 Stunden schläft, der wird ungefähr 28-mal pro Nacht wach, doch in den meisten Fällen erinnert er sich nicht daran, weil er sofort wieder einschlummert.

Die Schlafforschung hat ermittelt, dass Ihnen die Wachphase nur dann bewusst wird (und im Gedächtnis bleibt), wenn sie länger als 3 Minuten dauert. Problematisch wird aber auch ein bewusstes Erwachen laut Zulley erst dann, wenn der Betroffene sich darüber ärgert oder Sorgen macht: "In dem Fall werden Stresshormone ausgeschüttet, die Ihnen tatsächlich den Schlaf rauben."

Wer nicht wieder einschlafen kann, sollte prüfen, ob er körperlich trotzdem entspannt ist. Dann ist es ratsam, ruhig liegen zu bleiben und sich auf den Atem zu konzentrieren. Atmen Sie bewusst tief und langsam ein und noch langsamer wieder aus. Wenn Sie sich hingegen nur unruhig von einer Seite auf die andere wälzen, dann sollten Sie lieber aufstehen. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Körper nicht auskühlt, und gehen Sie einer ruhigen Tätigkeit nach, die bei Ihnen positive Gedanken weckt und die Sie jederzeit beenden können, wenn die Bettschwere dann doch zurückkehrt.

Schlafmythos 5: Einschlafritual

Nachm Sport Duschen kann entspannend wirken
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Abends nicht auspowern, sondern gemütlich herunterfahren

"Gehst du abends spät zum Sport, schläfst du nachher ein sofort"

Falsch! Sich an seine Leistungsgrenze zu bringen, macht nicht bettschwer, sondern erhöht die Produktion des Stresshormons Cortisol – und das hält erst mal wach.

Mit stark fordernden Trainingseinheiten sollten Sie deswegen spätestens am Nachmittag durch sein. "Die Annahme, dass spätes Training generell den Schlaf stört, ist jedoch überholt", sagt Zulley und empfiehlt gleichmäßige und ruhige Sportarten.

Wenn Sie an späte Trainingszeiten gebunden sind, können Sie die Dusche danach zum Einschlafritual machen: Die Wärme und der massierende Wasserstrahl helfen beim Entspannen. Ob Sauna oder ein heißes Bad die gleiche Wirkung haben, müssen Sie ausprobieren, manche reagieren darauf eher aufgekratzt.

Schlafmythos 6: Schlummertrunk

"Wer trinkt abends Wein & Bier, schläft dann wie’n Murmeltier"

Falsch! Sicher, Sie schlafen schneller ein, aber die Schlafstruktur gerät durcheinander und verhindert so, dass die Nacht wirklich erholsam wird. Besonders der wichtige Tiefschlaf leidet.

Zudem lockert die durch den Alkohol erzeugte Entspannung auch das Gewebe im Rachen: "Schon 1 Glas Bier erhöht deutlich die Wahrscheinlichkeit zu schnarchen", erklärt Zulley. Das stört den Schlaf aus mehreren Gründen: Sie bekommen durch das erschlaffte Gewebe nicht genug Luft und werden öfter durch den eigenen Geräuschpegel wach. Oder weil Ihnen Ihre Partnerin ständig den Ellenbogen in die Seite rammt.

Schlafmythos 7: Rückenschläfer

"Schlafend auf den Rücken legen, lässt den Schläfer gerne sägen"

Wer auf dem Rücken liegt, der schnarcht eher.

Die Wahrscheinlichkeit, dass erschlafftes Rachengewebe den Luftstrom behindert, ist in Rückenlage größer als in anderen Stellungen. Manchmal hilft dagegen schon ein höheres Kissen, in schwereren Fällen können Sie sich mit einer so genannten Rückenlage-Verhinderungsweste ins Bett legen (aus dem Sanitätshaus). "Sieht aus wie Quasimodo, funktioniert aber", sagt Zulley.

Nutzlos sind Gerätschaften, mit denen die Nasenlöcher weiter geöffnet werden sollen. Auch viele Operationen zur Befreiung der Atemwege bringen laut Zulley häufig keinen dauerhaften Erfolg, deshalb sollten Sie die nur erwägen, wenn die Empfehlung von einem beim Thema Schnarchen erfahrenen Hals-Nasen-Ohren-Arzt ausgesprochen wird. Es gibt sie zum Beispiel in spezialisierten Schlaflaboren, die Adressen bekommen Sie bei der Deutschen Akademie für Gesundheit und Schlaf (DAGS) unter Tel. 09 41 / 9 42 82 71.

Eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen das Schnarchen ist übrigens, sich dauerhaft von überflüssigen Pfunden zu befreien.

Schlafmythos 8: Mittagstisch

Die Pause sollte nicht länger als eine halbe Stunde sein
Kleine Nickerchen machen leistungsfähiger

"Wer nach der Vesper müde ist, mittags wohl das Falsche isst"

Falsch! Zu üppig und zu kohlenhydratreich zu essen mag das Mittagstief verschärfen, ist aber nicht schuld daran. Die Ursache liegt im Biorhythmus, ist also angeboren.

Geben Sie dem natürlichen Ruhebedürfnis des Körpers nach, statt mit der Müdigkeit zu kämpfen. Ein Schläfchen wird mit einer deutlich höheren Leistungskurve am Nachmittag belohnt. "Nach einem Nickerchen ist die Leistungsfähigkeit um 35 Prozent größer", sagt Schlafforscher Zulley.

Vorsicht: Wer zu lange ruht, sinkt in den Tiefschlaf und kommt danach schlecht in Gang! Damit das nicht passiert, einen Wecker stellen und maximal 30 Minuten die Augen schließen. Das ist auch dann erholsam, wenn Sie nicht einschlafen.

Schlafmythos 9: 00

"Musst du nächtlich oft aufs Klo, liegt’s vielleicht an der Apnoe"

Richtig! Wenn Sie regelmäßig häufiger als 2-mal pro Nacht zur Toilette müssen, kann das ein Zeichen für Schlafapnoe sein, also nächtliche Atemaussetzer.

Ersticken werden Sie zwar nicht, aber lebensgefährlich sind sie auf Dauer trotzdem. Denn Ihr Körper bekommt nicht genügend Sauerstoff und wird dadurch immer wieder in Alarm versetzt. Deswegen werden Sie zum Luftschnappen oft kurz wach – unter Umständen mehrere 100-mal pro Nacht.

Die bleierne Müdigkeit am folgenden Tag tötet auf Dauer alle Lebenslust, erhöht drastisch die Gefahr von Unfällen aller Art und belastet das Herz-Kreislauf-System. Solche Atemaussetzer treten meistens, aber nicht immer, gemeinsam mit starkem Schnarchen auf. Der nächtliche Druck auf der Blase kann das einzige Zeichen sein, das Sie vor der Gefahr warnt. Er entsteht, weil der sinkende Sauerstoffgehalt im Körper den Blutdruck erhöht. Um diesen zu senken, wird die Niere angeregt, mehr Flüssigkeit auszuscheiden – die Blase füllt sich.

Schlafmythos 10: Nachtwanderung

"Schlafwandeln ist ein Gerücht, denn wer schlafet, sündigt nicht"

Falsch! Es gibt Schlafstörungen, bei denen die Betroffenen – nur Männer – Träume ausleben und im Schlaf verrückte Dinge tun, ohne es am nächsten Tag zu wissen.

Damit gefährden sie nicht nur sich selbst, sie können auch ihre Partnerin verletzen, etwa wenn sie im Traum angegriffen werden und sich wehren. Daneben gibt es das öfter vorkommende Schlafwandeln, bei dem Betroffene im Tiefschlaf aktiv sind.

Woher die Störungen kommen? Der Schlaf des Gehirns und die Ruhe des Körpers werden normalerweise getrennt gesteuert und synchronisiert. Klappt es, sind Sie in der Traumphase weitgehend gelähmt; gelegentliches Zucken oder Sprechen ist normal. Dass die Koordination von Körper und Gehirn manchmal aber gravierender gestört ist, kann diverse Ursachen haben: erbliche Veranlagung, Stress oder dauerhaftes Durcheinander der biologischen Rhythmen, wie durch Schichtarbeit. Daneben begünstigen Fieber, psychische Erkrankungen sowie Alkohol und andere Drogen den so genannten Somnambulismus.

Die sprichwörtliche schlafwandlerische Sicherheit ist ein Mythos: Immer wieder stürzen Menschen im Tiefschlaf aus Fenstern, die sie für Türen hielten.

Schlafmythos 11: Partyvorbereitung

Wer beim Feiern lange durchhalten will, sollte am Mittag ein Nickerchen halten
Damit der Abend ein voller Erfolg: Schlaf ansammeln

"Willst du abends feiern geh’n, schlafe vor, bleib länger steh’n"

Richtig! Und zwar, indem Sie ein mögliches Schlafdefizit abbauen. Optimal wäre es, bereits in der Woche vor einer langen Nacht für genug Schlummer zu sorgen. Am Tag des Ereignisses verringert ein Mittagsschläfchen angestaute Müdigkeit, und selbst am frühen Abend können Sie sich aufs Ohr hauen.

Erholsam sind die Nickerchen aber nur, wenn Sie die bereits erwähnte Schlafarchitektur beachten: Entweder Sie schlummern maximal 30 Minuten oder Sie nehmen sich gleich eine Auszeit von 3 Stunden, in der Sie dann 2 Zyklen inklusive Tiefschlaf schaffen.

Schlafmythos 12: Strahlender Start

"Wirst du morgens munter nicht, hilft nur eines: Helles Licht!"

Richtig! Aber es muss richtig hell sein – von 2500 Lux aufwärts. Zimmerbeleuchtung kommt nur auf 400 Lux (Sonnenlicht: über 100 000 Lux).

Morgens ein Stündchen im Freien zu verbringen, ist ein unübertroffener Wachmacher. Wer im Dunkeln los muss, kann sich vor ein Lichttherapiegerät setzen (etwa über ). Zwei Stunden vor 2500 Lux machen wach, bei 10 000 Lux reichen 30 Minuten. Die Lampen helfen auch, Nachtschichten besser zu ertragen. Aber Vorsicht: Das ersetzt nie einen erholsamen Schlaf!

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 20.09.2023