Morgens Berufsverkehr, tagsüber Großraumbüro, abends in die Kneipe, und nachts im Bett klingeln Ihnen die Ohren. Oft merken Sie erst in der Ruhe, wie viel Krach Sie eigentlich so umgibt. Dabei kann Krach Ihrem Körper ziemlich zusetzen. Wir zeigen Ihnen, was der Lärm im Alltag mit Ihnen macht und wie Sie sich vor ihm schützen können.
Was ist Lärm?
Es ist gar nicht so leicht zu definieren, was eigentlich genau "Lärm" ist und was nicht. Erstmal ist er nur ein normaler Klang. Doch es gibt verschiedene physikalische Komponenten, die einen Klang angenehm, unangenehm oder sogar schädlich werden lassen. Am wichtigsten sind die Tonhöhe und die Lautstärke. Die Faustregel besagt: Je höher oder lauter ein Ton ist, desto eher wird er als "Lärm", also als unangenehm, empfunden. Ab einer bestimmten Lautstärke oder Höhe kann das Geräusch sogar schmerzhaft sein. Viele halten sich dann aus Reflex die Ohren zu, zum Beispiel, wenn ein Krankenwagen vorbeifährt.
Krach ist sehr subjektiv
Aber für die Definition braucht es mehr als Physik. "Grundsätzlich ist Lärm jedes Geräusch, das ein Mensch als belästigend empfindet", erklärtDr. Hans von Lücken, Oberarzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Marienkrankenhaus in Hamburg. Das bedeutet, dass die Wahrnehmung davon, was "Lärmbelästigung" ist und was nicht, extrem individuell ist und nicht immer mit der Lautstärke oder Tonhöhe zusammenhängt. So kann es sein, dass die Workout-Playlist auf voller Lautstärke Sie selbst zwar motiviert, Ihren Nachbarn dagegen nervt. Oder dass Ihr Kumpel AC/DC super findet, während Ihnen das Gekreische die Nackenhaare aufstellt. Die Klänge selbst ändern sich dabei nicht, aber die Wahrnehmung davon ist sehr unterschiedlich. Auch die Situation spielt eine Rolle: Wenn Sie auf einer Party zu lauter Musik tanzen, macht das Spaß. Sobald Sie sich dann aber mit dem Mädchen an der Bar unterhalten wollen, stört die Geräuschkulisse und Sie empfinden die Musik als störend.
Wie laut ist "laut"?
So individuell wir Lärm empfinden, eines ist er fast immer: laut. Damit Sie eine Vorstellung haben, wie die Abstufungen bei Lautstärke sind, haben wir hier ein paar Beispiele:
- 10 Dezibel: Leises Atmen
- 45 Dezibel: Normale Unterhaltung in einer ruhigen Umgebung
- 60-80 Dezibel: Vorbeifahrender PKW. Sie müssen bereits lauter sprechen, hier fängt bei vielen die Lärmempfindung an.
- 85 Dezibel: Hauptverkehrsstraße. Eine dauerhafte Geräuschkulisse in dieser Lautstärke wird in Gutachten als Lärmbelästigung eingestuft
- 100 Dezibel: Presslufthammer, Musik im Club
- Bis zu 125 Dezibel: Konzerte oder Partys. Diese Lautstärke kann akute Schäden verursachen, deshalb lieber Ohrenstöpsel tragen.

Was für Auswirkungen hat Lärm auf Ihre Gesundheit?
Krach bedeutet für den ganzen Körper und die Psyche Stress. Wenn die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sind, kann er ernsthaft schaden. Der Experte nennt diese 6 schädlichen Auswirkungen:
1. Ihr Gehör wird schlechter
Zu laute Geräusche können Sie schwerhörig machen. "Ob aufgrund von dauerhaftem Lärm oder einem akuten Lärmereignis ist dabei nicht wichtig", erklärt von Lücken. Die starken Schwallwellen können die kleinen Nervenhärchen im Innenohr beschädigen oder sogar abbrechen. Man vermutet, dass die Sinneshärchen in der Gehörschnecke, einem Teil des Innenohres, sich zum Teil regenerieren können. Außerdem haben wir unglaublich viele davon, sodass der Ausfall eine Zeit kompensiert werden kann. "Bei einer dauerhaften Belastung von 85 Dezibel oder mehr, aber auch bei einer akuten von mindestens 120 Dezibel gehen aber so viele der Härchen unwiederbringlich kaputt, dass Sie schlechter hören", so der Arzt. Diese beginnende Lärmschwerhörigkeit bemerkt häufig zuerst das Umfeld, weil Betroffene anfangen, lauter zu reden oder Dinge wie den Fernseher aufdrehen.
2. Sie können einen Hörsturz oder Tinnitus bekommen
Extreme Lärmereignisse, zum Beispiel ein explodierender Feuerwerkskörper, können zu einem Schalltrauma und einem anschließenden Hörsturz oder Tinnitus führen. Dabei kann man plötzlich viel schwerer hören und hat meistens ein dumpfes Gefühl im Ohr oder hört einen durchgehenden Ton. "Mit etwas Glück erholt sich das Gehör von diesem Schallstress, wenn Sie sich jetzt schonen und vor allem Ihrem Gehör viel Ruhe gönnen", erklärt von Lücken. Wenn die Symptome aber nicht in wenigen Tagen abklingen oder Ihnen schwindelig wird, sollten Sie sofort zum Arzt!
3. Sie sind gestresst
Lärm belastet auch Ihre Psyche, indem er Sie stresst. Dabei ist eine Lautstärke, die ständig wechselt, schlimmer als ein durchgehender Klangteppich. "Ein durchgehendes Geräusch blenden Sie schnell aus, unterschiedliche Lautstärke-Dynamiken erschrecken jedes Mal ein bisschen", erläutert der HNO-Arzt. Der Körper schüttet dann Hormone wie Adrenalin oder Cortisol aus, die Stress erzeugen. Stress wiederum kann auf Dauer krank machen: "Sie fühlen sich unwohl, Ihr Blutdruck und das Herzinfarktrisiko können steigen oder es entwickeln sich über längere Zeit Magengeschwüre", beschreibt der Experte. Die Hormone können außerdem Heißhungerattacken auslösen, die sich schnell auf der Waage widerspiegeln. In Extremfällen können Menschen durch ständigen Lärm sogar neurotische Züge entwickeln, um den Krach zu vermeiden.
4. Sie sind unkonzentriert
Wenn Sie ständig unterschiedliche oder unangenehme Geräusche hören, driften Ihre Gedanken ganz automatisch dahin. Das bringt Sie aus der Konzentration und stört Ihren Workflow. "Großraumbüros etwa sind eigentlich dafür gedacht, dass man besser untereinander kommuniziert. Der Lärm in diesen Räumen kann aber die Konzentration und die Produktivität eher stören", so von Lücken.
5. Sie schlafen schlechter
Wenn Sie den ganzen Tag gestresst sind, fällt es Ihrem Körper schwerer, abends abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Wenn es aber selbst in Ihrem Schlafzimmer laut ist, weil Sie beispielsweise an einer großen Kreuzung leben und deshalb auch nachts den Verkehrsgeräuschen ausgesetzt sind, schlafen Sie noch schlechter. "Bei Lärm ist Ihr Schlaf deutlich weniger tief, sodass Sie sich schlechter erholen", erklärt der Arzt. Chronischer Schlafmangel löst wiederum mehr Stress aus und Sie gelangen in einen Teufelskreis aus Lärm, Stress und Schlafmangel.
6. Ihre Psyche leidet
Auf Dauer kann Lärm Ihre Psyche beeinflussen. Nicht nur setzt der Stress ihr zu, auch eine voranschreitende Schwerhörigkeit beeinträchtigt Ihr Wohlempfinden. Wenn Sie schwerer hören, verstehen Sie ihre Umgebung immer schlechter und müssen ständig nachfragen. "Irgendwann schämen sich die Leute dafür zu sehr, ziehen sich zurück und werden unsicher, weil sie nicht mehr wissen, was Ihr Umfeld redet", erklärt von Lücken. "Viele Schwerhörige fühlen sich deshalb sozial isoliert, das hat dramatische Folgen für ihre psychische Gesundheit."

Was können Sie gegen Lärm tun?
Die Folgen einer lauten Umgebung kommen manchmal schleichend. Deshalb sollten Sie versuchen, ab heute so viel Ruhe wie möglich in Ihrem Alltag zu schaffen. Der HNO-Arzt hat folgende Tipps:
- Tragen Sie Kopfhörer: Wenn Sie in einem sehr lauten Umfeld arbeiten, empfiehlt der Arzt Kopfhörer, um den Lärm draußen zu halten. "Für Arbeiter, die dauerhaft Lärm, also mindestens 85 Dezibel, ausgesetzt, ist beispielsweise ist ein sogenannter Kapselgehörschutz vorgeschrieben", so von Lücken. Aber auch bei weniger Lärm wie etwa im Großraumbüro können Sie schalldämmende Kopfhörer benutzen, um sich besser konzentrieren zu können.
- Machen Sie Ihre Musik nicht zu laut: Kopfhörer schonen Ihr Gehör natürlich nur so lang, wie Sie keine laute Musik darüber hören. Auch die Heimanlage oder den Fernseher sollten Sie lieber immer ein bisschen zu leise als zu laut stellen. Auf Konzerten, Festivals oder Partys tragen Sie am besten kleine Ohrstöpsel. "Mit denen können Sie die Lautstärke um bis zu 20 Dezibel reduzieren", rät von Lücken.
- Investieren Sie in ein ruhiges Zuhause: Eine gute Isolierung und hochwertige Fenster können Straßengeräusche draußen halten. Für eine noch angenehmere Klangumgebung können Sie Teppiche auf den Boden legen oder auch Bilder an die Wand hängen. Gerade nachts können Sie laute Computer oder andere Geräuschquellen ausschalten. So schaffen Sie sich einen akustischen Gegenpol zum lauten Alltag. Ein besonders heikles Thema: der Partner schnarcht. Auch das ist eine Form von Lärm, die insbesondere die Erholsamkeit Ihres Schlafes stört. "Einigen helfen da schon Ohrenstöpsel, anderen Ablenkungen wie ein Hörspiel, andere Paare schlafen in verschiedenen Zimmern", erläutert der Arzt.
- Schaffen Sie sich einen Ausgleich: In einigen Berufen wie Erzieher oder Koch, aber auch als Vater von kleinen Kindern können Sie schwer Lärm vermeiden. Umso wichtiger ist es dann, dass Sie sich regelmäßig einen Ausgleich gönnen. Das geht einerseits akustisch, indem Sie nach einem lauten Tag die Stille suchen. "Wenn Sie einen akuten Tinnitus haben, sollten Sie sich dagegen mit leichten, angenehmen Geräuschen ablenken. Absolute Ruhe sollten Sie vermeiden, da Sie sonst Ihr ganze Aufmerksamkeit auf das ungewohnte Ohrgeräusch richten", so von Lücken. Auch ein mentaler Ausgleich ist wichtig, um den Stress zu bewältigen. Machen Sie etwas, das Sie beruhigt und Ihnen Spaß macht, dann lassen Sie sich nicht so schnell vom Alltagslärm nerven. Nur zu laut sollte es nicht sein.
"Unser Gehör ist sehr wertvoll und empfindlich, entsprechend sollten wir es auch behandeln", rät von Lücken. Um eventuelle langfristige Schäden zu vermeiden, bringen Sie so viel Ruhe wie möglich in Ihren Alltag. Geben Sie Ihrem Körper und Ihrem Gemüt außerdem Zeit und Raum, um sich von dem akustischen Stress zu erholen, dann kann Ihnen der Lärm nichts anhaben.