Bist du schon mal lieber daheim vorm PC geblieben, als rauszugehen und anderen Hobbies nachzugehen? Gab es vielleicht sogar schon mal Streit, weil du lieber daddeln als mit deiner Freundin etwas zu unternehmen? Die "Gaming Disorder", also die Sucht nach Videospielen, ist seit Juni 2018 von der Gesundheitsorganisation WHO offiziell als Krankheit anerkannt worden. Allerdings befürchten Kritiker, dass dadurch jeder Gamer direkt verdächtigt wird süchtig zu sein. Damit das nicht passiert, klären wir hier auf, was genau dahinter steckt.
nur 14,90 €
Du bist bereits Kunde? Dann logge dich hier ein.
Nach erfolgreicher Zahlung erhältst du eine E-Mail mit einem Download-Link. Solltest du Fragen haben, sende eine Nachricht an fitness-shop@motorpresse.de.
Im Juni 2018 brachte die WHO den überarbeiteten Krankheitskatalog ICD-11 heraus, in dem die Gaming Disorder das erste Mal als offizielle Krankheit anerkannt wird. Dabei ist nicht unbedingt ausschlaggebend, wie oft oder lange jemand spielt. Viel wichtiger ist, ob das Spielverhalten das tägliche Leben einschränkt oder der Betroffene unter einem regelrechten Entzug leidet, wenn er mal nicht spielen kann. Von einer Gaming Disorder spricht man, wenn mindestens 5 von diesen Kriterien in den letzten 12 Monaten dauerhaft oder immer wieder erfüllt wurden:
Eigentlich macht Zocken Spaß. Man taucht ein in eine fremde Welt und ist da der Held. Man wird für harte Arbeit belohnt, egal, ob man endlich diesen einen Gegner besiegt oder eine scheinbar unmögliche Quest beendet. Dann hat man ein Erfolgserlebnis und erlebt einen "Kick". So weit, so gut. Problematisch wird's, wenn man für den nächsten Kick länger zocken muss. Und dann noch länger. Videospielsüchtige entwickeln eine Toleranz, wie es auch Alkoholiker oder Drogenabhängige tun. "Die Betroffenen geraten in einen Kreislauf, in dem das Gaming immer mehr Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt und andere Dinge vernachlässigt werden", erklärt Dr. Klaus Wölfling, Leiter der Ambulanz für Spielsucht aus Mainz.
Laut Experte treten zwei Dinge häufig bei Abhängigen auf. Auf der einen Seite sind die sozial Ängstlichen, denen es leichter fällt, online Kontakte zu knüpfen. Die verfallen vor allem den Online-Spielen, bei denen man viel mit anderen interagiert, wie etwa World of Warcraft. Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen mit besonders hoher Risikobereitschaft, die im Spiel nach immer neuen Thrills suchen, das geht auch bei Offline-Spielen. Auch der Drang, Emotionen und die Realität zu verdrängen, indem man in die Spiele abtaucht, können ein Grund für die Abhängigkeit sein. Die eine Ursache gibt es für keine Sucht. Darum verschweigen Männer psychische Probleme.
Wenn jemand im Urlaub oder in den Semesterferien mal die Nächte durchzockt, ist das noch keine Gaming Disorder. Das Verhalten muss mindestens ein Jahr andauern. Wenn über einen kürzeren Zeitraum ernsthafte Probleme durch das Zocken auftreten, liegt ein sogenanntes "hazardous gaming", also gefährliches Spielverhalten, vor, was ebenfalls im neuen Krankheitskatalog aufgeführt werden soll.
Gaming kann übrigens auch durchaus positive Effekte auf das Gehirn haben, zum Beispiel haben Zocker häufig eine schnellere Reaktion und können besser Entscheidungen treffen.
Besonders viel Suchtpotential haben laut Wölfling vor allem solche Spiele, die gleich auf mehrere Arten den Spieler binden. Das kann ein sozialer Faktor sein, wie bei Online-Spielen à la League of Legends oder World of Warcraft. Wenn man Mitglied in einer Gilde ist, kann das sogar eine Art Verantwortungsgefühl auslösen: Um die anderen nicht hängen zu lassen, wird mehr gezockt. Diese Art von Videospielen führt am häufigsten zu einer Sucht. Es gibt auch Games, in denen der Spieler besonders häufig für seine Arbeit belohnt wird. Diese Belohnungen können zum Beispiel der Aufstieg in der Rangliste bei Counterstrike oder auch die viele Beute bei Diablo III sein.
Eine besondere Art der Kicks bieten Spiele, die Elemente aus dem Glücksspiel enthalten. "Immer wenn ein Zufallsaspekt involviert ist, hat das Spiel ein höheres Suchtpotential", so Wölfling. Besonders die sogenannten "Lootboxen" stehen hier in der Kritik. In Belgien werden sie bereits als Glücksspiel angesehen und sind dementsprechend erst ab 18. Diese mit Echtgeld gekauften Lootboxen enthalten zufällig zugeteilte Beute (das "Loot"). Was die Boxen besonders verlockend macht, ist die kribbelnde Spannung in dem Moment, wenn man sie öffnet. Ist die Waffe drin, die man sich erhofft hat? Ja? Jackpot! Glücksgefühl! Nein? Dann schnell noch eine kaufen und wieder hoffen.
"Ein ganz zentraler Punkt ist, dass die Betroffenen vereinsamen", sagt Wölfling. Wer den ganzen Tag zockt, vernachlässigt Freunde oder die Partnerin. "Viele geben sich erst in Behandlung, wenn vom Partner mit der Trennung gedroht wird, oder sie sogar schon verlassen wurden." Und selbst wenn man im Online-Game Kontakte oder sogar Freunde hat, die im echten Leben können sie nie ersetzen.
Doch nicht nur soziale Kontakte leiden unter der Krankheit: Wer morgens lieber an seiner Minecraft-Villa baut, statt zur Arbeit zu gehen, ist schnell seinen Job los. Miete und Essen können nicht mehr bezahlt werden, der Betroffene verschuldet sich. Oder Betroffene sind bereits so eingenommen von der virtuellen Welt, dass das echte Leben mit Finanzen und Mahnungen einfach nicht mehr im Fokus steht und sie Rechnungen einfach vergessen zu bezahlen. Außerdem leidet die Gesundheit unter dem stundenlangen Zocken. Bewegung und gesunde Ernährung kommen dabei nämlich meistens zu kurz. Übergewicht, Mangelerscheinung und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sind die Folgen. Das hilft bei Depressionen.
Um eine Gaming Disorder zu erkennen, kannst du dich gut an den Symptomen der WHO orientieren. Die Ambulanz für Spielsucht stellt außerdem einen Selbsttest bereit. Aber auch, wenn du oder ein Bekannter von dir nicht all diese Kriterien erfüllt, solltest du aufmerksam werden, wenn du Folgendes bemerkst:
Das Vorurteil, dass Videospiele aggressiv machen, erfüllen Betroffene dagegen nicht unbedingt: "Eine gesteigerte Gewaltbereitschaft konnte ich bei Gamern bisher nicht feststellen", so Wölfling.
Hast du das Gefühl, dass das Videogame mehr mit dir spielt als du mit ihm? Oder du wurdest schon mal auf dein Spielverhalten angesprochen? Dann geh am besten zu einer Suchtberatung. Einfach, um dich zu informieren. Denn solche Beratungen sind komplett unverbindlich und anonym. Viele Zentren, wie etwa die Ambulanz für Spielsucht in Mainz, bieten auch Online-Beratung an. Auf der Internetseite vom Fachverband für Medienabhängigkeit und von der Spielsucht Therapie findest du deutschlandweit spezialisierte Anlaufstellen.
Nicht jeder, der viel zockt, ist auch automatisch suchtgefährdet. Problematisch wird's, wenn du fürs Gaming andere wichtige Dinge im Leben vernachlässigst. Denn so viel Spaß Videospiele machen, da draußen wartet das echte Leben auf dich, und das ist mindestens genauso spannend. Das gilt auch während der Corona-Pandemie. Versuchs mal mit gemeinsamem Kochen mit der Partnerin. Oder einer Fahrradtour. So rutscht du nicht in die Sucht ab, und deine gesamte Gesundheit profitiert.