Diese Eigenschaften benötigen Sie als Fußballprofi

Selbsttest: Bin ich fit wie ein WM-Star?

Zuletzt aktualisiert am 07.06.2018
Hat unser Redaktionsleiter das Zeug zum Profi?
Foto: NIKE

Die 90. Minute läuft, und ich renne allein aufs Tor zu. Per Übersteiger gehe ich am gegnerischen Keeper vorbei, schiebe den Ball ins Netz. Tooor! 1:0! Zehntausende Fans jubeln, skandieren meinen Namen. So oder so ähnlich habe ich es mir schon oft in meinen Träumen
ausgemalt. Ich, der Fußballstar. Mein, höflich formuliert, überschaubares fußballerisches Talent hat mir allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Doch jetzt, im (hüstel) besten Fußballeralter von 39 Jahren, erhalte ich noch mal die Chance, mein Prof-Potenzial auszuloten – beim Nike Innovation Summit im St. George’s Park nahe Birmingham, einem der modernsten Fußballtrainingszentren der Welt. Dort darf ich unter Profi-Bedingungen
2 Tage trainieren und mich auf die 7 wichtigsten Qualitäten eines Fußballers testen lassen.

Bin ich treffsicher wie Miro Klose?

Rekordtorschütze im DFB-Dress mit 71 Toren in 137 Spielen, 121 Buden in der Bundesliga und mehr als 50 in Italiens Serie A – Miroslav Klose war einer der erfolgreichsten deutschen Stürmer aller Zeiten und führt immernoch die WM-Torschützenliste an. Ich denke an Miro, als ich beim Torschuss-Training aus 10 Metern zum Schuss ansetze. Solche Dinger sitzen bei ihm fast immer, wie selbstverständlich. „Topstürmer denken vor dem Tor nicht nach – sie besitzen die Klasse, instinktiv das Richtige zu machen“, sagt Coach Jon Goodman, der das Training leitet.

Goodman weiß genau, wovon er spricht: Der irische Ex-Nationalspieler war zu seiner aktiven Zeit selbst ein Klassestürmer. Heute leitet er die Academy, in der talentierte junge Kicker ausgebildet und im Idealfall an Prof-Clubs aus der englischen PremierLeague vermittelt werden. Jung? Talentiert? Profi-Club? Passt alles irgendwie nicht zu mir. Denn ob ich es per Vollspann oder Außenrist, mit Schmackes oder mit einem gefühlvollen Heber versuche – der Ball landet überall, nur nicht im Netz. Da gibt’s nichts schönzureden, ein zweiter Miro werde ich nicht mehr. Darum: Daumen runter!

Habe ich die Fitness von Cristiano Ronaldo?

In Sachen Fitness ist Arndt definitiv erstklassig
NIKE

Noch 3, 2, einen – geschafft! Schnell weg von der Klimmzugstange, ab in die Kniebeuge. Um unsere körperliche Fitness zu prüfen, durchlaufen wir einen Ganzkörperzirkel. „Rundum fit zu sein ist für einen Fußballer sehr wichtig, da das Spiel immer schneller und athletischer wird“, sagt Goodman. „Schnellkräftige Beine für Sprints und harte Schüsse sind da ebenso entscheidend wie ein stabiler Rumpf für mehr Power im Zweikampf.“ Ein Paradebeispiel für einen top trainierten Kicker ist der portugiesische Superstar Cristiano Ronaldo, der mit 33 Jahren noch immer auf Weltklasseniveau spielt und ein krasses Sixpack hat. Das habe ich zwar nicht, dank unserer redaktionsinternen Mittags-Workouts und meinem regelmäßigen Schwimmtraining halte ich aber gut mit und durch. Zudem schneide ich bei Sprungkraft und Beweglichkeitstests überdurchschnittlich ab. Zum Abschluss klopft Goodman mir anerkennend auf die Schulter. Das bedeutet dann wohl: Daumen hoch! 

Kann ich kämpfen wie Yves Eigenrauch?

„Yyyyyves!“ Noch heute klingt mir das in den Ohren, wenn ich an den Auftritt des Schalkers Yves Eigenrauch im UEFA-Cup-Viertelfnale 1998 gegen Inter Mailand denke. Eigenrauch gewann so gut wie jeden Zweikampf gegen Megastar Ronaldo (den Brasilianer!), und bei jedem Ballkontakt zogen knapp 60 000 Fans seinen Vornamen in die Länge, auch ich. So wie einst Yves, versuche jetzt ich beim Spiel auf dem Kleinfeld eng am Mann zu sein, dem Gegenspieler keinen Raum zu lassen. Gleichzeitig darf ich aber auch nicht zu ungestüm rangehen. „Ein guter Verteidiger hält Abstand zum Stürmer und reagiert gezielt auf dessen Aktionen“, weiß Coach Goodman. Damals auf Schalke verließ Ronaldo entnervt das Feld, Eigenrauch hatte ihm keine Chance gelassen.

Ausgewechselt wird mein direkter Gegenspieler hier zwar nicht, aber eine echteTorchance hat er sich auch nicht erarbeiten können. Ich habe ihm hart, aber fair das Leben schwer gemacht. Beharrlichkeit wird belohnt: Zweikampfstark bin ich! 

Lebenstraum erfüllt: Einmal Rot kriegen von Schiri-Legende Howard Webb
NIKE

Spiele ich so schlau wie Toni Kroos?

Schlau und Fußballer – zwei Worte, die so gut zueinanderpassen wie Werder und der HSV? Von wegen, das Vorurteil vom dummen Kicker gilt nicht mehr! „Das Spiel ist temporeich wie niemals zuvor – Fußballer müssen jederzeit
konzentriert sein, mitdenken und sich blitzschnell auf taktische Umstellungen einrichten können“, erläutert Coach Goodman. Prototyp des spielintelligenten Fußballers ist aktuell Toni Kroos, der beim Champions League-Sieger Real Madrid die Strippen zieht. Kroos liest das Spiel perfekt, er scheint vorab zu wissen, was sein Gegner vorhat, wo der Ball hinkommt. Das alles geht mir durch den Kopf, als ich beim Trainingsspielchen 11 gegen 11 als Innenverteidiger versuche, die taktischen Vorgaben umzusetzen, die uns der Coach vor dem Spiel eingetrichtert hat – verschieben, schnell aufrücken und die Räume eng machen, den eigenen Außenverteidiger bei Überzahl des Gegners unterstützen und, und, und.

Ach, du Sch..., ich bin vollkommen überfordert! Mir verspringen die einfachsten Bälle, mir fehlen Spielübersicht und (Selbst-)Verständnis, wann welcher Pass der beste, welcher Laufweg der effektivste ist. Kampf und Einsatz? Damit kann ich dienen. Mit Spielintelligenz defnitiv nicht!

Bin ich schnell wie David Odonkor?

Es gibt sie immer wieder mal, diese Spieler, die durch eine einzige Aktion berühmt werden und Fußballgeschichte schreiben. Zu dieser Kategorie gehört David Odonkor, aus fußballerischer Sicht eher durchschnittlich begabt, aber mit einer herausragenden Fähigkeit gesegnet: Odonkor war unfassbar schnell – und an diesem einen Abend im Juni 2006 bei der Weltmeisterschaft in Deutschland wurde er quasi zum Initiator des Sommermärchens. Im Gruppenspiel gegen Polen in Dortmund raste er die Außenlinie entlang und legte per Flanke Oliver Neuville den Last-Minute-Siegtreffer auf. „Spieler dieses Typs, die durch Sprints Lücken reißen und die entscheidenden Laufduelle gewinnen, braucht jede Mannschaft“, so Coach
Goodman.

Die Aufgabe, mit der wir uns auf diese Fähigkeit überprüfen, ist so simpel wie schweißtreibend: In Zweier-Duellen sprinten wir auf Pfff einem 15 Meter entfernt liegenden Ball entgegen, den der Schnellere ins leere Torknallen darf. Bis dahin hatte ich geglaubt, gar nicht mal so langsam zu sein. Von 8 Duellen verliere ich jedoch 6. Ein Mann für Sprints im Stile eines David Odonkor bin ich also nicht:

Bin ich ein Leader wie Torsten Frings?

Ein Kindheitstraum: der eigene Name auf einem Fußballtrikot
NIKE

Wer mich kennt, wird jetzt wohl schmunzelnd den Kopf schütteln und denken: „War ja klar, dass er seinen Lieblingsspieler einbaut.“ Aber Ehrenwort, der Fringser hat sich seinen Einsatz in dieser Story verdient – das habe ich mir von Coach Goodman versichern lassen! Denn als dieser mir erklärt, was einen Führungsspieler ausmacht, kommt mir als Erstes die WerderLegende in den Kopf: „Ein Leader gibt den Ton an, er lebt eine gewisse Grundaggressivität auf dem Platz vor und haut auch mal dazwischen, wenn er sieht, dass sich sein Team den Schneid abkaufen lässt.“ Na, wenn das auf Frings nicht zutrifft, dann weiß ich auch nicht!

Ob ich bei dem freundschaftlichen Kick heute allerdings wirklich aggressiv spielen und einen Gegner umsensen soll? Nein. Stattdessen versucheich, lautstark Kommandos zu geben und so meinem Team das Gefühl zu vermitteln, dass es sich auf mich verlassen kann. Ich gebe Gas, gehe mit vollem Einsatz zur Sache. Und hey, der gegnerische Spielmacher, so ein Dribbelfüßchen vor dem Herrn, macht Bekanntschaft mit meinem Schienbein – wenn auch mehr aus Unvermögen als mit Absicht. Egal, etwas wohlwollend betrachtet kann ich hinter das Thema Leader-Qualitäten ein Häkchen setzen. Daumen hoch! 

Kann ich dribbeln wie Okocha?

Es gibt nicht viele Kicker, die Titan Oliver Kahn wie ein Titänchen haben aussehen lassen. Der gebürtige Nigerianer Jay Jay Okocha gehört dazu. Wie er den Klassetorhüter am 31. August 1993 ausgetanzt, ihm gefühlte 100 Knoten in die Beine gespielt und danach den Ball im Tor versenkt hat, das ist für mich bis heute die Mutter aller Dribblings.

Das, was ich in meinen letzten 10 Minuten auf den Rasen stolpere, hat mit Jay Jay null Komma nichts zu tun. Ich wusste, dass ich nicht unbedingt ein fußballerischer Feinmotoriker bin, aber dass ich von 10 Stangen 5 umrenne statt sie zu umdribbeln, ist schon bitter. Bin kein Fummelkönig. Also schnell einen Strich unter dieses Kapitel  - Daumen runter

Fazit

Insgesamt verliere ich knapp mit 3:4. Sieht auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. Doch wer genau hinguckt, sieht: Als Fußballer bin ich vielleicht ein fitter, kämpfender Leader, in Sachen Fußballspielen habe ich aber ordentlich Nachholbedarf. Da ich das mit 39 wohl kaumnoch lernen werde, freue ich mich auf meinen nächsten Traum – wenn ich wieder mal in der 90. Minute das entscheidende Ding mache.