BMX Flatland: Der Underdog unter den BMX-Disziplinen

Beim Thema BMX denken viele nur an hohe Rampen und halsbrecherische Sprünge. Doch der BMX-Sport ist vielfältiger als man denkt: Aus der Ursprungsdisziplin, dem Race, haben sich immer mehr Unterkategorien im Bereich Freestyle abgesplittet. Neben Dirt, Park, Street und Halfpipe BMX, hat sich mittlerweile auch der Underdog unter den BMX-Disziplinen – BMX Flatland – einen Namen gemacht.
Beim BMX Flatland verzichtet man bewusst auf Rampen, Pipes & Co., denn hier stehen der Fahrer und sein Bike im Vordergrund. Auf einer ebenen Fläche werden akrobatische Tricks und Combos – also Trickkombinationen – gefahren, bei denen es nicht um Schnelligkeit oder Sprungtechnik geht, sondern in erster Linie um ein gutes Körpergefühl, die richtige Balance und Ästhetik. Wer BMX Flatland fährt, vollführt mit seinem Bike eine wahre Kür auf dem Asphalt. Nicht umsonst gilt diese BMX-Form als einer der schwierigsten in der Szene. Neben einem ausgeprägten Gleichgewichtssinn, gehören auch jahrelanges Training und vor allem Selbstdisziplin zu den Grundvoraussetzungen beim BMX Flatland.
BMX Flatland: Interview mit Flatlander Rayk Hahne

Einer, dem hartes Training und Rückschläge nichts ausmachen, ist Rayk Hahne. Zusammen mit seinen Kollegen Phil und Maik gründete er die Extremsportgruppe Just Freerun (www.justfreerun.de). Hier vereinen sie Breakdance, Parkouring, Freerunning und BMX Flatland. Im Interview beantwortet Rayk alle wichtigen Fragen zum Thema BMX Flatland und erklärt, wie er und seine Jungs von Just Freerun diese – mittlerweile vom Aussterben bedrohte Sportart – retten wollen.
Warum gerade BMX Flatland – was reizt dich an dieser Disziplin?
"BMX Flatland ist einfach anders. Es ist extrem – genau wie ich", sagt Rayk Hahne. "Die Begeisterung für diesen Extremsport ist bei mir einfach charakterlich bedingt. Wenn andere Leute meinen, dieser oder jener Trick sei so gut wie unmöglich oder die Sportart als solches viel zu schwierig, ist mein Interesse geweckt. "Ich will meinen Körper testen und fordere immer wieder Höchstleistungen von ihm" so der leidenschaftliche BMXer, Breakdancer und Freerunner. "Der Sport ist für mich eine Art Entspannung – aktive Entspannung sozusagen – wo ich mit mir, meinem Körper, Geist und dem Bike eins bin!
Wo und wie oft trainierst du?
"Ich trainiere jeden Tag – im Prinzip sogar jede Minute meines Lebens. Man muss nicht nur den Körper trainieren, sondern auch den Geist. Das gehört einfach zu meiner Lebensphilosophie. Egal wo ich bin, ich halte immer die Augen offen nach neuen, coolen Locations um zu trainieren. Das ist aber gar nicht so einfach, da viele Plätze zum Beispiel uneben, gepflastert oder völlig überfüllt sind."
BMX Flatland: Wo findet man gute Voraussetzungen fürs Training?

"Im Prinzip braucht man nur sein Bike und einen ebenen Platz, zum Beispiel in einer Tiefgarage, einem Parkhaus oder auf einem asphaltierten, öffentlichen Ort", so der Profi. "Um den Schwierigkeitsgrad zu steigern, ziehe ich es manchmal sogar vor, auf unebenen Untergründen oder in Mitten einer Menschenmasse, zum Beispiel auf einem öffentlichen Platz, zu trainieren. Das schärft die Konzentration und trainiert die Balance noch zusätzlich."
Wo findet man eine Gruppe oder Kurse, wo man BMX Flatland lernen kann?
Neben dem Internet, wo man gezielt nach bestimmten Flatland-Kursen oder BMX-Camps suchen kann, hat Rayk Hahne noch einen ganz simplen Tipp, aber besonders erfolgversprechenden Tipp parat: "Wenn ihr einen Flatlander auf der Straße oder einem Platz trainieren seht – schnackt ihn einfach an" rät der Extremsportler, der oft selbst von Interessierten beim Training angesprochen wird.
Extra-Tipp vom Profi: "Wenn ihr einen BMXer ansprechen wollt, wartet bitte so lange am Rand, bis er eine Pause macht oder mit dem Training durch ist. Das zeugt einfach von Respekt und kommt immer gut an", rät Hahne. "Im Theater würde man ja auch nicht mitten im Stück auf die Bühne springen, nur weil man dem Schauspieler sein Lob oder Ähnliches aussprechen will."
BMX Flatland: Braucht man bestimmte körperliche Voraussetzungen oder Vorlieben um Flatland zu lernen?

"Definitiv nein", so der leidenschaftliche Flatlander. "Ich würde sogar behaupten, dass BMX Flatland massentauglich ist. Der extrem hohe Schwierigkeitslevel schreckt allerdings viele Anfänger ab. Die ersten Tricks mögen noch ganz einfach sein, aber beim flatlanden wird's schnell kompliziert und wer dann nicht das nötige Durchhaltevermögen und genügend Biss besitzt, wechselt vielleicht eher zu einer anderen BMX-Disziplin. Prinzipiell kann aber jeder – ob alt, jung, Mann oder Frau – BMX Flatland lernen. In einem unserer Kurse gab es sogar mal einen Ü60-Anfänger. Er wollte seinem Enkel eine Freude machen und schenkte ihm ein BMX-Bike. Da der Junge allerdings kein Interesse zeigte, ergriff der Opa die Initiative und schwang sich quasi selbst aufs Bike. Respekt!" Eine Sache ist beim Flatland BMX allerdings unverzichtbar: eine gute Balance. "Wer von vornherein große Probleme mit dem Gleichgewicht hat, sollte sich vielleicht nach einer anderen Sportart umschauen. Man kann seine Balance natürlich trainieren, aber wenn eine gewisse Grundbalance fehlt, kann auch noch so hartes Training nichts ausrichten."
BMX Flatland: Welches ist dein coolster Trick auf dem Bike?

"Ganz eindeutig der Switchfooted Rocket Nosemanual" schießt es aus Hahne. "Ich habe rund 6 Jahre gebraucht, um diesen Trick zu perfektionieren."
Wie schnell lernt man als Anfänger die Tricks?
"Das kommt ganz drauf an. Nach den ersten, leichteren Tricks, stoßen viele an Ihre Grenzen und haben oft nicht genug Ausdauer, um sich richtig reinzuhängen und es durchzuziehen" so Rayk Hahne, der seit 2005 BMX fährt und zunächst mit BMX Street begann. "Man braucht für diesen Sport echt Eier" so Hahne. "Es mag auf den ersten Blick vielleicht nicht so spektakulär aussehen, wie Street oder Halpipe. Dafür sind die Tricks umso schwerer zu lernen
BMX Flatland: Wie hoch ist das Verletzungsrisiko beim BMX Flatland?

Das ist einer der vielen Vorteile, die für den Sport sprechen: "Das Risiko sich beim flatlanden ernsthaft zu verletzen ist sehr gering. Denn selbst wenn man mal stürzt oder umkippt – und das passiert beim Einstudieren der Tricks und Combos natürlich schon sehr häufig – fällt man nicht tief."
Hast du dich also noch nie ernsthaft verletzt?
"Jedenfalls nicht beim Flatlanden" so Hahne. "Eine angeknackste Rippe, ein oder zwei gebrochene Finger – meine "Ausbeute" an Verletzungen ist wirklich sehr gering."
BMX Flatland: Machen auch Frauen BMX Flatland?

"Ja, aber leider nur sehr wenige" so der BMX-Pro. "Frauen trauen sich oft viel zu wenig zu, dabei lernen Sie im Gegensatz zu Männern viel schneller, da sie meist aufmerksamer zuhören. Weltweit gibt es vielleicht knapp 100 Frauen, die BMX Flatland fahren – das ist echt wenig" so Hahne. "In Deutschland selbst sind es vielleicht eine Handvoll. "Insgesamt geht der Trend aber nach oben" so Hahne. "In der BMX-Szene gibt es immer mehr Mädels, die richtig was drauf haben und so manchen Typen locker in die Tasche stecken würden. Auch das Niveau bei den Frauen steigt. Das kann man besonders bei Wettkämpfen, wie der anstehenden WM, beobachten. Hervorstechen tun dabei die Mädels aus den USA."
BMX Flatland: Wie erfolgreich bist du bei Wettkämpfen?

"2006 nahm ich zum ersten Mal bei der BMX-WM teil und belegte direkt den 7. Platz" sagt Hahne. Zur Info: Zu diesem Zeitpunkt fuhr er erst 1 Jahr BMX. Seitdem nimmt er jedes Jahr an diversen Contests teil und sahnt dabei ordentlich ab. Sein Ziel für die BMX-WM im Juli 2014: "Ich bin bis dato immer knapp am Treppchen vorbegeschrammt, jetzt will endlich unter die Top 3."
BMX Flatland: Kannst du mit dem BMX fahren auch Geld verdienen?

"Klar, das läuft ganz gut. Trotzdem habe ich mich in den letzten Jahren ein wenig zurückgenommen und habe meine berufliche Karriere weiter vorangetrieben" so Hahne. Er arbeitet als selbstständiger Unternehmensberater und ist dabei nicht weniger erfolgreich als im Sport. "Das meiste Geld kommt durch gebuchte Auftritte, wie zum Beispiel dem auf dem Men's Health Urbanathlon, rein" erklärt der Business-Profi, der es versteht, Beruf und Hobby optimal zu vereinen. "Wir geben aber auch Kurse und Workshops und sind damit ziemlich erfolgreich."
Was sind das für Kurse und Workshops?
"Ich mache ja nicht nur BMX Flatland. Zusammen mit meinen Kollegen Phil und Maik von Just Freerun organisiere ich Kurse im Bereich Freerunning und Parkouring. Als Basis für diese Extremsportarten braucht man ein gutes Körpergefühl sowie Körperspannung und Balance" so Hahne. "Daher bieten wir zum Beispiel regelmäßig Handstandkurse an."
Warum gerade Handstandkurse?
"Das Beherrschen eines Handstandes bildet die Basis für viele Tricks in den Bereichen Freerunning oder natürlich auch Breakdance" so der Experte. "Außerdem bekommt man ein besseres Gefühl für seinen Körper und kann seine Körperspannung besser und effektiver einsetzen."
BMX Flatland: Wieso habt ihr euch entschieden vom Sportler zum Trainer zu werden?

"Freerunning oder auch BMX Flatland sind Sportarten, die in Deutschland noch nicht allzu populär sind", sagt Rayk Hahne. "Wir würden das gerne ändern. Wir haben auch schon kostenlose Schnupperkurse in Schulen und Freizeiteinrichtungen gegeben, um die Kids direkt anzusprechen und auf uns – beziehungsweise den Sport – aufmerksam zu machen", so Hahne. "Sport ist immer eine bessere Alternative, als auf der Straße rumzuhängen und eventuell auf die falsche Bahn zu gelangen. Es ist auch einfach wichtig den Kids zu zeigen, dass es neben Fußball, Handball & Co. noch jede Menge andere, coole Sportarten gibt, die sie lernen können – ohne einen Mitgliedsbeitrag zu bezahlen oder sich teures Equipment kaufen zu müssen."
BMX Flatland: Gibt es denn ein spezielles Flatland BMX-Modell?

"Ein Flatland BMX unterscheidet sich von anderen BMX-Bikes vor allem durch die Pegs" so Hahne. Pegs – in der Regel 4 – sind Verlängerungen der Radachsen, die für die Tricks beim Flatlanden unerlässlich sind. "Zudem ist der Sattel höher, als z. B. beim Street-BMX und es ist extrem leicht und wendig. Die Laufräder haben – wie alle BMX-Bikes – immer 20 Zoll", erklärt der Extremsportler, der sich selbst gern als "disziplinierter Freak" bezeichnet. "Ein Flatland-BMX muss natürlich auch einiges aushalten und sollte daher stabil, aber nicht unnötig schwer sein", so Rayk Hahne. Ein Mix als aus Leichtbau versus "hält noch", wie der Profi es treffend beschreibt.
Wie teuer ist ein Flatland-BMX?
"Nach oben hin gibt es da keine Grenzen, aber als Anfänger bekommt man schon für rund 300 Euro ein echt gutes Einsteiger-Bike."
Wo kann man sich beraten lassen?
"Mein Tipp: Der Alliance BMX Shop in Bremen ist ein Top-Laden für BMX-Equipment – inklusive individueller Kaufberatung."
Mehr Infos unter www.alliance-bmx.de.
BMX Flatland: Hast du Vorbilder in der Szene?

"Alex Jumelin ist eines meiner großen Vorbilder. Er hat sein Leben komplett dem Sport verschrieben – das beeindruckt mich" sagt Hahne. "Er hat diverse BMX-Schulen hochgezogen um den Nachwuchs optimal zu fördern, denn in Sachen Flatland-Nachwuchs sieht es echt mau aus. Auch Mathias Dandois ist ein echtes Vorbild für mich. Er hat die Flatland-Szene geprägt wie kein anderer" sagt der Profi. Dandois wurde im Oktober 2008 zum besten BMX-Flatlander der Welt gekürt.
BMX Flatland: Siehst du dich als Vorbild?

"Natürlich. Durch unsere Kurse und Auftritte möchte ich den Kids zeigen, was alles möglich ist, wenn man nur hart genug kämpft. Geld oder Herkunft sind dabei völlig zweitrangig."