Die Hüfte ist der Schlüssel für Beweglichkeit und Kraft, kann aber auch Rückenleiden auslösen, wenn sie vernächlässigt wird. So stärken Sie das am meisten unterschätzte Gelenk.
Warum hat man Hüftschmerzen?
"Ihre Hüften sind 3-dimensionale Maschinen", sagt der Hamburger Präventivmediziner Dr. Dominik Dotzauer, der sich unter anderem auf Krafttraining spezialisiert hat. An praktisch jeder Bewegung des Unterkörpers sind die Hüften beteiligt – vom Hocken und Springen bis hin zum Laufen und Heben. Als Scharnierzentrum helfen sie zudem, bei allen Bewegungen, die über Ihnen stattfinden – also Drücken, Drehen, Werfen und so weiter –, im Gleichgewicht zu bleiben. Und selbstverständlich halten sie die Hüften aufrecht, wenn Sie etwa einem Laternenpfahl ausweichen oder das Tanzbein schwingen.
"Optimale Hüften erzeugen Kraft, wenn man sich vorwärts oder rückwärts bewegt, und stabilisieren den Körper in Rotations-, Seitwärts- und Aufwärtsbewegungen", sagt Dotzauer. "Das Problem ist: Nur wenige Menschen haben optimale Hüften." Vor allem zu häufiges Sitzen ist schuld an unbeweglichen Hüften und Schmerzen in der Hüftgegend. Doch zur Panik besteht absolut kein Grund, denn es gibt Möglichkeiten, die volle Funktion des Hüftgelenks wiederherzustellen, auch wenn Sie bereits Probleme haben. Wir verraten, wie Sie das gesamte kraftproduzierende, körperstabilisierende Potenzial Ihrer Hüfte wieder aktivieren.

Warum sollte man seine Hüften gezielt trainieren?
Die Hüfte spielt eine zentrale Rolle bei vielen Bewegungen. Hier sind 4 Gründe, Ihre Hüften wieder in Form zu bringen:
1. Mehr Power beim Workout
Stabile, bewegliche Hüften ermöglichen es Ihnen, jede Übung in vollem Umfang und mit voller Kraft auszuführen. Und dadurch wird Ihr Training viel effektiver. Ein Paradebeispiel: Kniebeugen. Da können verkürzte Hüftbeuger dazu führen, dass Sie das Becken gar nicht richtig senken können. Das hindert Sie daran, schön tief in die Knie zu gehen, obwohl genau das die wirkungsvollste Variante dieser Übung ist. Weil es sich bei Hüftbeugern und Gesäßmuskeln um Muskelgruppen handelt, die sich gegenüberliegen und sich so gegenseitig beeinflussen, können Probleme mit den Hüftbeugern gleichzeitig die Aktivierung des Gesäßes bei Bewegungen wie Kettlebell-Swings ausbremsen. Und das bedeutet letztendlich weniger Kalorienverbrauch und weniger Muskelaufbau – ein sportlicher Grund, die Hüften so schnell wie möglich wieder in Schwung zu bringen.
2. Keine Rückenschmerzen
Wenn Sie chronische Probleme mit der Wirbelsäule haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie die Gesäßmuskeln nicht oft genug trainieren. Auch das ist meist auf eine durch das Sitzen verkürzte Hüftbeugemuskulatur zurückzuführen. Wenn Sie beim Herunterbeugen oder Hinüberlehnen Ihre Hüften anspannen, statt Ihr Gewicht auf die Gesäßmuskeln zu bringen, verlagert Ihr Becken die Last auf die Rückenmuskeln, was dort zu Schmerzen führen kann. Lange, trainierte, kräftige Hüftbeuger hingegen erlauben es den Gesäßmuskeln, sich beim Bücken und Stehen in einer idealen Position zu halten. Das entlastet dann die Rückenmuskulatur.
3. Weniger Knieprobleme
Die Hüften helfen dabei, die Ausrichtung der Beine bis hin zu den Knöcheln zu kontrollieren. Fehlt jedoch ein Teil der Beweglichkeit oder Stabilität auf einer Bewegungsebene, schafft Ihr Körper unwillkürlich einen Ausgleich, indem er andere Gelenke stärker belastet. Meist sind das die Knie, die infolgedessen anfangen zu schmerzen – etwa auch beim so genannten Läuferknie. Dotzauer empfiehlt: "Arbeiten Sie an der Stabilität und der Beweglichkeit Ihrer Hüften, um Verletzungen und Schmerzen vorzubeugen."
4. Bessere Bauchmuskeln
"Im Wesentlichen sind Ihre Hüften das Fundament, auf dem Ihr Rumpf aufgebaut ist. Also sollten Sie theoretisch in der Lage sein, den Bauch besser zu aktivieren, wenn Ihre Hüften stabil und beweglich sind", erklärt Dotzauer. "Achten Sie darauf, beim Training die richtige Körperhaltung zu bewahren. Beim Bauchmuskeltraining sollten Sie Ihr Becken nicht zu weit nach vorne (Flachrücken) oder zu weit nach hinten (Hohlkreuz) kippen – nur dann können die Bauchmuskeln richtig arbeiten." Das verbessert Ihre Balance beim Laufen und Heben. Außerdem sind Sie dann besser gewappnet für kniende oder einbeinige Übungen, die Ihre Bauchmuskulatur zusätzlich fordern.

Wie behandelt man Hüftschmerzen? Wann sollte man zum Arzt gehen?
Anhand dieser 3 Symptome erkennen Sie, welche Behandlung in Ihrem Fall die richtige ist:
1. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt
Das Symptom: Beim Training schaffen Sie’s nur mit viel Mühe, den Rumpf durchzustrecken.
Die Diagnose: Sie haben eine verkürzte Hüftbeugemuskulatur. Diese Muskeln sind für das Anheben der Beine verantwortlich. Da Hüft- und Gesäßmuskulatur eng miteinander verbunden sind, verliert infolgedessen der ganze Beckenbereich an Stabilität. In den meisten Fällen ist stundenlanges Sitzen die Ursache dafür, denn es bringt die Hüftgelenke dauerhaft in eine starre Position. Probleme mit den Hüftbeugern treten aber auch bei Läufern auf.
Die Lösung: "Durch einfaches Dehnen des Hüftbeugers senken Sie das Risiko, diesen Muskel zu überfordern und in der Folge einen Muskelriss zu erleiden", sagt Dotzauer. Probieren Sie folgende Übung: Sie knien aufrecht auf dem linken Knie, der rechte Fuß ruht vor Ihnen auf dem Boden. Ziehen Sie Ihre Bauch- und Gesäßmuskeln fest zusammen, um Ihr Steißbein zu dehnen. Halten Sie die Position eine Minute lang und verstärken Sie die Dehnung, indem Sie die Hüften leicht nach vorne drücken. Seiten wechseln, das Ganze 3-mal wiederholen.
2. Das Hüftgelenk macht Geräusche
Das Symptom: Sie hören ein Knacken in der Hüfte, wenn Sie Mountain-Climbers machen, in einen Ausfallschritt gehen oder einfach nur aufstehen wollen.
Die Diagnose: Haben Sie keine Schmerzen, ist wahrscheinlich nur der Hüftbeuger überlastet. "Das Geräusch ist meist auf eine Verschiebung von Luftbläschen im Gelenk zurückzuführen", so Präventivmediziner Dotzauer. "Oder Sie hören, wie Bänder und Sehnen über Knochen springen." Spüren Sie jedoch zusätzlich ein Stechen im Hüftbereich, kann es auch ein Anzeichen dafür sein, dass Muskelgewebe gerissen ist.
Die Lösung: Nehmen Sie sich eine zwei- bis dreiwöchige Pause von jeder Übung, die Unbehagen bei Ihnen verursacht. Wenn Sie sich danach immer noch beeinträchtigt fühlen, gehen Sie zum Arzt oder Physiotherapeuten, um ausschließen zu lassen, dass das Geräusch von einer tiefergehenden Verletzung verursacht wird.
3. Eine bestimmte Bewegung tut weh
Das Symptom: Sie gehen in die Hocke oder in die Kniebeuge und spüren dabei ein unangenehmes Zwicken in der Hüftgegend.
Die Diagnose: Es könnte sich um ein Hüft-Impingement handeln – der medizinische Begriff für eine ungenaue Passform von Hüftkopf und Hüftpfanne. Dabei schlägt der der höchste Teil des Oberschenkelknochens an den Rand der Hüftpfanne. Bei jungen Erwachsenen ist dies oft Ursache von Hüftgelenksschmerzen.
Die Lösung: Gehen Sie damit in jedem Fall zum Arzt, denn wiederkehrende Hüftverletzungen dieser Art können in dem Gelenk Entzündungen oder gar Knorpelschäden verursachen, die Ihre Bewegungsfreiheit beim Sport und im Alltag einschränken. Ein Physiotherapeut kann alternative Bewegungen vorschlagen, die keine Schmerzen verursachen. "Manchmal reicht es schon aus, bei Kniebeugen die Füße etwas weiter auseinander zu positionieren und nicht so tief in die Beuge zu gehen", rät Experte Dotzauer.

Was kann man gegen Hüftschmerzen tun?
Mit diesen 3 Übungen fördern Sie eine gute Hüftmotorik.
Seitstütz mit Fitness-Band
3 Sätze, je 20 Wiederholungen,30 Sekunden Pause
A. Legen Sie sich auf Ihre linke Seite. Beine und Hüften liegen parallel übereinander, die Knie sind um etwa 45 Grad angewinkelt. Legen Sie ein Fitness-Band um die Knie, das macht die Übung intensiver und effektiver.
B. Bauchmuskeln anspannen, mit aller Kraft auf dem Unterarm vom Boden abdrücken. Rechtes Knie langsam so hoch wie möglich heben. Füße zusammen lassen. Knie senken. Seitenwechsel nach 20 Wiederholungen.
Abgesehen von den Hüftbeugern sind auch andere Muskelgruppen – vor allem im Bereich des Unterkörpers – für das Kräftegleichgewicht in der Körpermitte entscheidend. "Vorm Training sollten Sie deshalb Ihre Oberschenkel-Innenseiten mit einer Schaumstoffrolle bearbeiten und mit einem aktivierenden Warm-up starten", rät Dotzauer. "Das stärkt Ihre äußeren Rotatoren – die brauchen Sie für Drehbewegungen." Folgende Übung eignet sich besonders gut, um die Muskeln in der Körpermitte in Schwung zu bringen.
Beckenheben mit Mini-Band
3 Sätze, je 5 Wiederholungen, 30 Sekunden Pause
"Die Hüften reagieren sehr gut auf herausfordernde Belastungen, weil sie über besonders viele Muskelfasern verfügen, die sich schnell zusammenziehen", sagt Präventivmediziner Dotzauer. "Diese Übung verbessert Stärke, Beweglichkeit und Funktion des Hüftgelenks." Um den Effekt zu steigern, führen Sie die Übung im Sitzen aus und legen sich dabei eine 25-Kilo-Langhantel auf den Schoß. Auf diese Weise ist der Widerstand für die Muskulatur noch größer und verleiht den Hüften explosionsartige Energieschübe.
A. Legen Sie sich rücklings auf eine Matte, mit einem Mini-Band um die Oberschenkel. Die Beine sind angewinkelt und die Arme vom Körper weg gestreckt – das verleiht Ihrem Oberkörper zusätzliche Stabilität.
B. Bauch- und Gesäßmuskeln anspannen und das Becken langsam heben, bis Oberschenkel und Oberkörper eine gerade Linie bilden. Beine nach außen drücken. Einige Sekunden halten. Hüften langsam senken.
Kobra
5 Minuten halten
A. Legen Sie sich auf den Bauch. Strecken Sie die Beine aus, die Fußrücken befinden sich dabei auf dem Boden. Dann legen Sie Ihre Hände unter die Schultern, behalten dabei die Ellenbogen eng am Körper.
B. Strecken Sie die Arme durch, um so die Hüfte vom Boden zu lösen, während Ihr Becken und die Fußspitzen auf dem Boden bleiben. Fühlt sich gut an, oder? Halten Sie die Position idealerweise 5 Minuten lang – keine Angst, das bekommen Sie schon hin!
Diese Übung kommt aus dem Yoga und ist dort eine klassische Umkehrhaltung. Der Experte: "Man muss dem, was man den ganzen Tag tut, entgegenwirken, um den Körper in Bewegung zu halten." Gehen funktioniert zwar auch, aber probieren Sie doch mal das direkte Gegenteil des Sitzens aus: die Kobra-Stellung. "Diese Haltung streckt Ihre Hüften und Beine, aktiviert die Gesäßmuskulatur und dehnt die Vorderseite Ihres Rumpfes, die dazu neigt, sich im Lauf des Tages zusammenzuziehen." Das hält Ihre Hüften mobil.
Die besten Übungen für die Hüften
Kniebeugen, Ausfallschritte, Beckenheben – diese klassischen Übungen sind so etwas wie die Heilige Dreifaltigkeit beweglicher Hüften. Kniebeugen sorgen dafür, dass sich Ihre Muskeln in vollem Bewegungsumfang zusammenziehen und dehnen können. Ausfallschritte verbessern die Kontrolle über die Position der Hüften in alle Richtungen. Beckenheben gewährleistet, dass Sie Ihren Rumpf so weit wie möglich durchbiegen können. Tun Sie sich den Gefallen und machen Sie 20 bis 50 Wiederholungen am Tag.
Die Hüfte ist das zentrale Gelenk Ihres Körpers, das an praktisch allen wichtigen Bewegungen des Unter- und Oberkörpers beteiligt ist. Beziehen Sie Ihre Hüften in Ihr Workout mit ein. Rückenschmerzen gehören dann der Vergangenheit – und Ihre gesamte körperliche Leistungsfähigkeit wird profitieren.