Das Training von morgen

Das ist die Zukunft
Das Training von morgen

Zuletzt aktualisiert am 14.04.2016
Sixpack-Pille? Wundertraining? Wie sieht Sport in 20 Jahren aus?
Foto: Julien Pacaud

Es wird immer Menschen geben, die Sport ablehnen – in 20 Jahren werden es aber nur noch sehr wenige sein. So sieht es zumindest Miriam Wagemeyer, Zukunftsforscherin und Senior Consultant bei Scenario Management International in Paderborn (www.scmi.de). „Für den Sport in Deutschland haben wir Zukunftsszenarien entwickelt. Welches davon eintreffen wird, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Wir halten jedoch eine Entwicklung zu einer sehr sportaffinen Gesellschaft für wahrscheinlich.“ Wie genau kann die aussehen? Wir haben 6 Experten nach Ihrer Zukunftsprognose gefragt.

1. Wie viel Science- Fiction wird es wirklich geben?

Science-Fiction im Trainingsalltag 2036
Axel Kock

Als „Star Trek“-Fan werden Sie die technischen Möglichkeiten der Zukunft lieben. Nein, Beamen wird auch dann nicht möglich sein. Ist ja auch total unsportlich. Aber vieles andere geht. Aus heutigen Acitivity- Trackern wird sich das Personal Dashboard entwickeln – eine Info- Zentrale, die Sie plattformunabhängig nutzen können und die Sie im Alltag begleitet. Computerchips am Shirt oder unter der Haut füttern das Dashboard mit Daten über Ihr Bewegungs- und Essverhalten sowie wichtige Körperfunktionen. Das Gerät zeigt Daten des Trägers an, liefert konkrete Empfehlungen zu Training und Ernährung. An den Daten des Boards wird übrigens Ihre Krankenkasse sehr interessiert sein. „Sportliche Versicherte werden dann einen günstigeren Tarif er- halten als unsportliche“, prophezeit Zukunftsforscherin Wagemeyer. Der gläserne Patient wird Realität.

2. Genmanipulierte als Weltrekord-Brecher?

„Nein! Wir haben die menschliche DNA zwar entschlüsselt, wissen aber noch lange nicht, wie wir sie kontrolliert beeinflussen — und werden es auch nie tun, hoffe ich.“

Prof. Ingo Froböse (Deutsche Sporthochschule Köln)

3. Bleibt uns überhaupt noch Zeit für Sport?

Auch in 20 Jahren werden wir noch arbeiten müssen. „Dass wir dennoch einen steigenden Freizeitanteil voraussehen, liegt an der Arbeitsorganisation“, sagt Wagemeyer. Schon heute ist es in vielen Firmen Usus, flexibel zu arbeiten und ins betriebseigene Gym zu gehen, denn fitte Mitarbeiter sind leistungsfähiger. „Es wird kein Problem, eher gängige Praxis sein, in der Mittagspause 2 Stunden lang Sport zu treiben.“

4. Werden neue Sportarten entstehen?

„Um die Zukunft zu beschreiben, muss man sich zuerst mal die Vergangenheit anschauen. In den vergangenen 30 Jahren gab’s immer Wellenbewegungen, das wird sich so auch fortsetzen. Es werden auch mal neue Organisationsformen entstehen, um beispielsweise noch kürzere und intensivere Sporteinheiten zu ermöglichen. Aber letztlich werden auch in 20 Jahren noch Freihanteln im Fitness-Bereich zu sehen sein. Das Gleiche gilt für Trainingsmaschinen. Und wir werden dann sicher auch noch joggen und auf Fußballplätzen herumlaufen.“

Professor Stephan Geisler, IST-Hochschule Düsseldorf

5. Wie wird das Fitness-Studio der Zukunft aussehen?

So könnte das Fitness-Studio der Zukunft aussehen
Axel Kock

Es wird kleinere, spezialisierte Studios geben, die sich auf ein Fitness-Thema konzentrieren, und daneben große Gyms. Die sind dann im wahrsten Sinne eine runde Sache. „Ganz neue Bereiche wird’s nicht geben, aber die heutigen werden anders organisiert sein“, sagt Alexander Richter, National Fitness Manager bei der Studio-Kette Fitness First. So wird alles ringförmig angeordnet sein (siehe Bild). „Im Inneren ist der Frei- bzw. Functional-Training- Bereich, da passiert am meisten“, so Richter. Er wird von Kardio-Geräten umgeben sein. Viele Trainingskonzepte (etwa Crossfit) verbinden freies Training und Kardio. Da ist es clever, das Studio entsprechend zu gestalten, um schneller hin und her wechseln zu können. Im dritten Kreis stehen geführte Geräte. Ganz außen, losgelöst vom Trubel im Inneren, ist dann viel Platz für Kursräume. 

6. Was bewegt uns eigentlich in der Zukunft dazu, uns zu bewegen?

„Die Motive sind bereits heute vielschichtig. Manche messen sich mit anderen, andere genießen die Teilhabe an der Gemeinschaftsstruktur oder leben sich im Abenteuersport aus. Auch gegen die physischen und psychosozialen Kosten moderner Lebensführung – alles wird schneller, ungewisser, komplizierter –, die den Einzelnen zu überfordern drohen, liefert Sport Abhilfe. Gerade wegen der vielen Älteren werden künftig Sportbetätigungen stark an Boden gewinnen, die auf Gesundheit und Wohlbefinden setzen.“

Professor Karl-Heinrich Bette, Sportsoziologe, TU Darmstadt

7. Was werden Fitness-Geräte im Jahr 2036 alles können?

„Man kann das Rad nicht neu erfinden, aber effizienter gestalten. Wir werden keine komplett neuen Geräte sehen, die alle Muskeln trainieren, aber kleine Verbesserungen an spezialisierten Maschinen, also Evolution statt Revolution. Wir arbeiten an Geräten, die sich leichter bedienen lassen. Natürlich werden diese noch smarter, sie können Gewicht, Wiederholungen, Sätze und mehr vorgeben, aufzeichnen und ins Trainingstagebuch des Sportlers eintragen."

Arie van Winkelhof, Geschäftsführer beim Gerätehersteller Gym80

8. Wo werden wir überhaupt Sport treiben?

Training der Zukunft: In Form zocken beim Virtual Training
Axel Kock

Das hängt stark davon ab, wo Sie wohnen. Vermutlich gehören Sie zu den knapp 80 Prozent der Menschen, die 2036 in der Stadt leben. Problem: Smog. Wer draußen trainiert, riskiert seine Gesundheit. Lösung: hervorragende Sportstätten — von staatlicher Seite subventioniert — und Fitness-Center mit Frischluftsystem. Sie müssen nicht mehr raus, um Outdoor-Sport zu treiben. Schon heute können Sie mit Spielkonsolen Tennis spielen, Boxen und Bowlen oder auf Laufbändern und Rollentrainern abgefilmte oder digitale Strecken nutzen. „In 20 Jahren ist das Virtual Training etabliert", sagt Experte Alexander Richter von Fitness First voraus. „Es wird in Fitness-Studios Räume geben, die über 3-D-Projektionen ausgeleuchtet werden und dem Sportler vermitteln, mittendrin zu sein." Sie erleben reale Landschaften, tauchen in Spiele ein — Stichwort: Gamification. Stellen Sie sich vor, dass in „Call of Duty 34" oder „Tekken 16" Ihr Avatar auf Ihre Bewegungen reagiert, Sie also tatsächlich krabbeln, klettern und kämpfen.

9. Gibt es in der Schule neben Bio auch Bankdrücken?

„Den demografischen Wandel wird das heutige Gesundheits-system mit einer alten, unfitten Gesellschaft nicht überstehen. Die Politik wird die Wichtigkeit der Prävention erkennen und mehr in die Bildung investieren. Sport als Schulfach wird immer wichtiger und mehr beinhalten als Völkerball. Der Bio-Unterricht wird mehr auf physiologische Abläufe eingehen. Auch gesunde Ernährung als Schulfach könnte ich mir durchaus vorstellen."

Professor Stephan Geisler, IST-Hochschule Düsseldorf

10. Wird es eine Pille geben, die Sport überflüssig macht?

„Nein. Körperliche Fitness ist zu komplex, weil sie aus verschiedenen Komponenten besteht: Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Koordination, mentale Stärke — das alles sind Dinge, die unsere Fitness ausmachen. Schon heute gibt’s Wirkstoffe, die einzelne Komponenten beeinflussen, die uns beispielsweise fokussierter oder ausdauernder machen. Doch diese führen nicht zu einer Anpassung, sondern wirken immer nur zeitlich begrenzt. Eine echte körperliche Umstellung braucht immer einen Stimulus. Beispiel: Sie können noch so viel Eiweiß zu sich nehmen, ohne Trainingsreiz werden Sie garantiert kein Muskelwachstum erreichen. Ich denke, es wird auch noch in 20 Jahren keine so komplexen Pillen geben. Was wir bis dahin durch die Veränderung von Stammzellen vielleicht erreichen, ist die Zellreparatur, die Alterungs-prozesse beeinflusst."

Professor Ingo Froböse, Deutsche Sporthochschule Köln

11. Welcher Wert wird dem Sport künftig in der Gesellschaft beigemessen?

„Gesellschaftstauglich wird in Zukunft nur noch sein, wer fit und leistungsfähig ist. Das vielfach dem britischen Ex-PremierWinston Churchill zugeschriebene Zitat „No sports“, das denjenigen, die nicht in der Lage oder bereit sind, sich den Körper- exerzitien des Sports zu unterwerfen, auch heute noch als Entschuldigungsformel für die Sportabstinenz dient, wird in Zukunft nicht mehr akzeptiert. Übergewicht und welke Haut werdenin noch stärkerem Maße als heute für Kontrollverlust und körperliche Entgleisung stehen. Ein Top-Manager mit einem untrainierten Körper gibt beispielsweise fatale Signale ab."

Professor Karl-Heinrich Bette, Sportsoziologe, TU Darmstadt

Fazit unseres Sportredakteurs

„Ich bin mal gespannt, ob die Sportwelt in 20 Jahren tatsächlich so aussieht“, sagt unser Sportredakteur Henning Lenertz. Eines stehe allerdings definitiv fest: „Auch mit 48 Jahren werde ich noch selbst Sport treiben und für mein Lauftraining noch einen echten Wald aufsuchen. Aber ich werde nie meinen Fitness-Tracker hacken, um bei der Krankenkasse einen günstigeren Tarif zu bekommen."

Was denken Sie: Stimmen Sie unseren Experten zu? Welchen Stellenwert werden Sport und Fitness Ihrer Meinung nach in 20 Jahren in unserer Gesellschaft haben? Auf welche Trainingsmethode im Jahr 2036 freuen Sie sich jetzt schon? Lassen Sie uns Ihre Meinung auf Facebook wissen.