Noch schnell die Powerpoint-Präsentation in die Cloud hochladen, den VideoCall mit der Chefin absolvieren oder den Fitness-Kurs heute Abend fix online machen – viele Teile des Lebens finden mittlerweile digital statt. Das macht vieles einfacher und schneller. Die Kehrseite der digitalen Welt sind jedoch Stress, Konzentrations- und Schlafprobleme.
Von all den vergeudeten Stunden, die man manchmal ziellos durch Instagram und Facebook scrollt, ganz zu schweigen. Das geht so weit, dass die Nutzer von Smartphone, Tablet-PC & Co. ein suchtähnliches Verhalten zeigen: Jeder Fünfte checkt mehr als 100-mal am Tag sein Handy und unterbricht dafür alle 10 Minuten jede andere Tätigkeit, im Job, aber auch nach Feierabend. Scheint so, als stünde das digitale Leben dem allgemeinen Wohlbefinden ein wenig im Weg. Muss das sein?
Eine Frage, die MEN’S HEALTH auch dem Augsburger Mediensuchtberater Patrick Durner gestellt hat – per E-Mail. Der antwortete darauf innerhalb von wenigen Minuten. Ist der Experte etwa selbst ständig erreichbar? "Nein, ihr habt nur einen günstigen Moment erwischt. Außerhalb meiner Bürozeiten bin ich telefonisch nicht erreichbar und lese keine Mails", so der Geschäftsführer von Offlines, einer Beratungsagentur für den bewussten, selbstbestimmten und gesunden Umgang mit digitalen Medien (www.betrieblichesuchtpraevention.de). "Die ständige Erreichbarkeit radikal einzuschränken, kann ein wichtiger Schritt hin zur digitalen Balance sein", sagt Durner.
Die vielzitierte Work-Life Balance gerät nämlich schnell aus dem Gleichgewicht, wenn man zu Hause "nur ganz schnell" die Job-E-Mails checkt oder während der Arbeit "mal kurz" in sozialen Netzwerken unterwegs ist. Durner: "Wir sind nicht mehr mit voller Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt und lassen uns durch das digitale Überangebot von den Dingen ablenken, die wirklich wichtig sind."
Digital Detox – häufig propagiert – ist aber langfristig keine Lösung für dieses Problem. Der zeitlich begrenzte Verzicht kann einem zwar vor Augen führen, wie viel Raum das Digitale schon im Leben eingenommen hat; doch wer kann und will schon dauerhaft auf die Vorteile der digitalen Welt verzichten – sei es, um sich in einer fremden Stadt zu orientieren, um sich mit Freunden auszutauschen, den Alltag zu organisieren oder im digitalen Office wichtige Unterlagen stets griffbereit zu haben. Durner geht es auch nicht darum, die Technologie zu verteufeln und Totalverzicht zu propagieren ganz im Gegenteil: "Unsere heutigen digitalen Möglichkeiten sind eine große Bereicherung, wenn wir sie bewusst nutzen."
Den bewussten Umgang zu lernen, ist aber schwer. Wer schon mal bei einem All-you-can-eat-Büfett war, der weiß, wieso: "Man ist danach selten nur leicht gesättigt. Wir können mit der unbegrenzten Verfügbarkeit von Dingen, die wir mögen, nicht umgehen", sagt der Mediensuchtberater. Wie andere Suchtmittel triggert auch der digitale Konsum das Belohnungssystem im Hirn. Resultat: Der Mensch will immer mehr davon. "Oft wird damit auch ein Mangel an Aufmerksamkeit, Anerkennung oder Austausch kompensiert. Viele Mediensüchtige haben das Gefühl, online nicht ausreichend Wertschätzung zu erfahren", erklärt Durner. Wer oft an der digitalen Kippe hängt und ein wenig mehr darüber erfahren will, muss nicht mal googeln – für den Anfang genügt es völlig, die folgenden Tipps zu lesen.
Wie Digitalbalance aussieht, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. "Indikatoren können sein, dass nichts zu kurz kommt und punktueller Verzicht kein Problem darstellt", sagt Mediensuchtberater Durner. Damit Digitalkonsum nicht zur Belastung wird, kannst du dir den bewussten Umgang antrainieren – mit diesen Strategien.