Fasten gibt es in allerlei Variationen: Mal wird auf Zucker, mal auf Alkohol oder mal auf digitale Technik verzichtet. Beim Dopamin-Fasten, einem Trend aus dem US-amerikanischen Silicon Valley, geht man einen Schritt weiter und verzichtet gleichzeitig auf alles, was Glücksgefühle auslösen könnte. Was das bringen soll und ob es Sinn macht, erfährst du hier.
Was ist Dopamin-Fasten?
Eine Zeit lang auf möglichst alles verzichten, was Spaß macht und körpereigene Glückshormone triggert, ist ein Trend aus dem Silicon Valley und nennt sich Dopamin-Fasten. Statt Serien zu schauen, auf Social Media aktiv zu sein oder mit Freunden etwas zu unternehmen, schottet man sich so weit wie möglich von allen Reizen ab, die Freude auslösen könnten. Dazu gehört auch die Tafel Schokolade, Sport und Sex. Stattdessen geht man zum Beispiel allein spazieren und führt Tagebuch.
Diese Abkehr von Reizauslösern hat Auswirkung auf den Neurotransmitter Dopamin im Gehirn. Dopamin ist ein Nervenbotenstoff, der Nervenzellen im Gehirn miteinander vernetzt. Dabei ist er vor allem für die Vermittlung von positiven Gefühlen zuständig und gilt ähnlich wie das Serotonin als Glückshormon, wobei er jedoch eher eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Motivation, Antrieb, Belohnung und Vergnügen spielt.
Die Idee des Dopamin-Fastens beruht darauf, dass durch eine zeitweilige Abstinenz oder Reduzierung von Dopamin-auslösenden Aktivitäten die Dopaminrezeptoren des Gehirns sensibler werden. Es soll dazu führen, dass man wieder empfindlicher auf natürliche Belohnungen reagiert und ein tieferes Gefühl der Befriedigung aus alltäglichen Aktivitäten gewinnt.
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Wie funktioniert Dopamin-Fasten?
In der Praxis kann Dopamin-Fasten individuell gestaltet werden, aber typischerweise beinhaltet es die zeitweilige Abstinenz von bestimmten Aktivitäten für einige Stunden bis hin zu mehreren Tagen.
Während dieser Zeit sollen Menschen bewusst auf ihre Reaktionen achten und sich auf einfachere, weniger stimulierende Aktivitäten konzentrieren, um die Empfindlichkeit ihres Gehirns gegenüber Dopamin wiederherzustellen.
Wenn du zum Beispiel normalerweise Sport machst, stellt sich an einem Punkt ein Glücksgefühl ein, oder zumindest ein Gefühl der Befriedigung, sobald du z.B. ein bestimmtes Trainingsziel erreicht hast. Beim zweckfreien, einfachen Spazierengehen ohne Vorgaben zu Zeit, Strecke oder Puls, bleibt dieser Stimulus aus, so die Theorie.
Woher kommt der Trend Dopamin-Fasten?
Die Idee stammt von dem 24-jährigen James Sinka, einem im Silicon Valley ansässigen Technologie-Unternehmer.
Sinka glaubt, dass regelmäßige schnelle Dopaminschübe dazu führen, dass man gefühllos wird. So wie jemand, der Kokain konsumiert, eine Toleranz entwickelt, erklärt er in einem BBC-Interview: "Man versucht, diese aufgebaute Toleranz rückgängig zu machen. Das erlaubt einem, zu reflektieren und das Gesamtbild zu betrachten und neu zu bewerten. Wenn man beginnt, all diese verschiedenen Reize wieder aufzunehmen, sind sie ansprechender, als sie es ursprünglich waren."
Sinka beginnt seine Dopamin-Fasten-Phasen, indem er sich von so vielen äußeren Reizen wie möglich abschottet. Er hört auf zu essen und trinkt stattdessen nur Wasser, um hydriert zu bleiben. Er ignoriert sein Telefon, den Laptop-Bildschirm und andere technische Geräte. Und er versucht, den Kontakt mit Menschen so weit wie möglich zu vermeiden, selbst den Augenkontakt.
"Ich habe das Glück, dass ich Freunde, Familie und Partner habe, die mich sehr unterstützen", sagt der Tech-Unternehmer, "Ich sage ihnen im Voraus: 'Ich buche den 17. November für eine Dopamin-Fastenkur; es tut mir leid, ihr werdet nichts von mir hören. Es ist nicht so, dass ich dich nicht liebe, aber ich muss diese Sache für mich selbst tun. Ursprünglich war das ein bisschen lächerlich, aber jetzt haben sie sich daran gewöhnt."
Inzwischen hat sein Dopamin-Fasten nicht nur bei den dauergestressten High-Performern im Silicon Valley viele Fans gefunden, sondern weltweit Menschen mit hohem Stresspegel zum Nachahmen inspiriert.
Wie wissenschaftlich abgesichert ist Dopamin-Fasten?
Wissenschaftliche Studien zum Dopamin-Fasten gibt es nicht. Und nicht jeder ist vom Wert des Dopamin-Fastens oder seinen vermeintlichen Vorteilen so überzeugt. "Es ist zu beachten, dass Dopamin keine direkte Beziehung zu 'Vergnügen' oder 'Glück' hat", erklärt Joshua Berke, Professor für Neurologie und Psychiatrie an der University of California, in dem BBC-Interview. Für die Behauptung von Fastenden, dass der Verzicht auf Technik und Essen den Dopamin-Spiegel im Gehirn senken kann, sind ihm "keinerlei Beweise" bekannt.
Dr. Cameron Sepah, ein Psychologe, der viele Menschen im Silicon Valley behandelt, vermutet, dass das Dopamin-Fasten eher auf einer verhaltenstherapeutischen Technik namens "Stimuluskontrolle" basiert, die Süchtigen helfen kann, indem sie Auslöser für den Konsum beseitigt.
"Dies ist eine Modeerscheinung, es gibt keine kontrollierte Studie", urteilt Dr. Sepah, "Es klingt durchaus plausibel, dass eine Pause vom zwanghaften Checken des Social-Media-Accounts und vom nächtlichen Feiern gut für einen ist. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass es viel mit Dopamin an sich zu tun hat."
Vielleicht sollte man es nicht Dopamin-Fasten nennen, meinen einige Experten. Die Neurowissenschaftlerin Dr. Amy Milton, die es als "interessante Idee" bezeichnet, schlägt in dem BBC-Interview vor, dass die wirklichen Vorteile aus dem Gefühl resultieren könnten, die Kontrolle über sein Leben (wieder)zugewinnen. "Ich bin mir nicht sicher, ob es irgendetwas mit dem Dopaminsystem macht oder es zurücksetzt, wie die Leute sagen, die es tun", sagt sie. "Was nicht heißt, dass es eine schlechte Idee ist, gelegentlich die Gewohnheiten, die man hat, zu überprüfen und es zu tun."
Wie sinnvoll ist Dopamin-Fasten also?
Die Praxis des Dopamin-Fastens, sich über einen bestimmten Zeitraum aus der alltäglichen Reizüberflutung und vor allem von den sozialen Medien zurückzuziehen, hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile, das belegen zahlreiche Studien.
Eine Studie mit 1765 Teilnehmern wies zum Beispiel nach, dass allein eine Woche Facebook-Abstinenz Depressions-Symptome um 17 Prozent senken konnte.
Tipp: Die Handy-Safe-Schlossbox mit Wegsperr-Timer kann dir helfen, deine Social-Media-Nutzung zu reduzieren.
Über einen längeren Zeitraum das Dopamin-Level im Körper zu stark abzusenken wäre, wenn es denn über die Reizreduktion nach dem Beispiel von Sinka überhaupt möglich ist, nicht wirklich wünschenswert, es könnte Depressionen und auch gravierende gesundheitliche Problem wie die Parkinson-Krankheit auslösen. Oder die Freude am Leben nehmen.
Extremes Dopamin-Fasten, wie Erfinder James Sinka es praktiziert, zum Beispiel nur noch mit gesenktem Kopf spazieren zu gehen, birgt zudem die Gefahr, in depressive Episoden abzurutschen, sagt Suchttherapeut Christian Groß in einem Interview mit Quarks.
Dass eine zeitweilige Reizreduzierung (vor allem ein Verzicht auf reizstimulierende Technologien) jedoch hilft, um zur Ruhe zu kommen, den Lebensstil zu reflektieren und weniger abgestumpft das Leben zu betrachten, ist wissenschaftlich bewiesen und empfehlenswert. Auch Langeweile mal wieder auszuhalten, kann eine wichtige Erfahrung sein.
Sich von der Reizüberflutung und der Jagd nach Emotionen ein paar Stunden, Tage oder eine Woche lang auszuklinken, ist für Digital-Junkies nachgewiesenermaßen von hohem Nutzen – vor allem, wenn man es schafft, anschließend nicht gleich wieder in alte Muster zurückzufallen. Extremes Dopamin-Fasten jedoch, wie es sein Erfinder James Sinka praktiziert, ist in seiner Wirkung nicht wissenschaftlich bewiesen und birgt psychische Risiken.
Quellen:
Chris Stokel-Walker: Is 'dopamine fasting' Silicon Valley's new productivity fad? in: BBC online, 2019; aufgerufen am 19.3.2024
Roberto Mosquera et al.: The economic effects of Facebook, 2019; doi org/10.1007/s10683-019-09625-y
Dr. Cameron Sepha: The Definitive Guide to Dopamine Fasting 2.0, in: Linked in, 2019
Kimberly S. Young: Treatment outcomes using CBT-IA with Internet-addicted patients, 2013, in: National Library of Medicine; doi 10.1556/JBA.2.2013.4.3
Banjamin Esche: Das bringt Dopamin-Fasten wirklich, auf: Quarks, 2024; aufgerufen am 19.3.2024