Ökotrophologe Dr. Nicolai Worm aus Berg gilt als Begründer der LOGI-Methode. Durch seine kritische Position in der Cholesterin- und Fettdiskussion und durch seine Lehrtätigkeit im Bereich Sporternährung (Trainer-Akademie, Deutscher Sportbund, Köln) machte er sich schon bald einen Namen in der Fachwelt. Sein Buch "Diätlos glücklich" (Hallwag Verlag) stellte die landläufige Meinung über Fett schon vor Jahren als Dickmacher in Frage. Mittlerweile sind zahlreiche weitere Bücher zum Thema Fett erschienen (Mehr Fett! Warum wir mehr Fett brauchen, um gesund und schlank zu sein, Systemed um 20 Euro)
MEN´S HEALTH: Dass Fett dick macht, ist bislang die geltende Lehrmeinung – warum glauben Sie, dass sie nicht stimmt?
Nicolai Worm: Die Aussage „Nur Fett macht fett“ ist nicht etwa geltende Lehrmeinung, sondern umstritten. Es ist vor allem eine von vielen verschiedenen Meinungsbildnern geschaffene Werbeaussage, die den Absatz von Light-Produkten fördern soll. Die Aussage ist de facto falsch, da es nachweislich allein auf die gesamte Energiebilanz – also Energiezufuhr und -verbrauch – ankommt, ob ein Mensch sein Gewicht hält oder nicht.
MEN´S HEALTH: Nimmt man denn mit fettreicher Nahrung nicht einfach mehr Kalorien auf?
Nicolai Worm: Es wird zwar immer argumentiert, dass man mit einer fettreichen Kost wegen der hohen Energiedichte seine Bilanz schon bei geringem Nahrungsvolumen schnell erreicht und deshalb zur Überernährung neigt, doch vieles spricht dagegen: Erstens gibt es beim internationalen Vergleich der Ernährungsgewohnheiten keinen Zusammenhang zwischen der Höhe der Fettzufuhr und dem mittleren Body Mass Index (BMI) in den Bevölkerungen. Beispielsweise haben die Dänen mit rund 44 Prozent Fett den höchsten Fettanteil Europas in ihrer Kost, sind jedoch gleichzeitig das schlankste Volk. Im Osten Europas wie in Tschechien liegt der Fettkonsum bei 25 Prozent, und die Menschen sind überdurchschnittlich dick. Es gibt viele solcher paradoxen Beispiele, auch die USA gehören dazu. Und die meisten Langzeitstudien am Menschen zeigen keinen oder nur einen völlig zu vernachlässigenden, von der Kalorienzufuhr unabhängigen Einfluss des Fetts auf die Entstehung von Übergewicht. Die wahrscheinliche Ursache dafür wurde kürzlich an der Universität von Leeds entdeckt: Bei gewohnheitsmäßig hoher Fettzufuhr kompensiert der Körper offenbar das erhöhte Kalorienangebot mit einer deutlichen Erhöhung seines Grundumsatzes. Damit kann er immer wieder eine ausgeglichene Bilanz erreichen und bleibt schlank.
MEN´S HEALTH: Macht etwa doch Zucker dick, wie man jetzt wieder zu diskutieren beginnt?
Nicolai Worm: Kein einzelner Nährstoff macht dick, auch nicht Zucker. Aber Zucker geht natürlich in die Kalorienbilanz mit ein. Wenn man beispielsweise wie Professor Volker Pudel mit seiner „Pfundskur“ verbreitet, dass die „Kalorien in Gummibärchen nicht dick machen“, dann ist das nicht nur völliger Unsinn und eine bewusste Desinformation der Verbraucher, sondern auch gefährlich: Die Menschen wiegen sich in Sicherheit und meinen, unbeschränkt Zucker und Kohlenhydrate essen zu können. Überschreiten sie mit dem Süßen die ausgeglichene Energiebilanz, nehmen sie damit natürlich auch zu. Die Bevölkerung Südafrikas beispielsweise gehört zu den dicksten der Welt mit einer sehr fettarmen (22 Prozent) und entsprechend kohlenhydratreichen Kost! Außerdem werden die Verbraucher so zu einer unausgewogenen und damit gesundheitsbedenklichen Ernährung ermutigt. Zu einer optimalen Ernährung gehört auch eine entsprechende Menge Fett.
MEN´S HEALTH: Wieviel Fett sollten wir essen?
Nicolai Worm: Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, nur 30 Prozent der Kalorien aus Fett aufzunehmen, basiert nicht auf einem gesicherten Wissen, dass damit tatsächlich mehr Gesundheit erreichbar wäre. Es ist vielmehr reine Spekulation, eine Philosophie. Die meisten Völker konsumieren, sofern es ihr Wohlstand zulässt, relativ mehr Fett. Man weiß inzwischen, dass eine fettarme Kost, also 30 Prozent oder weniger, bei bewegungsarmen und übergewichtigen Menschen bedenklich ist. Die Fettstoffwechselwerte, also das Verhältnis von „gutem“ und „bösem“ Cholesterin und die anderen Blutfette wie die Triglyceride und das Lipoprotein(a), liegen wesentlich günstiger bei einer fettreichen Kost – vorausgesetzt, das Fett wird zu einem Großteil mit einfach ungesättigten Fettsäuren abgedeckt, also Olivenöl oder Rapsöl. Auch die Blutzucker- und Insulinwerte verbessern sich unter einer fettreichen Kost.
MEN´S HEALTH: Steigt durch gesättigte Fettsäuren und Cholesterin die Gefahr eines Herzinfarkts?
Nicolai Worm: Tatsache ist, dass in über 20 Langzeitstudien nur bei dreien beziehungsweise vieren ein Zusammenhang zwischen Cholesterin beziehungsweise gesättigten Fettsäuren und Herzinfarkt gefunden wurde. Bei der weit überwiegenden Mehrheit der Untersuchungen kam heraus, dass es keinen Unterschied macht, ob man etwas mehr oder weniger davon isst. So hat das Cholesterin im Ei oder im Fleisch praktisch keinen Einfluss auf den Cholesterinspiegel. Und bei den gesättigten Fettsäuren wird immer übersehen, dass sie nicht nur das „böse“, sondern auch das „gute“ Cholesterin anheben und deren Verhältnis also kaum beeinflussen. Außer-dem senken gesättigte Fettsäuren andere Herzinfarkt-Risikofaktoren wie das Lipoprotein(a) und gefährliche, kleine, dichte LDL-Partikel.
MEN´S HEALTH: Gibt es gesunde und ungesunde Fette?
Nicolai Worm: Alle Fettsorten sind wichtig. Im Körper werden gesättigte wie auch einfach und mehrfach ungesättigte benötigt. Letztere kann er nicht selbst herstellen. Die muss man also zuführen. Umso mehr sollte man aber bei diesen körperfremden Stoffen aufpassen, denn hier ist eine Überdosierung mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden. So ist die alte Mär von der „besonders wertvollen“ mehrfach ungesättigten Linolsäure aus Pflanzenfetten längst widerlegt. In zu hoher Menge ist sie bedenklich. Wir sollten wieder ein ausgewogeneres Verhältnis der verschiedenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren anstreben. Das heißt: mehr Omega-3-Fettsäuren und weniger Omega-6-Fettsäuren. Der Hauptanteil sollte aber aus einfach ungesättigen Fettsäuren bestehen.
Her mit den kleinen Fettsäuren
Bei den folgenden Fett- und Ölsorten gibt es Unterschiede. Deswegen sollten diese in unterschiedlicher Menge gegessen werden.
Von diesen drei Sorten sollten Sie jedoch eher mehr wie üblich tanken:
Diese Fette sind neutral. Hier dürfen Sie so viel wie üblich:
Bei diesen Fetten gilt - weniger ist mehr:
MEN´S HEALTH: Welche Fettsorten bieten dem Herz den besten Schutz?
Nicolai Worm: Diese Frage ist auch nach 50 Jahren Forschung nicht geklärt. Relativ sicher scheint, dass eine zu geringe Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren ein Risiko für plötzlichen Herztod darstellt. Diese stabilisieren offenbar den Herzrhythmus. Die stärkste Bedrohung des Herzens kommt aber von spontan auftretenden Blutpfropfen. Auch dies spricht für Omega-3-Fettsäuren, da sie die Blutgerinnung hemmen. Andererseits sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren sehr oxidationsempfindlich, was eine gewisse Neigung zur Förderung der Atherosklerose beinhalten würde. Hier sind wohl wiederum die einfach ungesättigten Fettsäuren überlegen, da sie besonders stabil sind und selbst hochdosiert keine unerwünschten Nebenwirkungen auslösen.
MEN´S HEALTH: Steigt das Prostatakrebsrisiko mit einem hohen Anteil von rotem Fleisch?
Nicolai Worm: In der Vergangenheit wurde immer wieder ein Zusammenhang zwischen Fleisch beziehungsweise gesättigten Fettsäuren und Krebs postuliert. Beim Fleisch finden sich einige Studien, die eine Verbindung zu Darmkrebs aufzeigen, andererseits gibt es immer noch deutlich mehr, die keine finden. Inzwischen steht nicht das Fleisch an sich im Verdacht, für das Krebsrisiko verantwortlich zu sein, sondern Begleitstoffe, die durch die Zubereitung (etwa beim Grillen) entstehen. Beim Prostatakrebs gibt’s einen statistisch belegbaren Zusammenhang zum Konsum von Fleisch und tierischem Fett. Ein plausibler Wirkmechanismus ist aber nicht bekannt. Irgendwann zeigt sich wahrscheinlich – wie schon beim Brust- und Darmkrebs –, dass ein hoher Konsum an Fleisch und tierischem Fett mit anderen Lebensstilmerkmalen gekoppelt ist. Dann aber wären etwa zu geringer Obst- und Gemüseverzehr oder zu wenig Bewegung die eigentlichen Risiken, nicht das Fett. Deshalb sollte man auf besser gesicherte Daten warten, bevor man wieder vorschnell Panik verbreitet.
MEN´S HEALTH: Wie profitieren Ausdauersportler von einem höheren Fettkonsum?
Nicolai Worm: Reine Ausdauersportler erreichen durch jahrelanges, intensives Training eine Optimierung ihres Fettstoffwechsels. Dadurch können sie ihre Energie aus Fett etwa genauso schnell und genauso effizient (also mit vergleichbarem Sauerstoffverbrauch) gewinnen wie aus Zucker. Sie erreichen dadurch mit fettreicher Kost eine vergleichbare Ausdauerleistung. Gleichzeitig verbessern sich aber ihre Parameter des Immunsystems und die Cholesterinwerte im Blut. Für die Praxis hat das darüber hinaus den immensen Vorteil, dass man seinen zum Teil extrem hohen Energiebedarf mit einem wesentlich kleineren und wohlschmeckenderen Nahrungsvolumen abdecken kann als bei fettarmer und kohlenhydratreicher Kost.