Schlafstörungen sind mittlerweile eine echte Volkskrankheit. Laut DAK-Gesundheitsreport litt bereits 2017 jede/r zehnte Arbeitnehmer/in an Insomnien. Seitdem steigt sie stetig an. Dass daneben auch die Schlafmitteleinnahme immer weiter angestiegen ist, verwundert nicht.
Doch ist das wirklich sinnvoll? Sind Schlaftabletten wirklich ein probates Mittel, um Schlafstörungen zu bekämpfen? Oder musst du dich sogar auf gefährliche Nebenwirkungen einstellen? Wir haben mit Prof. Dr. med. Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Leiter der klinischen Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, gesprochen, um herauszufinden, welche Schlafmittel zur Auswahl stehen, ab wann eine Einnahme sinnvoll ist und wann es zu gefährlichen Nebenwirkungen kommen kann.
Bei Schlafmitteln muss zwischen synthetischen und pflanzlichen Schlafmitteln unterschieden werden:
1. "Benzodiazepinrezeptoragonisten sind über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen effektiv", sagt Prof. Scherer. "Allerdings verschreibe ich diese äußerst selten, da man wegen ihrer suchtfördernden Wirkung ein gutes Vertrauensverhältnis zum Patienten haben muss."
2. Z-Substanzen heißen so, weil die Produktnamen mit Z beginnen: Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon. Sie wirken im Vergleich zu den Benzodiazepinrezeptoragonisten sanfter. "Sie haben eine geringere Halbwertszeit, kaum Hangover-Effekte und geringere Auswirkungen auf die morgendliche und psychosoziale Leistungsfähigkeit sowie auf die Fahr- und Arbeitstauglichkeit", so der Experte. Allerdings sollten sie nur an drei frei wählbaren Tagen in der Woche eingenommen werden.
3. Antidepressiva/Antipsychotika können aufgrund ihrer angstlösenden, beruhigenden Wirkung ebenfalls bei Schlafbeschwerden eingesetzt werden. "Sie sind für eine kurze Therapie effektiv. Die Dosierung ist in der Regel aber deutlich niedriger als bei einer Depressionsbehandlung", erklärt Scherer. Auch Antidepressiva haben im Vergleich zu den Benzodiazepinrezeptoragonisten den Vorteil des geringen Abhängigkeitspotenzials. Auch der Hangover-Effekt bleibt weitestgehend aus.
4. Melatonin "ist relativ gering wirksam und wird daher nicht generell zur Behandlung von Insomnie empfohlen", so der Experte. Melatonin gehört zu den nicht verschreibungspflichtigen Schlafmitteln. Es ist ein Hormon, das der Körper selbst bildet – in der sogenannten Zirbeldrüse, einem Teil des Zwischenhirns. Unser Körper steigert die Melatonin-Produktion bei einbrechender Dunkelheit. Zwischen zwei bis vier Uhr nachts – also während der so wichtigen Tiefschlafphase – stößt der Körper am meisten Melatonin aus. 5 Tipps, um die Tiefschlafphase zu verlängern. Künstlich zugeführtes Melatonin soll also dabei helfen, die Ausschüttung zu erhöhen und uns so müde zu machen. Allerdings wird von diesem extern zugeführten Melatonin bereits vieles in der Leber abgebaut, es gelangt also gar nicht so viel ins Blut. Hier bekommst du Melatonin-Tabletten.
5. Antihistaminika sind wie Melatonin frei verkäuflich. Ursprünglich wurden sie gar nicht für schlaffördernde Zwecke verwendet, sondern um Allergien in Schach zu halten – allen voran Heuschnupfen. Dabei stellte man jedoch fest: Antihistaminika haben als Nebeneffekt einen dämpfenden Effekt auf das Gehirn und machen dadurch müde. Und so wird der Wirkstoff heute auch in Schlaftabletten verkauft. Histamin ist ein Eiweißstoff, der in der Nahrung vorkommt, den der Körper aber auch selbst herstellen kann. Dieser wird vermehrt während des Schlafs abgebaut. Die zwei üblichen Wirkstoffe von Antihistaminika sind Diphenhydramin und Doxylamin. Sie kommen zum Beispiel in den Schlaftabletten Vivinox, Betadorm, Hoggar Night, Halbmond und Schlafsterne vor.
1. Baldrian wirkt generell beruhigend, wird also nicht nur bei Schlafbeschwerden eingesetzt, auch bei nervösen Störungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Der Wirkstoff befindet sich in den ätherischen Ölen der Wurzeln und Rhizomen der Baldrian-Pflanze. Hier bekommst du Baldrian-Tabletten.
2. Hopfen ist vor allem bekannt für die Verwendung beim Bierbrauen und gehört zu den Hanfgewächsen. Bisher gibt es allerdings keine Studien, die ausschließlich mit Hopfen durchgeführt wurden. In der Regel haben die Wissenschaftler eine Kombination aus Hopfen und Baldrian gewählt, da diese sich gegenseitig ergänzen. Eine Kombination beider Pflanzen kann also sinnvoll sein. Hier bekommst du die Kombination aus Baldrian und Hopfen.
3. Melisse wird bei Einschlafstörungen verwendet, die nervös bedingt sind. Auch die Melisse ist eine Pflanze, aus deren herzförmigen Blättern die ätherischen Öle entnommen werden. Diese haben einen hemmenden Einfluss auf die GABA-Transaminase. Das ist ein Enzym, das den hemmenden Botenstoff Gamma-Aminobuttersäure (GABA) abbaut, was wiederum beruhigend wirkt. Hier gibt's Melisse-Kapseln.
4. Passionsblume blüht zwischen Juni und September. Ihre Substanzen beruhigen das Nervensystem und können so neben Schlafstörungen auch nervöse Unruhezustände verbessern. Hier gibt's Pascoflair-Tabletten.
Die meisten Männer versprechen sich von Schlaftabletten einen tiefen, erholsamen Schlaf. Nächte, in denen zwischen Augenschließen und Schlaf keine zwei Stunden mehr vergehen. Kurz: nichts weiter als die Erlösung. Kurzfristig können Schlafmittel in Fällen besonders starker Schlafbeschwerden Abhilfe schaffen. Doch können Schlafmittel das auch auf lange Sicht? Echten Qualitätsschlaf auf Knopfdruck? Die Antwort lautet: Nein! Zu diesem Schluss kommt eine Studie der britisch-medizinischen Fachzeitschrift "The BJM". Zu erwähnen ist, dass die Wissenschaftler ihren Probandinnen synthetische Schlafmittel verabreichten.
An der Studie nahmen 238 Frauen teil, die wegen ihrer Schlafstörungen Schlafmittel einnahmen. Diese wurden mit 447 Frauen verglichen, die ebenfalls unter Schlafstörungen litten, allerdings keine Schlafmittel einnahmen. Ziel der Studie war es, herauszufinden, wie effektiv die Einnahme von synthetischen Schlafmitteln über einen langen Zeitraum ist.
Zu Beginn der Studie wurde sichergestellt, dass sich die Beschwerden beider Gruppen in ein homogenes Gesamtbild einordnen ließen. So hatten alle Teilnehmerinnen vergleichbare Schlafstörungen. Nach zwei Jahren der Durchführung zog man ein Resümee. Das Ergebnis: Es gab keinen signifikanten Unterschied der Schlafqualität zwischen der Gruppe Frauen, die Schlafmittel einnahmen und der, die keine Schlafmittel einnahmen. Kurz: Die langfristige Einnahme von synthetischen Schlaftabletten hat die Schlafqualität nicht deutlich verbessert.
Klar ist, dass die Einnahme von Schlafmittel keine wirksame Ursachenbekämpfung ist, Schlafbeschwerden also nicht einfach eliminieren kann. Aber die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass selbst die Schlafqualität trotz langfristiger Einnahme nicht wirklich berauschend war. Von den Nebenwirkungen mal ganz abgesehen.
Nachdem nun geklärt ist, dass eine Einnahme von synthetischen Schlafmitteln über einen langen Zeitraum nicht zu empfehlen ist, stellt sich zu Recht die Frage: Wie gefährlich ist die Einnahme überhaupt? Sind unangenehme Nebenwirkungen zu erwarten? Und wie sieht es mit pflanzlichen Schlaftabletten aus?
Schlafstörungen können viele verschiedene Ursachen haben. Diesen auf den Grund zu gehen, sollte für dich oberste Priorität haben. Auch an eine gute Schlafhygiene solltest du unbedingt denken. Für dessen Umsetzung können pflanzliche Schlafmittel als Teil einer Schlafroutine durchaus nützlich sein. Synthetische Schlafmittel sollten nur für kurze Zeit und in besonders drastischen Fällen angewandt werden. Ihre Einnahme kann teilweise starke Nebenwirkungen hervorrufen.