Das Wort Stoffwechsel ist jedem geläufig – und wohl jeder kennt die eine oder andere Theorie über den Einfluss dieses hochkomplexen biomechanischen Vorgangs auf den Körperbau, das Gewicht und die Leistungsfähigkeit. Hellhörig werden die meisten dann, wenn die Kalorien, die sie zu sich nehmen, sich an Stellen sammeln, wo das nicht unbedingt erwünscht ist, während manche Kumpels scheinbar essen können, was und so viel sie wollen, ohne je dick zu werden.
In dieser Situation kommt dann oft die vage Vorstellung ins Spiel, dass man wohl irgendwie "den Stoffwechsel anheizen" müsse, um Abhilfe zu schaffen. Aber was bedeutet das eigentlich? Was geht dabei im Körper vor? Wovon hängt es ab, wie schnell der innere Hochofen die ihm zugeführten Kalorien verheizt? Und welchen Einfluss haben Training und Ernährung auf den Stoffwechsel? Werfen wir mal einen Blick hinter die Kulissen deiner "Verbrennungsanlage".
Was genau ist mit Stoffwechsel überhaupt gemeint?
"Als Stoffwechsel bezeichnen wir das Kalorienverbrennen, den Prozess, mit dem der Körper flüssige oder feste Nahrung in Energie umwandelt", sagt die australische Ernährungswissenschaftlerin Dr. Gina Cleo von der Bond University in Gold Coast. "Diese Energie wird dann für sämtliche natürlichen Funktionen, die im Körper ablaufen, genutzt, etwa Atmung, Herzschlag und Verdauung – und natürlich für Sport und Bewegung."
Wie misst man eigentlich den Stoffwechsel?
"Die Menge an Kalorien, die der Körper jeden Tag verbraucht, nennt man den Gesamtumsatz", erklärt die britische Ernährungswissenschaftlerin, Bloggerin und Buchautorin Hazel Wallace aus London. Die Kalorien, aus denen sich der Gesamtumsatz zusammensetzt, ergeben sich aus 4 Faktoren: Grundumsatz (Kalorienmenge, die der Körper im Ruhezustand verbrennt), Sport (beispielsweise Laufen), Aktivitätsthermogenese ohne Sport (beiläufige Bewegungen), thermischer Effekt der Nahrung (zu den beiden letztgenannten Faktoren später ein wenig mehr).
"Der Körper verbrennt Kalorien auf viele verschiedene Weisen. Die Verteilung ist teils genetisch bedingt, teils durch Erziehung und Umwelt", erläutert Expertin Cleo. "Energie, die der Körper benötigt, um im Ruhezustand zu funktionieren – der so genannte Grundumsatz –, erfordert 50 bis 75 Prozent der Kalorienmenge, die wir uns jeden Tag zuführen. Unsere Verdauung benötigt rund 10 Prozent davon. Und dann ist da noch körperliche Betätigung." Der Grundumsatz variiert je nach Muskelmasse, Geschlecht und Lebensalter. Über den Daumen gepeilt beträgt er bei Frauen um die 1450 Kalorien, bei Männern ungefähr 1650 Kalorien pro Tag.
Kann ich meinen Stoffwechsel beschleunigen?
Die Vorstellung, dass manche einen schnelleren, andere einen langsameren Stoffwechsel haben, ist ein Mythos, erläutert Rick Miller, leitender Ernährungsberater am King Edward VII’s Hospital in London. "Sofern keine Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion vorliegt, ist der Grundumsatz bei Menschen mit einer ähnlichen Muskelmasse weitgehend identisch." Wie viel wir verbrennen und speichern, ist Miller zufolge überwiegend durch unsere täglichen Aktivitäten bedingt: "Viele, die von Natur aus relativ schlank sind, kommen nie richtig zur Ruhe, sind ständig in Bewegung oder zappeln herum. Und wenn man nie wirklich still sitzt, verbraucht man mehr Energie."
Dies wird, wie bereits erwähnt, als Aktivitätsthermogenese ohne Sport (kurz: NEAT) bezeichnet und umfasst die meisten Alltagsaktivitäten, vom Arbeitsweg über die Gartenarbeit bis zum Tippen auf der Tastatur. Während der Grundumsatz bei Menschen ähnlichen Körperbaus weitgehend identisch ist, kann der NEAT-Verbrauch zwischen Menschen ähnlicher Größe um bis zu 2000 Kalorien pro Tag variieren. Bei Menschen, die überwiegend sitzen, entfallen darauf zwischen 6 und 10 Prozent des täglichen Energieverbrauchs, bei anderen, die oft aktiv sind, kommen bis zu 50 Prozent zusammen.
Wie wirkt sich das Laufen auf den Stoffwechsel aus?
Auch wenn Sport direkt Kalorien verbrennt, sind es erst seine kumulativen Effekte – zum Beispiel der Aufbau von Muskelmasse –, die einen spürbaren Unterschied bewirken. "Die Muskelmasse hat auf den Grundumsatz den größten Einfluss", erläutert Professor Grant Brinkworth, leitender Forscher der nationalen Wissenschaftsbehörde Australiens. Und: "Der Grundumsatz trägt am stärksten zum Gesamtumsatz bei. Aus dem Grund haben alle Strategien, ihn zu verbessern, auch die größten Auswirkungen auf die Steigerung des Energiestoffwechsels." Der Körper muss im Ruhezustand mehr Energie aufwenden, um Muskelgewebe zu erhalten, als er für das Fettgewebe braucht.
Ab 30 Jahren beginnt der Mensch automatisch, Muskelmasse zu verlieren. Dieser Prozess lässt sich allerdings verlangsamen: durch regelmäßiges Widerstandstraining, kraftfördernde Bergaufläufe und den Verzehr von ausreichend Proteinen. Noch besser: Jede Art von Bewegung kurbelt (wenn auch in unterschiedlichem Maß) den Stoffwechsel an. Intensives Intervalltraining sorgt dafür, dass er noch bis zu 48 Stunden nach dem Ende des Trainings erhöht bleibt. Und nach einem intensiven Workout bei 85 bis 90 Prozent der maximalen Herzfrequenz muss der Körper schwer arbeiten, um seine Glykogenspeicher wieder aufzufüllen oder während des Trainings beschädigte Muskelproteine zu reparieren und somit den Körper wieder in den Ruhezustand zu bringen. Dies wird als zusätzlicher Sauerstoffverbrauch nach dem Training (kurz: EPOC) bezeichnet.
Auch Krafttraining ist eine gute Möglichkeit, um den EPOC-Effekt (auch: Nachbrenneffekt) hervorzurufen, 45- bis 60-minütige Workouts mit Gewichten sorgen verlässlich für einen zusätzlichen Sauerstoffverbrauch. Natürlich sind für den Muskelaufbau auch zusätzliche Nährstoffe nötig. Das wird daran erkennbar, dass man, wenn man über den Tag hinweg nicht genügend Kalorien zuführt, nicht mal annähernd so schnell Muskelmasse aufbaut, als wenn man Training durch eine adäquate Ernährung unterstützt – ganz gleich, ob man die genetischen Voraussetzungen mitbringt.
Beeinflussen Diäten den Stoffwechsel?
"Der Körper interpretiert einen Mangel an Nahrung als Hunger, verlangsamt den Stoffwechsel daraufhin um bis zu 10 Prozent", so Ernährungswissenschaftlerin Cleo. Das ist der Grund, warum Blitzdiäten so müde machen: Der Körper sieht sich genötigt, Energie zu sparen. "Man fühlt sich müde, atmet langsamer und ist weniger motiviert, sich zu bewegen." Cleo empfiehlt, den Kalorienkonsum auf moderate Weise zu reduzieren, um einen Absturz des Stoffwechsels zu verhindern.
Oft hört man, dass es zum Abnehmen besser sei, im Tagesverlauf mehrere kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen als etwa 3 größere, weil das den Stoffwechsel auf Hochtouren halte. Doch worauf es wirklich ankommt, ist ein verlässlicher Rhythmus. "Wenn jemand an einem Tag 3 größere Mahlzeiten zu sich nimmt, dann kurbelt das den Stoffwechsel 3-mal deutlich an", stellt die Ökotrophologin klar. "Bei 6 kleineren Mahlzeiten verstärkt er sich 6-mal leicht." Beides kann klappen. Probiere es einfach aus, was für deinen Körper am besten funktioniert.
Welche Rolle spielt der Darm?
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Darmflora einen erheblichen Einfluss auf den Stoffwechsel hat. "Werden Darmbakterien von schlanken Mäusen auf übergewichtige Mäuse übertragen, nehmen diese sehr rasch ab, und ihr Appetit passt sich an", sagt Ernährungsberater Rick Miller. Eine US-Studie an der University of Iowa legt darüber hinaus nahe, dass ungesunde Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms (Gesamtheit der Mikroben im Darm)den Grundumsatz verringern können, was auf eine durchschnittliche Gewichtszunahme von 13 Kilo pro Jahr hinauslaufen kann.
Eine Untersuchung am Boston Children's Hospital hat ergeben, dass nützliche Darmbakterien Fettsäuren herstellen, die den Stoffwechsel optimieren, während schädliche Bakterien diese Fettsäuren aufzehren, was den Stoffwechsel verlangsamt. "Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass es nicht nur für einen geregelten Stuhlgang nützlich ist, sich um sein Mikrobiom zu kümmern, sondern dass es einen auch schlank halten kann", sagt Experte Miller. Man kann das Mikrobiom zum Beispiel mit präbiotischen, pflanzlichen Ballaststoffen füttern.
Worauf kommt es bei der Ernährung an?
Nahrung liefert Energie, ihre Verdauung erfordert allerdings auch Energie. Dies wird thermischer Effekt genannt. Unterschiedliche Lebensmittel haben unterschiedliche thermische Effekte. Grüntee-Extrakt und Chilis etwa gelten als Nahrungsmittel, die deine Verdauung in Schwung bringen und den Stoffwechsel ankurbeln. Das setzt wiederum die Fettverbrennung in Gang.
Kaum bekannt aber ist, dass es einen großen Unterschied macht, welche Makronährstoffe man zuführt. Bei der Fettverbrennung haben Proteine die Nase vorn. "Im Vergleich zu Kohlenhydraten und Fetten erfordern Verdauung und Aufnahme von Proteinen mehr Energie. Sie erhöhen den thermischen Effekt der Nahrung", sagt Experte Brinkworth. Neuere Studien legen nahe, dass der Verzehr von mindestens 25 Gramm qualitativ hochwertigem Eiweiß zu jeder Mahlzeit zum Aufbau von Muskelmasse beitragen kann. Brinkworth: "Diese Menge könnte zu einem höheren Energieverbrauch führen, im Ruhezustand wie auch beim Essen."
Fazit: Mit der richtigen Taktik kannst deinem Stoffwechsel einheizen
Der Stoffwechsel ist Dreh- und Angelpunkt, wenn’s ums Abnehmen geht. Und er lässt sich durchaus ein wenig steuern. Nun weißt du, was du dabei beachten musst und hast die Antworten auf die brennendsten Fragen.